Das Kunstseidene MädchenIrmgard Keun242 Seiten
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Schon zu Beginn erkennt man recht schnell, dass man es nicht mit einer zeitgenössischen Autorin zu tun hat. Die Sprache unterscheidet sich deutlich von der uns heute geläufigen und am Anfang wirkt daher alles etwas gestellt, fern, unnahbar. Sätze wie „Ich will ein Glanz werden!“ wirken fremd auf den Leser, doch das Gefühl legt sich rasch ab. Es handelt sich bei „Das kunstseidene Mädchen“ um eine sehr authentische Geschichte eines jungen Mädchens, das mehr als genug Fehler begeht und doch nur hofft, eines Tages wirklich glücklich zu sein, Beachtung zu finden. Doch es gelingt der eher „niederen“ Doris nicht, den gewünschten Sprung in die gehobene Gesellschaft zu vollziehen. Die reichen Herren haben zwar Affären mit ihr, doch letztlich wird sie stets fallen gelassen. Denn Doris und die „Besseren“ verbindet nichts. Besonders deutlich wird das in der Beziehung zu Ernst. Dieser schwärmt von Schubert und Tschaikowsky, Musik die seine davongelaufene Frau liebte. Doris kann damit nichts anfangen, liebt hingegen Schlager. Die junge Frau muss einmal mehr spüren, dass sie in dieser Welt falsch am Platz ist. Das Buch ist definitiv sehr empfehlenswert. Die "Roaring Twenties" werden von einer Schriftstellerin so greifbar dargestellt, das man selbst in das Geschehen Berlins in den 1920ern eintaucht. Mir persönlich war gar nicht so recht klar, wie ein junges Mädchen da lebte oder leben konnte. Vieles hat mich sehr überrascht, manches mich bestätigt. "Das kunstseidene Mädchen" zieht einen in seinen Bann. Mit der leichten Art, mit der die Schriftstellerin erzählt, wird es auch nie langweilig oder zäh. Es kommt einem eher so vor, als stünde Doris vor einem und plaudere über ihr Leben. Ein wirklich wunderschönes Portrait.Im Anhang befinden sich zwei kurze Anmerkungen zum Text und zu Keun selbst. Die beiden Texte von Anette Keck und Anna Barbara Hagin tragen zum besseren Verständnis bei und liefern zugleich eine kurze Biografie einer zu Unrecht vergessenen deutschen Schriftstellerin. Ich muss zugeben, ich kannte Irmgard Keun zuvor nicht. Nun bereue ich es und werde mir bald ein weiteres Buch dieser interessanten Frau zulegen.