[Rezension] Daniel Glattauer, Ewig Dein

[Rezension] Daniel Glattauer, Ewig Dein

(c) Deutike


208 SeitenDeutike VerlagHardcover mit Schutzumschlag
Inhalt (lt. U4-Text):Im Supermarkt lernt Judith, Mitte dreißig und Single, Hannes kennen; Architekt, ledig und in den besten Jahren. Hannes ist nicht nur der Traum aller Schwiegermütter - auch Judiths Freundeskreis ist restlos begeistert. Und anfangs ist sie das ja auch ...
"Wir werden uns bestimmt nicht aus den Augen verlieren", sagt sie. Jetzt lachte er mit seiner gesamten Weißzahnpalette: "Nein, das werden wir bestimmt nicht." Sie stand auf und wandte sich, um einen dramatischen Abschiedskuss zu verhindern, sofort dem Ausgang zu. "Das werden wir bestimmt nicht, Liebling", rief er ihr nach.
Zum Buch:
Judith ist Mitte 30 und braucht keinen Mann. Sie lebt gerne als Single und hat ihr Leben fest in der Hand. Ihr Lebenswunsch und -inhalt ist das Lampengeschäft, das sie mit Hilfe ihres Lehrmädchens Bianca führt. Doch dann tritt Hannes ihr im Supermarkt auf die Ferse und ohne es geplant zu haben, ist er bald Teil ihres Lebens. Ihre Freunde sind begeistert. Ihre Mutter verliebt. Hannes ist für alle da, aber besonders für Judith. Er tut alles, um bei ihr zu sein und will sie glücklich machen. Doch Judith braucht ein wenig Abstand, doch Abstand ist das Einzige, das Hannes ihr nicht geben kann. Für Judith beginnt ein Horrortrip. Sie fühlt sich verfolgt, möchte ihr altes Leben zurück haben. Doch sich von Hannes zu lösen ist gar nicht so einfach. Alle ihre Freunde lieben ihn und verstehen nicht, was Judith gegen so einen tollen und eindeutig schwer in sie verliebten Mann hat. Hannes hat sich unmerklich in ihr Leben geschlichen und ist nun nicht mehr so einfach daraus zu lösen.
Wo in Gut gegen Nordwind die schöne Seite der Liebe das Hauptthema war, so zeigt Glattauer hier nun eine ganz andere. Da ist die Liebe schwer und erdrückend, selbstsüchtig und unschön. Glattauer zeichnet kein verträumtes, kein verzaubertes, kein verklärtes Bild der Liebe. Ewig Dein ist bedrückend und ernst.
Sehr gekonnt setzt Glattauer verschiedeneSchreibstile ein, die durch Wortwahl, Perspektive wie Rhythmus die Gefühlswelt von Judith wiedergeben und je nach Situation ein Gefühl der Freude, der Aufregung, der Verwirrung oder der Beängstigung wiedergeben. Und ist der Roman zu Beginn eine klassische Liebesgeschichte, entwickelt sich bald darauf ein Krimi mit psychologischen Elementen. Es stellen sich bald die Fragen: Was tun, wenn einem keiner glaubt? Was, wenn man nicht weiß, ob man verrückt ist oder nicht?
Judith stellt sich zu Anfang als selbstkontrollierter und starker Charakter dar, wird durch ständigen Druck seitens Hannes und Freunden aber immer schwächer und zweifelt bald an sich selbst. Sie stürzt immer weiter in ein tiefes Loch, hat keine Wahl, als sich immer mehr in sich selbst zu verkriechen, um der Kontrolle von Außen zu entgehen. Nur nach und nach findet sie wieder zu ihrer alten Stärke zurück.
Hannes, der zu Beginn der perfekte Mann zu sein scheint - einer, den man heiraten kann, mit dem eine Familie vorstellbar ist - wird bald schon zu Judiths Antagonist, zu ihrem indirekten Gegenspieler, dessen Einfluss immer spürbar aber nie fassbar ist.
Bianca, das Lehrmädchen, bleibt als Einzige Judiths Vertraute und stellt deren Motive und Ansichten nicht in Frage. Sie wird zur Verbündeten und beweist, dass Hilfe oft an unverhoffter Stelle zu finden ist.
Hauptthemen sind Macht und Kontrolle in verschiedenster Art ihrer Anwendung. Druck wird auf Judith nicht nur vom besitzergreifenden Hannes, sondern vor allem auch von ihrer Mutter und ihrem Bruder ausgeübt, deren Seelenheil von Judiths und Hannes Beziehung abzuhängen scheint. Judith wird systematisch in die Ecke gedrängt und von allen seiten kontrolliert und bevormundet.
Die Darstellung ihres eigenen Seelenheils scheint in den Lichtern ihrer Lampen und deren Klirren zu liegen. Die Lampen strahlen Selbstbestimmung und Geborgenheit aus - bis auch dieses Element schließlich gegen sie verwendet und zum Horror-Element gemacht wird.
Geschrieben ist die Geschichte in der dritten Person und aus Judiths Sicht. Hin und wieder wird der Stil zu einer Art innerer Monolog, Glattauer setzt diese Technik immer dann ein, wenn er Judiths Psyche wiedergeben möchte - und das gelingt ihm auch sehr gut.
Besonders erwähnenswert finde ich den Einsatz von Rhythmus. Der ganze Texte folgt gewissen rhythmischen Mustern, die auf geradezu musikalische Weise die Stimmung des Textes spiegeln und intensivieren. So sind die beänstigenden und von Kontrollverlust durchsetzten Szenen beinahe Stakkato-artig und geben eine gewisse Dringlichkeit wieder.
Glattauer versteht es nicht nur, große Glücksgefühle zu vermitteln, das zeigt er mit Ewig Dein - hier herrscht die dunkle Seite der Liebe vor. Desillusionierend und eindringlich. Grandiose schriftstellerische Technik.
[Rezension] Daniel Glattauer, Ewig Dein

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