|Rezension| "Dark Village 01: Das Böse vergisst nie" von Kjetil Johnsen



http://www.coppenrath.de/ http://www.amazon.de/Dark-Village-01-B%C3%B6se-vergisst/dp/3649613018/ref=sr_1_3?ie=UTF8&qid=1389200273&sr=8-3&keywords=dark+village
 Plötzlich, mitten im September: ein heißer Tag.
In dem kleinen Örtchen Dypdal in Norwegen leben die vier Freundinnen Nora, Vilde, Trine und Benedicte. Die Mädchen kennen sich bereits seit Kindheitstagen und gehen zusammen zur Schule. Alle vier sind fünfzehn Jahre alt und beschäftigen sich in ihrer Freizeit mit alterstypischen Sachen: das andere Geschlecht, Sex und sexuelle Neigungen, Parties. Jede von ihnen birgt ein Geheimnis, jede von ihnen hat ein Schicksal, von dem die anderen nichts wissen. Was sie jedoch alle nicht wissen: Eine von ihnen wird sterben.
Wenn man mit dem Lesen beginnt, wirkt der Schreibstil in Dark Village wie das reinste unkontrollierte Chaos. Kurze, prägnante, aber auch abgehackte Sätze in unmittelbarer Reihenfolge, beinahe, wie aus der Pistole geschossen und Dialoge, die zusammengewürfelt wirken, aber dadurch auch irgendwie sehr realistisch wirken. Mit der Zeit gewöhnt man sich an die Ansammlung aus Sätzen, die erst gar nicht so richtig zusammenpassen wollen, ja, man kann sogar eine merkwürdig raue Poesie in ihnen finden, die sich wie ein Lied einprägt. Für mich war der Schreibstil wie ein Film, der lediglich aus kurzen Szenen besteht, die immer wieder aufblitzen und einzelne Situationen zeigen - markant und blitzschnell. Manchmal stolpert man zwar über einige Satzzusammenhänge, insgesamt finde ich aber doch, dass "Dark Village" sehr interessant geschrieben ist - wenn auch immer noch jugendlich und simpel. Die Geschichte ist von einem allwissenden Erzähler geschrieben, der ständig die Perspektiven und Köpfe wechselt, sodass sich der Kurzszenenfilmeindruck noch verstärkt.
Der Blick durch das Schlüsselloch ist eine zwiespältige Angelegenheit: Es ist gleichermaßen aufregend und gefährlich. Man tut etwas Verbotenes, beobachtet etwas, das man vielleicht nicht sehen sollte, nicht sehen dürfte. Und es kann erregend sein. Der Blick in diese düstere Welt hat aber auch seine Konsequenzen - man könnte erwischt werden, man könnte bestraft werden, man könnte verfolgt werden. Jedenfalls ist es nichts Ungefährliches, einen heimlichen Blick zu riskieren. Was das mit dem ersten Band der Dark Village Reihe aus Skandinavien zu tun hat? So einiges, fühlt sich das Lesen dieses Buches doch genauso an, wie der Blick durch das Schlüsselloch: aufregend, aber irgendwie auch verboten. Man sieht bzw. liest ständig Dinge, die erschüttern, erschrecken, neugierig machen, faszinierend, aber auch anzüglich sind, Dinge, die man nicht sehen dürfte, wenn man nicht der Leser wäre, der heimlich die Seiten durchblättert und immer tiefer in eine düstere, aber auch sehr menschliche Welt gezogen wird - eine Welt, die voller Geheimnisse und Tiefe steckt, die ich diesem kleinen Buch gar nicht zugetraut hätte.
Vielleicht liegt es daran, dass solche mehrteiligen Serien für mich immer ein schneller Lesequickie sind, die meistens nur Effekthascherei und Cliffhanger bieten - was im Übrigen auch bei Dark Village der Fall ist, aber auf einer ungewöhnlichen Ebene. Ich war noch nie in Skandinavien und weiß auch nicht, wie die Menschen und die Kultur dort sind (außer die Vorurteile, die man eben so hört natürlich), aber eins kann ich über skandinavische Bücher dennoch sagen: Sie haben einen sehr ähnlichen, eigenwilligen Stil. Nicht nur, was den Schreibstil betrifft, auch was die Figuren und die Handlung angeht und so ist auch Dark Village ein eher ungewöhnliches Buch, das sich viel mit Sex und Körperlichkeiten beschäftigt und dadurch diesen anzüglichen und derben Ton an den Tag legt - was ich um Übrigen sehr erfrischend und glaubwürdig fand. Das Buch ist außerdem sehr unbeschönigt geschrieben; also ziemlich offen und ehrlich und vor allen Dingen sehr realistisch, mit düsteren Themen, was dem Buch nur noch mehr Glaubwürdigkeit und auch Ernsthaftigkeit verleiht.

