Rezension: Daniela Krien – Muldental (Graf 2014)

Die in Leipzig lebende deutsche Autorin Daniela Krien (*1975) widmet sich in ihrem zweiten Buch “Muldental” in zehn kurzen Geschichten den Schattenseiten und menschlichen Abgründen von Wende, Friedlicher Revolution und Wiedervereinigung. In bitteren kleinen Alltagsdramen werden dabei grosse Themen wie Schuld, Scham und Verzweiflung thematisiert.

krien

Titel: Muldental
Autorin: Daniela Krien
Verlag: Graf
ISBN: 978-3-86220-022-1
Umfang: 224 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag

Als 2011 das Daniela Kriens Debüt “Irgendwann werden wir uns alles erzählen”, bescheinigte die Rezensentin in Der Zeit diesem eine Abhandlung des Stoffes in “wundersam altmodischer Ernsthaftigkeit”. Auch das neue Buch “Muldental” ist von diesem markanten, ironiefreien Ton geprägt, der das über allem Leben dräuende Unheil betont und der Hoffnung oftmals nur wenig Spielraum lässt. Schmerz, Scham, Schuld, Verzweiflung: das sind die Themen, die die zehn Lebensgeschichten in “Muldental” bestimmen.

Beziehungen bestehen nicht – zumindest nicht in einem für den Leser ersichtlichen oder relevanten Sinne – zwischen den Protagonisten der einzelnen Geschichten, wohl aber Zusammenhänge: sie alle sind “Wendeverlierer” im wiedervereinigten Deutschland der Neunzigerjahre, Menschen aus der ehemaligen DDR, die auf der Suche nach Glück nur Enttäuschung und Leid erfahren haben.

Da trifft man etwa auf Betti und Maren, zwei alleinerziehende Mütter, die dringend einen Zusatzverdienst brauchen. Sie mieten sich eine Wohnung und lassen sich von ihrem Jugendfreund Günthi Freier besorgen. Man trifft auf Otto, der arbeits- und zahlungsunfähig ist und seine grenzenlose Scham in immer mehr Alkohol ertränkt. Man trifft auf Ludwig, dem die Öffnung gegen Westen erlaubt, seine schizophrene Schwester zum ersten Mal seit Jahrzehnten besuchen zu können – und der sie vollkommen zerstört und vernachlässigt in einem bayrischen Pflegeheim antrifft.

Manch einer der Figuren, die hier unermesslichen Qualen ausgesetzt sind, versucht sich mit Gewalt gegen sich selbst oder gegen andere zu behelfen. Eindrücklich – weil in ihrer Brutalität geradezu skurril – ist die Geschichte von Gunnar, dem Kind, das immer nur der Daumenlutscher genannt wurde. Von den Eltern fühlte er sich nicht geliebt. Erst sein Einsatz bei der Suche nach zwei verschwundenen Mädchen bringt die Eltern dazu, ihn mit Anerkennung und Liebe zu segnen. Doch er ist der Mörder…

Die Welt, die Daniela Krien zeigt, ist eine Welt der negativen Gefühle. Liebe, Optimismus und Freude sind nur in Nebenrollen anzutreffen. In einer markanten Sprache, die vor dem Schmerz nicht zurückweicht, lässt sie sie entstehen. Eine Welt, in der Sätze gesagt werden wie: “Manche Siege sind nur die Vollendung einer Niederlage.” Dieser Satz einer Mutter, die vor Gericht beweisen konnte, ihre Tochter nicht misshandelt zu haben, ist programmatisch. Sie hat die Tochter  trotzdem verloren. Die kleinen Siege, die die Figuren in “Muldental” bisweilen erringen, wirken blass vor dem Hintergrund der menschlichen Abgründe, die sich hier auftun.

Es ist ein niederschmetterndes Buch, das Daniela Krien gelungen ist, ein Buch über nicht eingelöste Hoffnungen und zerstörte Träume, ein Panorama der Lebenskrisen. Leicht zu lesen, aber schwer zu verdauen.


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