Dass nichts passiert kann man dem Buch nun wirklich nicht vorwerfen, denn der Leser wird direkt zu Beginn in das Geschehen katapultiert - und das geht tatsächlich direkt auf der fünften Seite so richtig los. Simmons lässt einen auf den ersten hundert Seiten wenig Platz zum Atmen und Erholen von den Grausamkeiten, die - gerade psychisch - wirklich harter Tobak sind. Was jedoch fehlt, ist eine detaillierte Ausarbeitung der Welt: Wer hält die Fäden in der Hand, von wem geht das System überhaupt aus? Warum genau gibt es die Moralstatuten, wer hat sie ins Leben gerufen? Die Hintergründe fehlen einfach komplett, sodass es schwer fällt, sich wirklich auf die Geschichte einzulassen, wenn man das Ziel nicht kennt. Der Haupthandlungsstrang fokussiert sich fast das ganze Buch darauf, dass Chase und Ember auf der Flucht sind und nach Embers Mutter suchen und so bleibt die Geschichte doch die meiste Zeit etwas eintönig...
...was womöglich auch an Protagonistin Ember selbst liegen könnte. In vielen Rezensionen habe ich gelesen, dass Ember als "zickig" empfunden wurde, auf mich hat sie so allerdings nicht gewirkt. Wie soll sich ein Mädchen, das so viel Grausamkeiten erlebt hat denn sonst verhalten? Natürlich ist sie skeptisch, natürlich kann sie niemandem vertrauen - gerade Chase nicht, der sie zwar rettet, ihr aber so wenig Informationen gibt, dass er gut auch eigene grausame Pläne verfolgen könnte. In der Hinsicht fand ich Ember daher sehr realistisch gezeichnet - und ihre Skepsis und ihr Misstrauen haben mir mit am besten gefallen. Sie handelt zeitweise vielleicht ein wenig unüberlegt und schadet damit mehr Leuten, als sie wollte, aber das ist meiner Meinung nach in Anbetracht der Tatsachen doch eher menschliches Verhalten. Viel mehr als das haben mich ihre permanent gleichen Gedanken genervt, denn Ember denkt tatsächlich immer nur dasselbe: an ihre Mutter, an Chase, Mutter, Chase, Mutter - und das in einem ständigen Konflikt. Dahingegen wirkt Chase, der vorrangig als brutal und geheimnisvoll dargestellt wird, doch ziemlich sympathisch. Zwar habe auch ich zeitweise überlegt, ob er vertrauenswürdig ist, doch spätestens als die erste Menschlichkeit wieder in ihm aufkeimt,
Die Geschichte ist nicht schlecht, aber doch irgendwie sehr stereotypisch und an manchen Stellen wenig ausgearbeitet. Gerade über die Welt, den Krieg und das System hätte ich gerne mehr erfahren, um diese Verhältnisse vielleicht besser verstehen zu können. Was Spannung und düstere Atmosphäre angeht, hat Simmons jedoch den Nagel auf den Kopf getroffen - die Geschichte ist rasant und wird selten wirklich langatmig. Auch die Liebesgeschichte gefiel mir ab einem bestimmten Punkt sehr gut, einfach, weil Chase und Ember sich schon kannten und es nicht diese typische Liebe für immer und ewig ist, auf die man in so vielen anderen Büchern stößt. Die Idee mit den Moralstatuten war auch einmal etwas anderes - es gibt so gut wie keine zukunftsweisende Objekte in dem Buch, das ganze wirkt eher, als wäre man in der Zukunft wieder da, wo man (von jetzt aus gesehen) vor sechzig Jahren war und dieser Transport von einer Anlehnung an den Nationalsozialismus in die Zukunft hat mir sehr gefallen. Hier gerne noch mehr Informationen im nächsten Band - das würde womöglich auch der Handlung gut tun.
...mehr? *klick*