Aktuell wird der US-amerikanische Jugendbuchautor John Green international gefeiert. In Das Schicksal ist ein mieser Verräter
Inhalt
Die 16-jährige Hazel Grace hat Krebs. Sie wird daran sterben, doch dank eines in der Testphase befindlichen (fiktiven) Medikaments lebt sie länger als erwartet. Trotzdem ist klar: Hazel wird nie ein gesundes und sehr wahrscheinlich auch kein langes Leben führen.
In einer Selbsthilfegruppe, zu der sie nur widerwillig geht, lernt sie den charismatischen Augustus Waters kennen. Fortan gehen die beiden Außenseiter den wichtigsten Abschnitt ihres jungen Lebens gemeinsam und verlieben sich ineinander.
Wenig Kitsch, aber…
Mit Liebesromanen begeben Autoren sich auf dünnes Eis: Zwar muss dabei nicht zwangsläufig ein Groschenroman herauskommen, das beweist Green ganz eindeutig. Allerdings
Der Autor lässt diese Geschichte unter dem Diktat einer der schrecklichsten Krankheiten unserer Zeit spielen. Was bei so manchem Tastenprügler zu geschmacklosem Schund geworden wäre, bleibt hier bis zur letzten Seite eine Geschichte mit Tiefgang.
Kalkül
Nicht vergessen werden sollte allerdings, dass Green ein professioneller Autor ist. Für erfahrene Schriftsteller ist es klar, welche Themen beim Leser ziehen und welche emotionalen Knöpfe zu drücken sind.
Autoren und Verlage denken nun einmal wirtschaftlich. Ich glaube zwar nicht, dass John Green das Thema aus reinem Marketingkalkül gewählt hat, allerdings sollte der Faktor Berechnung nicht unter den Tisch fallen. Mit bestimmten Themen ist es eben wie mit Babyfotos oder Katzenvideos: Sie wirken immer.
Wie gut Green diese Klaviatur der Gefühle beherrscht, zeigen die Reaktionen seitens der Medien. Die Kritiken waren unreflektiert hymnisch, und manche sprachen dem Leser sogar sein Urteilsvermögen ab. So schrieb die Süddeutsche Zeitung:
“Wer hier nicht weint und nicht lacht, fühlt wohl schon lange nichts mehr.”
Mit anderen Worten, wer nicht haargenau dieselben Regungen zeigt, ist nicht ganz dicht. Individuelles emotionales Empfinden gibt es nach dieser Definition nicht mehr.
Hazels Welt
Ein wenig erinnert Das Schicksal ist ein mieser Verräter an Sofies Welt
Greens Buch ist trotzdem klug geschrieben, weil es sich auf die Persönlichkeiten von Hazel und Augustus konzentriert. Zugleich bagatellisiert der Autor das Leiden nicht — ein schwieriger Spagat, der nur mit hoher Sensibilität glücken kann. Ein großer Kritikpunkt aber ist die Verzerrung der Fakten. In seiner Danksagung schreibt Green dazu:
“Die Krankheit und ihre Behandlung wurden in diesem Roman fiktiv behandelt. Es gibt zum Beispiel kein Medikament wie Phalanxifor. Ich habe es erfunden, weil ich wünschte, es würde existieren.”
Kurz darauf wird der Autor noch deutlicher:
“John Sundquist, Marshall Urist, Jonnecke Hollanders haben mir in medizinischen Belangen ihre Zeit und ihre Fachkenntnis gewidmet, die ich allerdings leichtfertig ignorierte, wenn es mir in den Kram passte.”
Darf ein Schriftsteller auf diese Weise mit der Krankheit Krebs umgehen? Rechtfertigt eine fiktive Geschichte auch einen fiktiven Krebs? Meiner Ansicht nach hätte Greene durchaus realistisch bleiben können und sogar müssen, ohne dass der Roman an Qualität eingebüßt hätte. Auch ist die Wortwahl in der Stellungnahme höchst unglücklich. Ob es an der Übersetzung liegt, kann ich leider nicht sagen, weil ich das Original nicht zur Hand habe.
Fazit
John Greens Roman ist ein Bestseller in der Jugend– und Erwachsenenliteratur, angefüllt mit Poesie, Philosophie und (Welt-) Schmerz. Eine clevere Mischung, die auf den Mainstream–Geschmack des Lesers verdächtig perfekt passt. Kritisch zu sehen ist außerdem, dass der Autor die Krankheit und ihre Auswirkungen an seine Geschichte anpasst. Nichtsdestotrotz überzeugen die Figuren und hinterlassen prägende Eindrücke beim Leser.
GREEN, JOHN: Das Schicksal ist ein mieser Verräter. Roman, Carl Hanser Verlag, München 2012. 288 S.,16,90 €