"Du kannst mich hören, nicht wahr?"
Aura Salvatore ist der erste Mensch, der nach dem Shift, einem weltweiten Punkt in der Zeit, nach welchem alle danach geborenen Menschen in der Lage sind, Geister zu sehen, auf die Welt gekommen ist. Tief in ihrem Inneren ahnt sie, dass der Shift irgendetwas mit ihrer Geburt zu tun hat, schließlich weiß sie so gut wie nichts über ihre Herkunft, hat ihre Eltern nie kennengelernt und spürt, dass sie anders ist. Als ihre große Liebe Logan stirbt und sein Geist zurückkehrt, stellt das ihr gesamtes Leben auf den Kopf , denn wie soll man weitermachen, wenn der Freund gestorben ist, man ihn aber immer noch - in violettes Licht getaucht - sehen kann? Gemeinsam mit Zachary, dem attraktiven Schotten, der neu auf der Schule ist, versucht Aura, sich dem Leben zu stellen und merkt schon bald, dass Zachary mehr weiß, als er zugeben will, denn auch er ist besonders: Er ist nur eine Minute vor Aura geboren - eine Minute vor dem Shift. Ihre Schicksale scheinen eng miteinander verknüpft zu sein. Und dann ist da noch die Tatsache, dass er etwas kann, das Logan nie wieder können wird: Er kann sie berühren...
Achtung - die Geister sind los! Und das beste Beispiel dafür, dass Urban Fantasy immer noch funktionieren kann ebenso, auch wenn mich "Aura: Verliebt in einen Geist" erst ab der Hälfte für sich einnehmen konnte. Lesen sich die ersten Seiten etwas holprig und hölzern mit der leichten Ahnung phantastischer Elemente, so kommt ab der Hälfte eine beinahe dystopisch anmutende Stimmung ins Spiel, die allerhand mysteriöse Dinge mit sich bringt und mich dann doch noch richtig zu fesseln wusste. "Aura: Verliebt in einen Geist" ist nicht perfekt - ganz und gar nicht. Es behandelt Themen, die so gar nicht zu der sonst so lockeren Stimmung passen wollen, was dazu führte, dass einige Elemente schnell deplatziert wirkten, aber wenn man am Ende das Gesamtbild betrachtet, hat man doch das Gefühl eine stimmige und unterhaltsame Geschichte gelesen zu haben, die einen halbwegs konstanten Spannungsbogen verfolgt und immer wieder kleine Überraschungen bereithält. Vor allen Dingen aber hat man am Ende eins: ein ganzes Päckchen voller Fragen, die einfach nicht beantwortet werden wollten.
Denn Fragen stellt man sich eine Menge, während man so in diese Welt aus Geistern und dem Shift eintaucht. Fragen, die bis zum Ende bleiben und einem den wirklich gemeinen Cliffhanger noch einmal gut durchwürzen. Man merkt der Geschichte durchaus an, dass sie lediglich der Auftakt einer Reihe ist und das macht sie auch nicht weniger gut, dennoch hätte Smith-Ready zwischenzeitlich gut daran getan, zumindest einige Rätsel zu lösen. Bis zum Ende weiß man nämlich nicht einmal, was es mit dem Shift auf sich hat - wobei das anscheinend niemand so richtig weiß. Andeutungen gibt es zu Hauf und einige Figuren scheinen mehr zu wissen, als sie sagen, aber letztendlich bleibt nur ein großes Fragezeichen, dass sich auf viele weitere Handlungsstränge ausweitet und irgendwann beinahe schon ein wenig zu nerven beginnt. Lesen und dennoch das Gefühl zu haben, nicht weiterzukommen, ist einfach nicht sonderlich befriedigend.
Dafür, dass sich das Buch stellenweise ziemlich humorvoll gelesen hat, versucht es auch oft auf einer sehr ernsten Schiene zu fahren, was eher schlecht als recht funktioniert. Der Tod von Auras Freund war einem ja schon aus dem Klappentext ersichtlich, was dafür sorgte, dass ich relativ voreingenommen an das Thema herangegangen bin und wenig berührt davon war. Traurig war es zwischenzeitlich schon, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass es mir das Herz zerreißen würde. Vielleicht liegt das tatsächlich daran, dass man vorbereitet ist, vielleicht aber auch, weil mir Logan von Anfang an nur wenig sympathisch war und dafür eine andere Figur schon ziemlich schnell seinen Platz eingenommen hat, aber die Gefühle, die immer wieder versuchsweise aufgebaut werden, konnten mich einfach nicht erreichen. Prinzipiell fand ich es schwierig, mich auf die Figuren einzulassen, auch wenn alle durchweg sympathisch und interessant sind. Ab der Hälfte ändert sich das, doch da reichte die Zeit schon nicht mehr aus, um noch in der Geschichte zu versinken. Dafür bieten die Figuren einen grandiosen Musikgeschmack - wer irischen Rock und Folk mag, ist hier definitiv gut bedient!
Die Mischung aus hauptsächlicher Urban Fantasy und der Ahnung von leichten dystopischen Elementen, weil ein gesellschaftlicher Umbruch erfolgt (ist), sprechen jedoch für sich. Das Buch fesselt irgendwann einfach und unterhält auf eine angenehme Art und Weise, zumal die Geschichte einige unerwartete Überraschungen bereithält - der Umgang mit Sexualität hat mir sehr gut gefallen, denn eine solche Offenheit bin ich aus amerikanischen Romantasy-Jugendbücher gar nicht gewohnt, sodass es den ein oder anderen wirklich gut beschriebenen Moment gab. Auch die Entwicklung von Aura im Bezug auf Logan und Zachary (der sich schon auf den ersten Seiten zu meinem absoluten Lieblingscharakter entwickelt hat) war überzeugend und fesselnd, was mir aber am meisten zugesagt hat, waren die mystischen Elemente, die zwar bis zum Ende ungeklärt bleiben, aber einen solchen Eindruck auf mich gemacht haben, dass ich den zweiten Band unbedingt lesen möchte.
Müsste ich nur die zweite Hälfte des Buches bewerten, ich könnte ohne zu zögern, eine ziemlich gute Bewertung abgeben, aber da mir der Einstieg etwas zu schwerfällig war und das Ausbleiben einiger Antworten zeitweise schon ein wenig an meiner Geduld zerrte, muss ich einiges abziehen. Dennoch hat "Aura: Verliebt in einen Geist" mir gezeigt, dass Urban Fantasy noch immer funktionieren kann und nicht immer Einheitsbrei sein muss. Mit einer faszinierenden Thematik und einer teilweise etwas unausgereiften Umsetzung schaffte es die Geschichte mich ab der Hälfte in ihren Bann zu ziehen. Mystery gepaart mit Action, Geheimnissen und Rätseln, dazu ein Hauch futuristisch anmutender Entwicklung und eine ganze Menge Urban Fantasy ergeben eine rasante Geschichte voller Fragen, die unbedingt geklärt werden wollen - wer das Genre und Geister mag, sollte sich "Aura: Verliebt in einen Geist" nicht entgehen lassen!
Jeri Smith-Ready hat Umweltpolitik studiert und lebt mit ihrem Mann, zwei Katzen und einem pensionierten Renn-Windhund in Maryland. Für ihre Romane hat sie bereits mehrere Preise gewonnen. »Aura« ist ihre romantische Serie um die geheimnisvollen Welt nach dem Shift und die junge Geisterseherin Aura Salvatore. [via cbj]
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