So, hergehört Freunde der Klimazonenmusik: Omara Moctar, genannt „Bombino“, weil er angeblich einst der Jüngste in einer des Italienischen nicht ganz kundigen Band war, beehrt uns mit seinem neuen Album „Azel“ (bei Partisan Records). Bühne frei für einen der grossen Gitarrenvirtuosen unserer Zeit.
Der Gitarrist aus dem afrikanischen Niger, dessen bewegte Biografie man sich unbedingt einmal durchlesen sollte, vermengt die traditionelle Musik der Tuareg mit Einflüssen aus anderen afrikanischen Genres, Blues, Soul, klassischem Rock und auf seinem neuen, mittlerweile fünften, Album „Azel“ häufig auch mit Anleihen aus Reggae und artverwandten karibischen Stilen. Bereits 2013 hat der Mann, dessen Spielstil schon mit Jimi Hendrix, Ali Farka Touré oder Mark Knopfler verglichen wurde, die Aufmerksamkeit des us-amerikanischen Bluesbewahrers Dan Auerbach (The Black Keys) auf sich gezogen, der dann auch prompt das Album „Nomad“ (Nonesuch Records, 2013) produzierte. Das neue Set darf sich ebenfalls eines in us-amerikanischen Indiezirkeln hochgeschätzten Musikers und Produzenten rühmen, namentlich Dave Longstreth von den Dirty Projectors.
Während sich europäische und vor allem us-amerikanische Musik, die sich afrikanischer Anleihen bedient, ja spätestens seit Paul Simons „Graceland“ (1986) starker Beliebtheit erfreut, ist afrikanische Musik mit Einflüssen westlicher Stilrichtungen (mindestens hierzulande) weiterhin ein Nischenprodukt. Zwar begannen Tinariwen, die Urväter des „Desert Blues“ (oder, etwas weniger eurozentristisch, des Tishoumaren), ebenfalls bereits in den Achtzigerjahren, jedoch haben erst die letzten Jahre mit neueren Acts wie Terakaft, Tamikrest, die grandiosen Imarhan, deren Debüt bald erscheint, oder eben Bombino stärkere Aufmerksamkeit für die Musik der Tuareg erweckt.
Was also ist das, was Freizeitrassisten „World Music“, Klimafetischisten „Desert Rock“, die Künstler „Tishoumaren“ und Bombino selbst neuerdings auch schonmal „Tuareggae“ nennen? Schon der erste Track auf „Azel“, „Akhar Zaman“, enthält ziemlich alles, was Bombinos Schaffen ausmacht: verschlungene Gesangsmelodien in markanter Raspelstimme, präzise vertrackte Rhythmen und Gitarrenläufe, die den Hörer schwindelig machen.
Im zweiten Song, „Iwarangh“, ist dann erstmals die neugefundene Liebe der Band zum Reggae hörbar. Bombino sucht (und findet) die Balance zwischen dem psychedelischen Hendrix-infizierten Gitarrengegniedel und dem präzisen rhythmischen Gitarrenspiel des Reggae.
Eine dritte Facette der Musik kommt im dritten Song, „Inar“, zum Zuge: E-Gitarre und Drums werden gegen akustische Klampfe und Tablas eingetauscht – ein intimer Song entsteht, der gleichermassen an orientalische Tradition wie an den Folk eines Nick Drake erinnert.
Diesen drei Ausprägungen der Musik bewegt sich auch der Rest des Sets entlang, wobei sich Bombino von Song zu Song wieder überbietet, was die Fantasie und melodische Vielfalt seines Gitarrenspiels betrifft. Sei es im bluesigen Reggae „Timtar“, wo erstmals in Bombinos Schaffen westliche Gesangsharmonien zum Einsatz kommen, im verschwörerisch ruhigen „Ashuhada“ (englischer Name: „Martyrs of the First Rebellion“) oder im schweren „Iyat Ninhay / Jaguar“, das Hardrockriffs mit Reggae mischt und das rasanteste Solo des Albums enthält: Omara Moctar alias „Bombino“ ist ein herausragender Künstler, der seine Instrumente – die Gitarre und die Stimme – mit handwerklicher Perfektion und gleichzeitig mit unendlich viel Gefühl bespielt.
Im Rahmen seiner aktuellen Tour wird die Band am 2. Juni 2016 im Zürcher Club Moods Halt einlegen. Das sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen.
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