|Rezension| "Days of Blood and Starlight - Zwischen den Welten 02" von Laini Taylor

Von Paperdreams @xGoldmarie

Prag, Anfang Mai.
Karous Leben und das Land Eretz, ihre Welt, sind ein einziger Trümmerhaufen, versetzt mit der Asche ihrer Familie - ihre große Liebe, der Seraph Akiva, ist schuld daran. Er hat ihre Familie und die Vernichtung der Chimäre auf dem Gewissen und jetzt hat Karou nur noch ein Ziel: Brimstones Vermächtnis weiterzuführen, um dem jahrtausende alten Krieg zwischen den Seraphim und den Chimären endlich ein Ende zu bereiten. Gemeinsam mit ihrem einstigen Feind Thiago und einer Gruppe von Rebellen zieht sie sich in die Wüste Marokkos zurück, um dort eine Armee aufzustellen und das Fortbestehen der Chimären zu gewährleisten - doch Thiago hat andere Pläne und schon bald muss Karou feststellen, dass nicht einmal ihre besten Freunde vor ihm sicher sind. Währenddessen kämpft Akiva dafür, seine Fehler wiedergutzumachen und hilft auf Seiten der Chimäre, wo er kann, doch was kann ein einzelner Soldat schon ausrichten? Gemeinsam mit seinen Geschwistern, Liraz und Hazael, plant er einen Verrat an seinen eigenen Leuten, der alles verändern wird...
Laini Taylor ist eine Wortkünstlerin - anders kann man es einfach nicht sagen. Nicht genug, dass sie Geschichten mit ihren Worten lebendig machen kann, sie hat auch diese einzigartige Gabe eine Geschichte wie eine Leinwand aus Farben und Komplexität darzustellen. Ihre Art zu Schreiben und der ganze Aufbau der Geschichte haben etwas magisches, ja, etwas künstlerisches an sich und verwandelt den Leseort permanent in unterschiedliche Schauplätze der Geschichte, denn wenn ich nur einen Vorzug des Stils nennen dürfte, wäre das wohl die dichte Atmosphäre. Taylor zaubert den Sand der marokkanischen Wüste ins Zimmer, den verkohlten Geruch der Trümmer von Loramendi und sie verwandelt Schränke und Regale in die ewigen Weiten von Eretz. Ihr magischer, wie poetischer Schreibstil bewegt sich auf einem hohen Niveau und ist gleichzeitig so leicht zugänglich, dass die Seiten nur so dahin fliegen. Eine unglaubliche Mischung, die absoluten Lesegenuss garantiert!

