[Rezension] Auf den Flügeln der Angst (Catherine Shepherd)

Catherine Shepherd: Auf den Flügeln der Angst 
[Rezension] Auf den Flügeln der Angst (Catherine Shepherd)Krimis stehen zweifelsohne auf meiner Leseliste. Historische Romane, um ehrlich zu sein, eher weniger. Doch nachdem mich Catherine Shepherd auf ihren neusten Zons-Krimi aufmerksam gemacht hatte, ließ ich die Kombination aus beiden Genres einfach einmal auf mich wirken ... Was kann ich sagen?
Ich bin absolut positiv überrascht! Nicht von der Qualität des Geschriebenen, sondern vielmehr von der Tatsache, dass ich während des Lesens der Gegenwartskapitel mit wachsender Begeisterung auf die Kapitel mit der Handlung des Jahres 1497 zusteuerte. 
Catherine Shepherd versteht es, der Schwere von Historie einen Rahmen zu geben, der einfängt. Vielen Dank für diese "Lesereise"!
Cover: Kafel Verlag

~ Rezension ~


Der schmale Grat zwischen Sinnestäuschung und Realität.

Zons im 15. Jahrhundert: Eine unter mysteriösen Umständen ermordete Frau wird im Burggraben aufgefunden. Bastian Mühlenberg von der Stadtwache nimmt sich des Falls an. Schnell wird ihm klar, dass hinter dem Verbrechen ein noch viel größeres, giftigeres Geheimnis stecken muss. Dann holt ihn ein Dämon seiner eigenen Vergangenheit ein und weist überraschend einen Weg, der zum Täter führen könnte.

Zons im 21. Jahrhundert: Kommissar Oliver Bergmann wird in die Wohnung des Zonser Stadtrats gerufen. Dort wurde die Leiche des Mannes, der durch ertrinken starb, gefunden. Außerdem hatte das Opfer einen bizarren Drogencocktail im Blut. Nur der erste Tatort einer unerklärlichen Mordserie. Unterdessen bekämpft eine junge Mutter ihre Angstzustände mit einem dem Markt unbekannten Medikament und beginnt zu halluzinieren. Nebenwirkungen, die in doppelter Hinsicht tödlich sein können und die die Aufmerksamkeit des Kommissars auf sich ziehen.

Mit ihrem Krimi Auf den Flügeln der Angst lädt Catherine Shepherd ihre Leser bereits ein viertes Mal nach Zons ein, um auf Verbrecherjagd zu gehen. Der Startschuss für einen packenden Wettlauf um Leben und Tod hallt durch die Zeit.

Das Figurenensemble, welchem Catherine Shepherd in ihrem neusten Werk eine Bühne schenkt, besteht aus Charakteren mit deutlichem Profil. Die Gier nach Profilierung wird dabei ebenso zu einem zeitlosen Charakterzug wie die Sehnsucht nach innerem Frieden. Bastian Mühlenberg und Oliver Bergmann verleihen dem Streben nach Gerechtigkeit abermals ihre Stimme, während die Autorin ein neues Opfer-Täter-Netz spannt, dessen Elastizität dramaturgisch gekonnt ausgereizt wird.

Als Kulisse dient, wie bei den Vorgängern der Reihe, die niederrheinische Stadt Zons. Mit bestechender Wirksamkeit fühlt sich der Leser in die nebulösen Geschehnisse des Mittelalters versetzt. Nicht minder gelingt es Catherine Shepherd das Zons der Gegenwart zu einem Schauplatz menschlicher Abgründe, skrupelloser Dominanz und lähmender Angst zu machen.

Die Autorin verknüpft auf lebhafte Weise brisante Handlungsstränge der Historie mit denen der heutigen Zeit. Scharfsinnige Leichtigkeit und hintergründige Schwere gehen nahtlos ineinander über und ergänzen sich glänzend. Eine Ganzheitlichkeit, die mich beeindruckt hat. Die präzise recherchierte Realität wird durch die Hinzugabe von ambitionierter Fiktion zu einem wirksamen Elixier.

Der stete Wechsel zwischen den Jahrhunderten sorgt für einen kontinuierlich wachsenden Spannungsbogen. Und trotz der verhältnismäßig übersichtlichen Variablen, gelingt es der Autorin mithilfe des einen oder anderen Überraschungsmoments für ein gebührendes Finale zu sorgen.

Summa summarum ein Roman, der Krimifans und Geschichtsliebhaber sich ein und dieselbe Lektüre teilen lässt. Nicht nur die Grenzen zwischen den Zeiten, sondern auch die zwischen menschlichen Beziehungen verschwimmen zu einem triftigen Mosaik.

FZIT: Historisch. Wirkungsvoll. Abgründig.


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