|Rezension| Blutiger Winter von Tom Callaghan

Blutiger Winter
Autor: Tom Callaghan
Verlag: Atlantik (Januar 2015)
Genre: Thriller
Seiten: 320
Reihe: Akyl Borubaew #1

blutigerwinter

Darum geht´s:
Im Schnee im kalten Kirgistan liegt eine Frauenleiche. Eine schwangere Frauenleiche, denkt man, doch bei der Obduktion stellt sich heraus, dass der Mörder der jungen Frau einen fremden Fötus in den Unterleib gelegt hat. Inspektor Akyl Borubaew geht zunächst bei der Toten von einer Prostituierten aus. Doch er täuscht sich gewaltig, denn bei der ermordeten Frau handelt es sich um keine geringere als um die Tochter des Ministers für Staatssicherheit. Die Todesfälle häufen sich und Borubajew gerät immer tiefer in einen Sumpf aus Morden, politischen Machtkämpfen, Drogen und Gewalt. Und schnell wird klar, dass viel Mehr und etwas viel Größeres hinter alldem steckt.

Meine Meinung:
Zunächst muss gesagt sein, dass dieses Buch nichts für zarte Gemüter. Tom Callaghan hat einen Faible für sehr detaillierte Beschreibungen, so dass man als Leser bereits auf der ersten Seite starke Nerven bewahren muss um die grausamen Bilder vor seinem inneren Auge zu verarbeiten. Inspektor Borubajew hat schon eine Menge Grausamkeiten gesehen und Callaghan schreckt nicht davor zurück, dem Leser eben diesen haarklein zu schildern.
„Ich habe Süchtige ohne Fleisch an den Armen gesehen, Elle und Speiche entblößt und grauweiß, Frauen mit Löchern in den Beinen, so groß, dass man seine Faust hineinstecken konnte, Männer, deren Wangen aufgeplatzt waren, nachdem ihr Zahnfleisch zu einem blutigen Brei geworden war.“ S. 16
Das Buch wird seinem Titel gerecht, denn es ist kalt und blutig und zudem sehr ekelhalft.
Ein echtes Highlight war für mich aber vor allem das ungewöhnliche Setting. Denn Schauplatz ist Kirgistan. Ein Land, dass im Norden und Nordosten an Kasachstan, im Westen und Nordwesten an Usbekistan, im Süden und Südwesten an Tadschikistan und im Süden und Südosten an China grenzt (siehe auch: >hier<)
Seine Landschaft ist rau und bergig und Landwirtschaft ist nur in einigen wenigen Teilen des Landes möglich. Es herrscht Armut und Gewalt. Die Straßen sind verdreckt und dunkel, so nimmt uns Callaghan mit in ein Land, dass ich bis jetzt noch nicht kannte und dass ich bei näherem Betrachten auch nicht aus nächster Nähe sehen möchte. Wodka, Prostitution und eine Droge Namens „Krokodil“ mit diesen Dingen wird Inspektor Borubajew täglich konfrontiert. Die Bevölkerung ist von Armut geprägt, Alkohol und Drogen „helfen“ die Realität auszublenden. Kriminalität, Bestechung, Korruption auch und vor allem in der Politik sind Normalität.

S.35 „In Spelunken wie der Kulturny-Bar besteht der Haus-„Wodka“ aus einem Teil Benzin, einem Teil Pisse und zwei Teilen Gift: Bei einer ungeöffneten Flasche hatte man immerhin eine kleine Chance, es noch bis nach Hause zu schaffen, ehe Zirrhose und Blindheit einsetzten.“

Für einen Thriller genau der Richtige „Stoff“ um schon von vornherein beim Leser Angst und Schrecken zu verbreiten und ihn in die richtige Stimmung zu versetzen.

Auch die Charaktere sind dem Autor gut gelungen. Inspektor Akyl Borubaew ist zwar, geschuldet durch seine Heimat, ein harter Hund, aber trotzdem ein Protagonist den man als Leser durchaus mögen kann. Allein die Rückblenden, in denen Akyl an seine Frau Tschinara denkt, die an Krebs starb, machen ihn zu einem Mann mit Herz.

S.207 „Mir war scheißegal, wie alt er war, meinetwegen hätte er auch gerade brüllend vor Schmerzen an Krebs verrecken können. Er wusste etwas, und notfalls würde ich es aus ihm herausprügeln, bis er aus allen Löchern blutete.“

S. 96 „ An einem Ort wie diesem liegt Tschinara begraben, am Rand ihres Dorfes, auf einem felsigen Vorsprung mit Blick auf den Fluss und das Tal, das sich bis zu den Hängen des Gebirges erstreckt, das Kirgistan von China trennt. Ein friedlicher Ort, wenn man so will.“

Neben Setting und Figuren ist aber auch die Story sehr gut gelungen. Mitreißend und fesselnd schreibt Callaghan in seinem Debüt über Macht, Geld und Politik. Und man weiß als Leser bis zum Schluss nicht wirklich, wer auf welcher Seite steht.

Fazit:

Ein wirklich außergewöhnlicher Thriller, mit einem sehr ehrlichen Protagonisten, einer extrem offenen und harten Sprache und einem Setting, das man nicht alle Tage auf die Leselotte bekommt. Genau der richtige Lesestoff für klirrend kalte Winterabende.


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