Bücher sind genau dann kleine Schätze, wenn man beim Lesen weder auf die Seitenzahl, noch auf seine Umgebung achtet, um zwischendrin aufzuschauen und sich zu wundern, warum man nicht mehr dort ist, wo man gerade gelesen hat. "Days of Blood and Starlight" ist eines dieser Exemplare und das obwohl man sich manchmal ganz von selbst aus der phantastischen Welt katapultieren muss, um tief Luft zu holen und das Grauen abzuschütteln, das man in der Fortsetzung von "Daughter of Smoke and Bone" serviert bekommt. War der erste Band noch eine faszinierende Ansammlung origineller Ideen und farbenfroher Hoffnung, so ist sein Nachfolger ein düsterer Fleck, der sich immer weiter ausbreitet, gerade so wie ein Tintenfleck auf einer Servierte. Melancholie, Krieg, Schrecken, Gewalt und Trauer schleudert dem Leser entgegen und das in einer atmosphärisch dichten Geschichte, die düsterer nicht sein könnte - und doch: dieses Sammelsurium aus unterschiedlichen Schicksalen und der Geschichte von Karou und Akiva hat mich einmal mehr verzaubert und in seinen Bann gezogen.
Denn "Days of Blood and Starlight" ist das, was so vielen aktuellen Werken fehlt: Eindringlich, authentisch und einzigartig. Die Geschichte ist ein außergewöhnlicher Karneval aus Komplexität, Hoffnung und Zusammenhalt, immer wieder durchzogen von den Grausamkeiten des Krieges. Mehr noch als im ersten Teil zeigt sich die Verwischung der Grenzen zwischen Schwarz und Weiß - nicht nur bei den unzähligen Figuren, sondern auch in Punkto Krieg und Gewalt. Die Themen mit denen sich das Buch auseinandersetzt sind auf so magische Weise aktuell, dass man kaum aufhören kann zu lesen und dabei derart realistisch aufgezogen, wie es ein Krieg zwischen Chimären und Engeln nur sein kann. Die Geschichte macht außerdem eine Drehung um hundertachtzig Grad und die einst ruhige Urban Fantasy Geschichte wird zur aufregenden High Fantasy, in der die reale Welt keine große Rolle mehr spielt. Laini Taylors Weltentwurf ist dabei, wie nicht anders erwartet, unglaublich phantastisch und so komplex und faszinierend, dass man immer wieder neues entdecken kann. Ausgereift und gut durchdacht lernt man Eretz nun noch besser kennen und wird immer wieder geschickt an Begebenheiten aus dem ersten Teil erinnert.
Die Vielfalt, mit der die Geschichte glänzt, fehlt auch bei den Figuren nicht, auch wenn das Buch aus vielen unterschiedlichen Perspektiven erzählt ist, an was man sich erst einmal gewöhnen muss. Haupthandlungsstrang gehört noch immer Karou und Akiva, doch da der Plot inzwischen derart verstrickt und komplex ist, erzählt die Geschichte mit ihnen im Grunde nur das Schicksal der Welt. Karou (=Hoffnung) ist im ersten Drittel des Buches ungewohnt (und entgegen ihres Namens) hoffnungslos und träge, was aber durchaus realistisch und verständlich ist. Sie und Akiva sind von derart vielen Schicksalsschlägen gezeichnet, dass beide sehr melancholisch und düster dargestellt werden, was ich als sehr passend empfand, da sie dennoch weiterhin an ihre Ideale glauben - auch wenn das manchmal nicht so wirken mag und sie manchmal daran erinnert werden müssen. Doch auch die anderen Figuren haben mir gut gefallen, allen voran Ziri und Zuzanna, wobei letztere das Geschehen mit ihrer sarkastischen und flippigen Art öfter mal auflocktert. Derart viele Grauschattierungen habe ich in einer Geschichte lange nicht mehr erlebt und so glänzen alle Figuren durch Plastizität und Dreidimensionalität, was es sehr viel leichter macht, Angst um (beinahe) jede einzelne zu haben.
Die Liebesgeschichte, die noch im ersten Teil eine relativ tragende Rolle spielte, ist im zweiten Band aus dem Fokus gerückt. Als romantische Fantasy kann man dieses Buch nun wirklich nicht bezeichnen, denn Karou hasst Akiva. Man merkt zwar die leichte Annäherung und das die Gefühle längst nicht aus der Welt sind, aber diese extrem leichte Romantik, die das Buch durchzieht, hat völlig ausgereicht. Mehr wäre hier unrealistisch gewesen und so meistert Taylor den kniffligen Spagat zwischen Debüt und Showdown und erschafft einen Mittelband, der in seinem Genre unvergleichlich und einzigartig ist. Außer dem etwas schwierigeren Einstieg gibt es nichts, was ich bemängeln könnte, weil einfach alles passt und authentisch wirkt. Ein Buch, in dem man verschwinden kann, welches einen in sich aufsaugt und eindringlich vom Leben, der Hoffnung, dem Krieg und vielen moralischen Fragen erzählt - ein Sammelsurium an Geschichten und Schicksalen, welches jedoch niemals an Spannung oder Wichtigkeit verliert und der Haupthandlung treu bleibt. Besser kann man es nicht machen!
Nicht nur Karou steckt zwischen den Welten fest, auch ich bin irgendwo zwischen Eretz und der realen Welt verloren gegangen und habe mich inmitten dieser faszinierenden Geschichte verlaufen. Sollte euch das ebenfalls passieren, werdet ihr wohl ständig über Melancholie und Gewalt stolpern und in eine Geschichte gezerrt werden, in der ihr manchmal Luft holen müsst, um weiterlesen zu können, denn hier passt der Titel tatsächlich. Karou und Akiva erleben Tage aus Blut und Sternenlicht und erzählen die Geschichte von dem Krieg zwischen Engeln und Chimären, als könnte sie wirklich so geschehen. Ein faszinierender und geschickt ausgearbeiteter Weltentwurf, eine komplexe wie atemraubende Geschichte und ein großer Klecks Düsternis und Melancholie. Wer den ersten Teil ebenso geliebt hat wie ich, wird auch am Nachfolger nicht vorbei kommen und sollte sich auf eine schwermütige Geschichte einstellen, die schwer im Magen liegt, aber doch so unglaublich schön und eindringlich ist, wie man es aus dem ersten Band kennt.

Laini Taylor hat bereits mehrere Romane veröffentlicht. Sie hat Literatur und Kunst studiert und lebt in Portland, Oregon mit Ehemann und Tochter Clementine, wo die Familie in einem Haus voller Bücher, Marionetten und Roboter wohnt. Die Autorin arbeitet zudem auch als Illustratorin und gestaltet neben dem Schreiben ihre eigene erfolgreiche Papeterie-Produktlinie 'Laini’s Ladies'. Bei Fischer FJB hat sie bereits »Daughter of Smoke and Bone – Zwischen den Welten« veröffentlicht. [via FJB]
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Für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars bedanke ich mich sehr herzlich bei