Aber auch genretechnisch ist "Dark Village" eigenwillig - ein Krimi ist es nicht, ein Thriller irgendwie auch nicht, aber es ist auch keine Liebesgeschichte. Es ist eine ganz außergewöhnliche und besondere Mischung aus allen drei Attributen und hat mir gerade durch diese Vielschichtigkeit gut gefallen. Gerade weil es hauptsächlich um (düstere) Probleme geht, die für mich immer im Vordergrund standen: ein Mädchen, das mit jedem Jungen ins Bett geht und dessen Mutter Drogen nimmt; zwei Mädchen, die etwas füreinander empfinden, aber nicht damit klarkommen; ein Mädchen, dass sich unwohl in ihrer Haut fühlt. Es ist einfach nichts, wie es auf den ersten Blick scheint - jede der Freundinnen hat ihre eigenen Probleme und Ängste und irgendwie scheinen sie doch alle zusammenzuführen. Was den Mord angeht, ist das im ersten Band eher nebensächlich - man weiß eben, dass eines der Mädchen sterben muss und rätselt die ganze Zeit, wer von ihnen es sein könnte, denn einen Grund hätte irgendwie jede von ihnen. Zwischenzeitlich werden immer wieder kleine Hinweise und Brotkrummen verteilt, die sich aber schließlich im Nichts verlaufen.
Schade ist es dennoch, dass es wieder eine ewiglange Reihe sein musste, aber man kann auch einfach nicht zu lesen aufhören. Jedes Kapitel endet spannend und mit neuen Fragen und Geheimnissen und in jeder Ecke gibt, es irgendetwas zu erkunden oder zu sehen. Trotzdem hätte man auch einen dicken Roman daraus machen können - ich hätte ihn vermutlich in einer Nacht gelesen. Ansonsten bekommt man mit dem ersten Teil dieser Reihe aber richtig gute Unterhaltung, die sicherlich nicht das tiefgründigste ist, was man jemals gelesen hat, aber dennoch auf seine Weise sehr komplex zu sein scheint - außerdem kommt da ja noch so einiges, was es zu erkunden gilt. Ich jedenfalls bin positiv überrascht von dieser ungewöhnlichen Geschichte, die man nur verschlingen kann und die einfach Spaß macht, gleichzeitig aber auch schockiert und immer wieder zum Weiterlesen anregt.
Eine Geschichte, wie ein Blick durch das Schlüsselloch - aufregend, faszinierend, spannend. Mit einem Schreibstil, der blitzschnell und ausschnitthaft wie ein Film ist, wirft man immer wieder Blicke auf erschreckende, tiefgehende und menschliche Dinge, die die Geschichte zu einem Pageturner der besonderen Art machen. Man kann das Buch selten aus der Hand legen, muss sich aber erst einmal an den andersartigen Schreibstil und die Dialoge gewöhnen. "Dark Village: Das Böse vergisst nie" ist zwar kein literarisches Meisterwerk, aber es ist prägnant und komplex und erzählt von dem Leben vieler Figuren, sodass die Geschichte sprunghaft, aber auch vielschichtig wirkt. Wer etwas Leichtes und gleichzeitig erdrückend düsteres lesen und dabei dennoch nicht auf ein Jugendbuch verzichten möchte, das sich ein wenig abhebt, sollte es mit "Dark Village" versuchen!

Kjetil Johnsen, geboren 1966, lebt mit seiner Familie in der Nähe von Oslo. Er arbeitet schon viele Jahre als Journalist und Verlagslektor und schreibt Romane für Jugendliche, die auch erfolgreich in Deutschland veröffentlicht wurden. Seine Reihe um die vier Freundinnen beinhaltet im norwegischen Original zehn Bände umfasst, die in Deutschland in fünf Bänden veröffentlicht werden. [via Coppenrath]

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