Als Jessica Chain an Halloween mit ihrem Wagen ins Schleudern gerät, prallt sie gegen einen Baum und zieht sich dermaßen schlimme Verletzungen zu, dass die Ärzte nur noch den Hirntod feststellen können. Damit besteht für Jessica zwar selbst keinerlei Hoffnung mehr, doch durch eine Spende ihrer Organe können vier weitere Leben gerettet werden. Nach den Transplantionen bleibt Jessica allerdings noch als “Geist” anwesend und mit den vier Jugendlichen, welche ihre Organe transplantiert bekommen haben, verbunden. So verfolgt sie immer abwechselnd die neu gewonnenen Leben von Leif, Vivian, Misty und Samuel, die in irgendeiner Form auch schon bald aufeinander treffen und nicht wissen, dass sie alle irgendwie miteinander verbunden sind.
Ehrlich gesagt, fiel der Einstieg in diese Geschichte gar nicht so leicht. Man wird damit konfrontiert, dass Jessica, welche in ihrer Schule kaum bekannt ist und als Außenseiterin gilt, von den populären Mädchen übelst mitgespielt wird, in dem diese Jessica einfach so aus purer Boshaftigkeit ihre hüftlangen, weißblonden Haare abschneiden. Daraufhin bricht für Jessica eine Welt zusammen, doch ihre Mutter schickt sie noch am gleichen Tag zum Friseur, der ihr eine Frisur verpasst, mit der sich Jessica auf einmal selbst endlich hübsch findet. Daraufhin bekommen wir einen kurzen Einblick in die Leben von vier schwer kranken oder verletzten Jugendlichen, die dringend eine Transplantation benötigen, aber erst auf das passende Spenderorgan warten müssen. Insbesondere die Aussage eines Arztes, dass man doch erstmal Halloween abwarten solle, da schlechtes Wetter vorausgesagt wird und in dieser Nacht viele Unfälle geschehen und somit viele Organe zum Spenden frei werden, ging mir lange – auch jetzt noch – im Kopf herum. Schließlich kommt es wie es kommen muss und Jessica stirbt. Wie sie selbst, bereits als Geist, ab dem Zeitpunkt alles mitverfolgt, ist zugegebenermaßen sehr bedrückend. Aber deswegen natürlich umso realer. Glücklicherweise fiel mir danach das Lesen leichter, da es nun deutlich weniger bedrückender wurde.
Die vier Jugendlichen leider immer noch unter den Auswirkungen ihrer Krankheiten, jeder in anderen Ausmaßen. Denn obwohl viele denken, dass nach einer Organtransplantation ja eigentlich alles wieder in Ordnung sein müsste, ist dem nicht so. Täglich müssen diverse Medikamente eingenommen werden, um den eigenen Körper daran zu hindern, das fremde Organ abzustoßen. Man ist trotzdem nicht vollends geheilt, man muss immer noch sehr auf sich aufpassen. Doch man hat damit auch eine zweite Chance bekommen, welche man nicht einfach verstreichen lassen sollte.
Vivian möchte Künstlerin werden und viel mehr Zeit mit Malen und dem Arbeiten im Kunstgeschäft verbringen, als in der Schule. Ihre Eltern jedoch wollen, dass sie das College besucht um später einen guten Job zu bekommen. Nur denkt Vivian gar nicht erst so weit in die Zukunft – die Lebenserwartung bei Mukuviszidose-Patienten ist nicht hoch und sie hat schon zu viele ihrer Freunde sterben sehen. Mistys Eltern hingegen können die vielen Arztrechnungen nicht mehr bezahlen, genauso wenig wie sie für die so sehr benötigten Medikamente aufkommen können. So denkt Misty, es wäre für alle viel einfacher gewesen, wenn sie an Leberversagen gestorben wäre. Samuel wiederum verkriecht sich am liebsten in seinem Zimmer, vor dem Computer und tauscht sich online mit anderen über alle möglichen Wunder aus. Leif war im Grunde nicht krank, er wurde bei einem Football-Spiel schlimm verletzt, wodurch seine Karriere als Profi-Quarterback zerstört wurde – damit auch die Träume seiner Eltern, die selbst früher erfolgreiche Profi-Sportler waren.
Ich gebe zu, die Handlung klingt auf den ersten Blick vielleicht sehr bedrückend und das ist sie zweifellos auch. Allerdings hat es die Autorin zumindest für mich auch geschafft, ein so wichtiges und ernstes Thema wunderbar in eine Geschichte zu verpacken, die zwar sehr emotional ist, aber sich auch genauso gut lesen lässt. Da die Handlung aus Jessicas Sicht beschrieben und durch ihre Augen betrachtet wird, sind es ihre oftmals schnippischen Kommentare, welche dafür sorgen, dass es nicht allzu traurig wird und so manche Szenen einfach auflockern, selbst wenn es nicht unbedingt lustig ist.
Selbstverständlich ist es ein sehr großer Zufall, dass ausgerechnet die vier Jugendlichen zusammentreffen, welche alle die Organe eines bestimmten Empfängers erhalten haben, doch das mal außen vor gelassen, hat Kizer eine wunderbare Geschichte beschrieben, die für meine Verhältnisse sehr authentisch, ernst, jedoch auch unterhaltsam genug, mit dem Thema Organspende umgeht. Durch die der Handlung voran gehende Widmung sowie das Nachwort ist klar, dass die Autorin selbst sich genug mit dem Thema befasst hat und auch damit in Verbindung gekommen ist. Deswegen finde ich es umso schöner, dass sie diese Thematik so gut in diesem Buch verarbeitet hat.
“Mein Leben für deins” ist sicherlich keine unterhaltsame, kurzweilige Lektüre für Zwischendurch. Vielmehr enthält dieser Roman eine emotionale und berührende Geschichte mit einem sehr ernsten Hintergrund. Ich denke, wer Bücher wie “Das Schicksal ist ein mieser Verräter” oder “Wunder” mochte, könnte auch diesen Roman mögen. Man muss sich drauf einlassen, aber wenn man es tut, lässt einen diese Geschichte nicht mehr los – versprochen.