[Rezension] Das Phantom des Alexander Wolf v. Gaito Gasdanow

Von Buecherdiebin

Eckdaten

Das Phantom des Alexander Wolfvon Gaito Gasdanow
Deutscher Taschenbuch VerlagISBN: 3423143355192 Seiten9,90 €

Inhalt

Ein heißer Tag in der Steppe Russlands während des Bürgerkriegs. Der völlig ausgebrannte junge Protagonist, von seiner Einheit vergessen, reitet durch die öde Landschaft, als ein Fremder ihm das Pferd unterm Sattel totschießt. Der Fremde auf seinem majestätisch weißen Pferd will nun auch dem Jungen den Garaus machen, doch dieser schießt zuerst, nimmt sich das Pferd des andren und galoppiert mit diesem davon. Doch diese Erinnerung lässt ihn nicht mehr los. "Von all meinen Erinnerungen, von all den unzähligen Empfindungen meines Lebens war die bedrückendste die Erinnerung an den einzigen Mord, den ich begangen habe."  
Jahre später, er lebt längst im Exil in Paris, stolpert der Protagonist (sein Name bleibt während des gesamten Romans unerwähnt) über einen Erzählband, verfasst von Alexander Wolf. Die anderen beiden Kurzgeschichten darin sind kaum erwähnenswert, doch die letzte Geschichte "The adventure in the steppe" jagt dem nunmehr jungen Journalisten Schauder über den Rücken. Erzählt wird seine Geschichte der Perspektive des von ihm erschossenen, mit dem ergänzenden Schluss, dass der Gegner im letzten Augenblick gefunden, behandelt und somit gerettet werden konnte. Das Wissen, dass der andere noch lebt, lässt ihn nicht los. Auf der Suche nach dem ominösen Alexander Wolf begibt er sich nach London und in die muffigsten Spelunken in Paris. Das Phantom lässt ihn nun noch weniger los, als zuvor.
Erst als er Jelena, der ebenso ein Phantom nachjagt, kennen und lieben lernt, verdrängt der Protagonist die Gedanken an Wolf. Doch diese werden einige Zeit später erneut durch ganz außerordentliche Umstände angerührt. Das Muster von Tod, Schicksal und Unabänderbarkeit verdichtet sich bis zum fulminanten Schluss. 

Meinung

Dem fiktiven Phantom Wolf steht dem Leser das reale Phantom Gasdanow gegenüber. Tatsächlich handelt es sich bei dem Schriftsteller, der selbst im Bürgerkrieg Russlands kämpfte, um einen beinahe vergessenen Literaten.  Das ist sehr schade, denn "Das Phantom des Alexander Wolf" hat so wenig Beachtung kaum verdient. Auf 192 Seiten beschreibt Gasdanow  in angebracht nüchterner, sogartiger Sprache das Schicksal seines Protagonisten. Der Tod ist zentrales Thema des Romans, ohne jedoch die damit verbundenen düsteren Gedanken im Leser auszulösen. Es erinnert eher an eine ganz objektive Betrachtung des Unausweichlichen. Das Leben wird mit Gleisen verglichen, die im Nichts enden. Das Töten gehört zum Charakter des Menschen. "[Die] Rückkehr zu einem uralten Instinkt; es war - auch das nur vielleicht - ein eigentümliches Aufblitzen des Vererbungsgesetzes, wusste ich doch, dass ich viele Generationen von Vorfahren hatte, für die Töten und Rache eine unumstößliche und verpflichtende Tradition gewesen waren." 
Der Roman hat mir sehr gut gefallen. Er ließ sich sehr rasch und flüssig lesen. Trotz der Handlungsarmut kam keine Langeweile auf, man wurde regelrecht in den Bann der Geschichte gezogen. Das Ende, soviel möchte ich anmerken, setzt dem ganzen die Krone auf und macht den Kreis dann auch rund. Ein herrliches, in sich geschlossenes, kluges Buch!