|Rezension| "Bis zum letzten Tropfen" von Mindy McGinnis

Von Paperdreams @xGoldmarie

| Heyne fliegt | Hardcover | 316 Seiten | €14,99 | Amazon |


Nach einer Choleraepidemie und dem Zusammenbruch der Zivilisation ist sauberes Wasser das wertvollste Gut. Die sechzehnjährige Lynn hat schon früh gelernt, es um jeden Preis zu verteidigen. Gemeinsam mit ihrer Mutter bewohnt sie ein einsames Farmhaus und verbringt ihre Tage damit, Brennholz und Nahrung zu beschaffen. Und den Teich hinter dem Haus vor durstigen Eindringlingen zu schützen. Als eines Tages ein Fremder auftaucht und Lynn und ihre Mutter Fußspuren um den Teich herum entdecken, wird ihnen sofort klar, dass jemand ihre geheime Quelle entdeckt hat. Der Ernstfall, auf den Lynn seit Jahren vorbereitet ist, scheint einzutreten. Eigentlich hat sie keine Angst. Doch dann wird ihre Mutter von Kojoten schwer verletzt. Und Lynn muss sich in den umliegenden Siedlungen Hilfe suchen, denn allein kann sie die Farm nicht retten.
Die kleinen, selbstverständlichen Dinge sind meistens die, die man erst zu schätzen lernt, wenn sie fort sind. In "Bis zum letzten Tropfen" wird der Leser mit solch einem selbstverständlichen Element und seinem Fehlen konfrontiert: Wasser - sauberes, trinkbares Wasser! Mit einer faszinierenden Kombination aus Endzeit, Dystopie und Survival erzählt "Bis zum letzten Tropfen" die Geschichte einiger sehr individueller Figuren und schafft es dabei authentisch und spannend zu sein, wenn ich auch oft das Gefühl habe, dieses Buch nähert sich dem oft so gleichen Dystopiegenre auf eine etwas unkonventionelleren Art und Weise. Es geht nicht um nervenaufreibende Spannung, bei der man nicht still sitzen bleiben kann, sondern viel mehr um eine sehr subtile Art, den Leser an ein Thema heranzuführen, wie es ohne Wasser wäre. Dabei ist die Geschichte durchweg schonungslos und brutal (manchmal vielleicht etwas zu sehr!), wirkt aber gerade dadurch auch sehr authentisch und echt. Es geht um das nackte Überleben, aber auch um Menschlichkeit.
Von Kälte über Wärme bis hin zu Übertreibungen - in diesem Buch ist tatsächlich alles vertreten und das nicht nur im wahrsten Sinne der Worte. Lesen sich die ersten fünfzig Seiten noch sehr distanziert, so ändert sich das sehr schnell und die Geschichte nimmt an Tempo zu. Wirkt Protagonistin Lynn anfangs noch extrem unnahbar und kaltherzig, entwickelt sie sich im Laufe des Buches zu einer Figur, die man in sein Herz schließen kann. Die Entwicklung macht aber auch das Buch selbst durch, denn obwohl ich anfangs noch skeptisch war, hat mir die Geschichte schnell gut gefallen, gerade auch, weil sie sich schnell und flüssig lesen lässt, dabei aber auch spannend und authentisch wirkt. Einen wirklichen roten Faden gibt es nicht, zumindest hatte ich nicht das Gefühl, aber auch das hat das Buch um einiges realer wirken lassen - schließlich wüsste man auch im wahren Leben nicht, was als nächstes geschehen wird. Diese Unwissenheit zieht sich durch das Buch und wartet immer wieder mit kleineren Wendungen und Überraschungen auf.


Die Figuren sind faszinierend und überraschend unkonventionell, auch wenn die ein oder anderen Klischees sicherlich erfüllt werden. Dennoch war ich überrascht, wie wenig Wert die Autorin anfangs darauf legt, dass man Lynn mag. Nach und nach und vor allen Dingen durch andere Figuren lernt der Leser aber eine andere Seite der kühlen Lynn kennen, was dazu führt, dass man sich besser in sie hineinversetzen kann. Sympathiepunkte gibt es für den erst etwas unnahbaren Stebbs, der zu einer meiner Lieblingsfiguren wurde und natürlich für Lucy, die Leben in die Geschichte gebracht hat. Besonders interessant fand ich allerdings auch die Liebesgeschichte, gerade, weil Lynn, was soziale Interaktion und gesellschaftliche Begebenheiten angeht, einfach absolut unwissend ist (hat sie doch ihr Leben nur mit ihrer Mutter verbracht!). Dadurch kommt es zu der ein oder anderen ziemlich lustigen Situation - ebenso interessant empfinde ich übrigens den Werdegang der Liebesgeschichte und ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich es authentisch oder übertrieben finden soll, wie sie letztendlich 'endet'.
"Bis zum letzten Tropfen" kann man als Einzelband wirklich gut lesen und das trotz der wenigen Seiten. Ich bin mir nicht sicher, ob die Geschichte fortgeführt wird, bin aber mit dem Ende doch sehr zufrieden. Die Frage für die allermeisten dürfte jetzt vielleicht sein, was das Buch denn nun von anderen Büchern des Genres unterscheidet und dazu kann ich nur sagen: "Bis zum letzten Tropfen" ist irgendwie anders. Es ist keine Wahnsinnsgeschichte, aber irgendwie weiß sie zu berühren. Es ist keine Endzeitgeschichte der ganz Großen und vielleicht ist es auch nichts, was man gelesen haben muss, aber es ist definitiv etwas, was ich weiterempfehlen würde, einfach, weil es eine faszinierend-erschreckende Zukunftsvision schafft und frischen Wind mit sich bringt.

Bis zur letzten Seite war ich gefesselt von dieser Endzeit-Survival-Geschichte, die frischen Wind in das Genre bringt. "Bis zum letzten Tropfen" gehört nicht zu den ganz Großen, konnte mich aber gerade deswegen begeistern. Eine etwas ruhigere Geschichte mit subtiler Spannung und authentischen Szenarien, sowie relativ unkonventionellen Figuren, die eine Weile brauchen, ehe man sie in sein Herz schließen kann. Atmosphärisch erinnert das Ganze an "Ashes" von Ilsa J. Bick - daher auch hier Pluspunkte! Ob man die Geschichte lesen muss, ist fraglich, aber ich würde "Bis zum letzten Tropfen" definitiv empfehlen, wenn man Lust auf eine kurzweilige Endzeitgeschichte hat, die sich mit einem der essentiellsten Dinge unseres und allen Lebens beschäftigt. Unbedingt  reinlesen!