Gastbeitrag: Leandra Sommaruga
Mit ihrem Debütalbum „Schlagenheim“ sorgen Black Midi aus London in der Experimental-Rock-Szene für Furore. Gastautorin Leandra über “the next big thing”.
Eine junge Band aus London sorgt zurzeit für Furore. Die Rede ist von Black Midi und ihrem Debütalbum„Schlagenheim“. Das Quartett bestehend aus Geordie Greep, Matt Kwasniewski-Kelvin, Cameron Picton und Morgan Simpson hat sich bereits an Festivals wie dem „Airwaves“ in Reykjavik oder dem Newcomer Festival „Great Escape“ in Brighton bewiesen und wird unter Liebhabern als „the next big thing“ gehandelt.
Die Geburtsstunde von Black Midi schlug an der Kunstschule BRIT School of Performing Arts and Technology. Eine sehr junge, laute und ungeschliffene Band mit ausgeprägter Gitarrenmusik. Die Beschreibung klingt bekannt.
Erst eineinhalb Jahre ist es her, seit die blutjunge Punk-Gruppe Shame – ebenfalls aus London – mit ihrem Debütalbum durchstartete. Es gibt jedoch eine weitere Band, auf die diese Beschreibung zutrifft und die Black Midi stilistisch deutlich nähersteht als Shame.
Gemeint ist Slint. Obwohl die vier Jungs aus Kentucky nach nur zwei Alben getrennte Wege gingen, hinterliessen sie in der Szene einen bleibenden Eindruck und beeinflussten viele namhafte Post-Rock-Grössen wie Swans, Mogwai oder Pavement. Und nun eben auch Black Midi.
Die musikalische Ähnlichkeit kommt im ausgeprägten Gitarrensound zum Vorschein, welcher von starkem Kontrast zwischen ruhigen und kraftvollen Parts geprägt ist. Kennzeichnend dafür ist etwa der Black-Midi-Song „Ducter“. Ausserdem bestehen die Vocals beider Gruppen aus einer Mischung von Sprechtext und Schreien, wobei sie im Gesamtklang aber eher nebensächlich sind. Vor allem aber haben beide Bands mit ihren Instrumenten experimentiert und Dissonanzen ganz bewusst ausgereizt.
Müsste man „Schlagenheim“ visualisieren, könnte man ein unaufgeräumtes Zimmer zeichnen, ein bewusst und exakt gemaltes Chaos, in welchem dennoch alles seinen genauen Platz findet.
Stücke wie „953“oder „Near DT, MI“ stellen bereits in den ersten Sekunden klar, dass die Scheibe nicht den Anspruch stellt, harmonisch zu klingen – ganz im Gegenteil. Die Stücke sind laut, leise, langsam und schnell, laufen aber dennoch nicht Gefahr, völlig auseinanderzufallen.
Bemerkenswert ist bei diversen Titeln der Einbezug verschiedener Stile wie die Jazz-Rhythmen bei „of Schlagenheim“, ein Anstrich von Funk in „Talking Heads“oder die Country Melodie in „Werstern“. Die Genreausflüge laufen zum Ende hin aber immer im konstant gehaltenen Bassrhythmus zusammen.
Fazit
„Schlagenheim“ ist ein vielseitiges und diffuses Album, wie man es sonst kaum findet. Die Gruppe versteht es, unterschiedlichste Genres zu verknüpfen und ineinander laufen zu lassen. Sie wissen es, Dissonanzen zu kreieren, sie aufzulösen und mit Rhythmus und Tempo zu experimentieren. Das Debütalbum ist ein Chaos mit System, in welchem jedes Instrument eigenen Regeln zu folgen scheint und dennoch im Einklang zusammenkommt. Wer aber gerne an einer gewissen melodiösen Konstanten festhält, wird sich entweder an „Black Midi“ gewöhnen müssen oder sich mit ihrer Musik schwertun.
Ihren ersten Live-Auftritt in Zürich liefern die vier Briten am 30. Sept. im Bogen F.
9/10