Rezension: Bruce Springsteen – High Hopes (2014)

Während andere Männer in seinem Alter vormittags die Todesanzeigen lesen und abends „Wetten, dass…?“ schauen, gibt Boss Bruce nach wie vor dreistündige Konzerte und veröffentlicht sein achtzehntes Studioalbum. Den High Hopes seiner Fans antwortet er mit High Voltage Rock’n’Roll und High Quality Songwriting. Eine Ode.

springsteen

Bei „High Hopes“ handelt es sich um eine Zusammenstellung von bisher unveröffentlichtem Material und etlichen Neubearbeitungen. Den titelgebenden Song nahm Springsteen bereits 1995 ein erstes Mal auf, das Original stammt von Tim Scott McConnells Havalinas (1990) . Mithilfe von unserem liebsten Wutbürger Tom Morello, der acht Tracks auf dem Album mit seinem Gitarrenspiel und einen („The Ghost of Tom Joad“ mit Gesang veredelt, machen Springsteen und seine E-Street Band aus dem Song ein aggressives Meisterwerk.

Neben dem Ohrwurm „Just Like Fire Would“ (Original: The Saints)und dem Closer „Dream Baby Dream“ (Original: Suicide) ist der Titeltrack die einzige Fremdkomposition auf dem Album; die restlichen neun Songs stammen aus der Feder Springsteens. Die Auswahl lässt alle Stärken von Boss und Band in ihrem allerbesten Licht erscheinen.  Es finden sich ereignisinspirierte topical songs, wie das siebeneinhalbminütige „American Skin (41 Shots)“, das sich mit der Erschiessung von Amadou Diallo 1999 in New York auseinandersetzt; genauso finden sich unkonventionelle Lovesongs, wie sie nur Springsteen kann. „Frankie Fell In Love“ etwa wartet mit folgenden Zeilen auf:

“Einstein and Shakespeare sitting having a beer
Einstein trying to figure out the number that adds up to bliss
Shakespeare says, “Man, it all starts with a kiss”

Einstein is scratching numbers on his napkin
Shakespeare says, “Man, it’s just one and one make three
Ah, that’s why it’s poetry”

Das beeindruckende „Down In The Hole“, noch unter Mitwirkung der inzwischen verstorbenen Bandmitglieder Clarence Clemons und Danny Federici entstanden, ist ein deprimierendes Stück Musik, nebelverhangen, düster, Text und Klang als perfekt harmonierendes Stimmungsbild:

“The rain it keeps on falling on twisted bones and dirt
I’m buried to my heart here in this hurt
Fire keeps on burning, you’re waiting in the cold
Down in the hole”

Er setzt die Sprache als Instrument ein, dieser Springsteen, manchmal gar als Waffe. Er ist sich der Macht der Worte bewusst, nutzt sie aus, reflektiert sie. Lyrische Überlegenheit, musikalische Grandezza: das ist das neue Springsteen-Album. Bruce Springsteen, am Geburtsdatum gemessen bald Angehöriger des Rock-Ältestenrats, zeigt jüngeren Generationen einmal mehr, dass Rockmusik keinesfalls tot ist. Mit Neubearbeitungen, ganz in der Arbeitstradition von Folk und Blues, gelingt es den an „High Hopes“ beteiligten Künstlern, eine Rockmusik zu verschaffen, die klassisch, aber keinesfalls angestaubt klingt; eine Rockmusik für’s 21. Jahrhundert.

Bruce Springsteen singt, spielt Gitarre, dazu auf einigen Tracks Perkussionsinstrumente, Orgel, Piano, Synthesizer Banjo, Mandoline, Vibraphon, das Harmonium und Schlagzeug. Das ist bewundernswert und mehr als Grund genug, vom Sofa aufzustehen, den Fernseher abzuschalten und etwas zu tun. Für das steht Bruce Springsteen. Seit einundvierzig Jahren.

Das ganze Album via Spotify hören:


Tagged: Boss, Bruce Springsteen, Clarence Clemons, E-Street Band, Frankie Fell In Love, High Hopes, Just Like Fire Would, Modern Rock, rock, The Saints, Tom Morello

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