Den deutschen Auswanderer Josef Klein verschlägt es nach Amerika, dort baut er sich in New York City ein neues Leben auf und lebt zunächst unberührt von den politischen Entwicklungen, die sich schon bald abzeichnen. Während in Deutschland der nationalsozialistische Diktator Adolf Hitler einen Krieg entfesselt, hält sich Joe mit seiner Arbeit als Drucker über Wasser und verbringt seine Freizeit mit seinem großen Hobby, dem Funken.
Sein Leben im multikulturellen Schmelztiegel Harlem gerät völlig aus den Fugen als er mit seiner Fähigkeit als Amateurfunker die Aufmerksamkeit einflussreicher Männer erweckt und diese ihn für ihre Sache einspannen. Erst viel zu spät bemerkt Josef, dass er sich mitten im Spionagegetriebe der Deutschen befindet...
In ihrem neuen Roman "Der Empfänger" verarbeitet die Schriftstellerin Ulla Lenze die Geschichte ihres Großonkels. Dabei herausgekommen ist ein fiktionales, fesselndes Zeitzeugnis über eine Zeit im Umbruch und das Schicksal eines Auswanderers in Amerika.
Alles dreht sich um die Lebensgeschichte von Josef, Joe, José, die im Wechsel der verschiedenen Zeit- und Standort-Ebenen erzählt wird. Beginnend in Costa Rica, und dann tänzelnden zwischen Auszügen aus den 40ern aus dem rheinländischen Neuss und den 30ern aus New York City. Die Puzzlestückchen, die zu Josefs Leben zählen, setzten sich zu einem Ganzen zusammen, wobei ich leider das Gefühl hatte, der Person nicht näherzukommen.
Irgendwann kam die Einsicht, dass einfach Sein das Schwierigste war.
Seite 81
Vielmehr brilliert Ulla Lenzes Roman durch die Abbildung der Gesellschaft zu dieser turbulenten und angespannten Zeit und wie verloren man sich selbst fühlen kann. Denn genau so ergeht es Josef Klein, der durch sein vermeintlich harmloses Hobby in das Spionagenetzwerk der Deutschen in Amerika hineinrutscht.
Er sendete sein Rufzeichen, dann ein CQ, come quick. Er wiederholte das ein paar Mal und genoss das Weltraumrauschen und Knistern, das Gefühl, die ganze Welt zu sich strömen zu lassen.
Der Empfänger, Seite 65
Eigentlich hatte ich mir von dem Roman einen größeren Einblick in das Gebilde des Spionage-Netzwerks zur Zeit des Zweiten Weltkrieg erhofft, jedoch ist dieser Aspekt nur ein kleiner Teil von Joes Leben in Amerika. Eigentlich möchte der deutsche Auswanderer nichts mit Politik zu tun haben und muss seine moralischen Bedenken zur Seite schieben, um sich das nötige Geld zum Überleben zu sichern.
Besonders beeindruckt hat mich die bildliche Wiedergabe des Settings, denn Ulla Lenze hat es geschafft, mich direkt in die Straßen der Weltmetropole New York zu beamen. Egal ob der kulturelle Schmelztiegel Harlem oder das Treiben in Manhattan, ich habe mich wieder in den Urlaub in dieser atemberaubenden Stadt zurückversetzt gefühlt und nicht nur das, denn auch zeitlich gesehen trifft die Schriftstellerin den richtigen Ton.
Außerdem habe ich etwas über den nationalsozialistischen Amerikadeutschen Bund dazulernen können, der seinen Höhepunkt am 20. Februar 1939 mit einem Aufmarsch im Madison Square Garden von über 22.000 Menschen feierte.
Ein feinfühliger Roman, der die Gesellschaft in Zeiten des Umbruchs anhand des Schicksals eines deutschen Auswanderers in Amerika porträtiert.
Ulla Lenze, 1973 in Mönchengladbach geboren, studierte Musik und Philosophie in Köln und veröffentlichte insgesamt vier Romane, zuletzt "Der kleine Rest des Todes" (2012) und "Die endlose Stadt" (2015). Für ihre Arbeiten wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Jürgen-Ponto-Preis für das beste Debüt 2003, dem Rolf-Dieter-Brinkmann-Förderpreis und dem Ernst-Willner-Preis beim Bachmann-Wettbewerb. 2016 erhielt Ulla Lenze für ihr Gesamtwerk den "Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft".
Für ihren neuen Roman "Der Empfänger" hat sie die Lebensgeschichte ihres Großonkels fiktional verarbeitet. Ulla Lenze lebt in Berlin.
Quelle: Klett-Cotta Verlag
[...] eine leise Geschichte über das Schicksal eines Menschens, der unbewusst in Dinge gerät, mit denen er eigentlich nichts zu tun haben möchte, dann aber mit den Konsequenzen leben muss.
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