Autor: Natasha Solomons
Titel: Als die Liebe zu Elise kam
Teil einer Reihe? Nein.
Gebundene Ausgabe: 506 Seiten
Verlag: Kindler
ISBN-13: 978-3463405797
Preis: 19,99€
Originaltitel: The Novel in the Viola
Genre: Realität; Drama; Gegenwartsliteratur
Themen: Judenverfolgung; Zweiter Weltkrieg; Liebe; Verlust; Veränderung; Identitätsverlust; Zusammenhalt;
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Wenn ich die Augen schließe, sehe ich Tyneford House vor mir.
Im Frühling des Jahres 1938, kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, kommt die neunzehnjährige Jüdin Elise Landau aus wohlhabendem Hause nach Dorset, um dort als Hausmädchen zu arbeiten und der Judenverfolgung zu entgehen. Da sie ihre Familie in Wien zurücklassen muss, ist sie in Tyneford ganz auf sich gestellt, allein in einem Land, in dem man Tee statt Kaffee trinkt und in welchem man ihre Sprache nicht spricht. Gefangen in ihrem alten Leben als verwöhntes Mädchen, muss Elise ihr komplettes Leben umstellen bis sie schließlich Kit kennenlernt - den Sohn des Hausherren von Tyneford House. Gegen die Konventionen und Regeln verlieben die beiden sich ineinander, doch der herannahende Krieg droht die Beziehung zu zerstören und Elise muss ihr altes Leben völlig ablegen und lernen, dass man mehr als ein Leben leben kann.
Poetisch und einfühlsam erzählt Natasha Solomons die Geschichte um Elise und ihr Leben, sodass man sich oft wundert, wenn man aufblickt und sich im 21. Jahrhundert befindet. Ihr besonderes Talent liegt darin Landschaften und Charaktere besonders greifbar und bildhaft zu beschreiben und darzustellen, was dazu führt, dass man bald ganz in der Geschichte gefangen ist und Elise, Kit und all die anderen sich in realistische Figuren verwandeln, sodass man beinahe schon enttäuscht ist, wenn man das Buch zuklappt und merkt, dass sie es eben doch nicht sind. Ein weiterer Pluspunkt ist Solomons Gabe, eine unterschwellige Spannung aufzubauen, die sich durch das ganze Buch zieht, sodass man nicht das Gefühl hat, dass sich die Geschichte zieht, obgleich sie auf den ersten Blick nicht nervenaufreibend spannend ist. Ich hatte immer das Bedürfnis weiterzulesen und die Geschichte hat meine Neugierde durchgehend geweckt.
Bücher, die vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges und der Judenverfolgung spielen, sind für gewöhnlich eher nicht mein Leseschema - dafür wurde die Thematik schon zu oft durchgekaut, hinuntergeschluckt und immer noch nicht ordentlich verdaut. Dennoch wollte mir dieses Buch irgendwie nicht aus dem Kopf gehen und als ich mit dem Lesen begann, entpuppte es sich als eines jener Bücher, die einen verschlingen und in die man hineinfällt, ohne das man sich dieser Tatsache wirklich bewusst ist. Man liest und liest und irgendwann blickt man auf und die alten, gemütlichen Zimmer von Tyneford House, die liebevoll gezeichneten Figuren und die wunderschöne Kulisse Englands verfliegen wie Rauch, lösen sich auf und was bleibt, ist die Verwunderung, dass man so von der Geschichte verschluckt wurde.
Die Geschichte um Elise spielt zwar zu der grauenvollen Zeit des Zweiten Weltkrieges, doch dieser spielt sich eher im Hintergrund ab und obwohl man doch sehr viel davon mitbekommt - die Geschichte spielt ja gerade wegen diesem Krieg - steht Elises Lebensgeschichte im Vordergrund, was ich als sehr positiv empfand. Das Buch ist aus der Sicht der alten Elise geschrieben, die auf ihre Vergangenheit zurückblickt und von dieser berichtet (ebenso wie in "Die Geisha" als Vergleich), sodass sie zwischenzeitlich das Geschehen kommentiert und dem Leser dennoch das Gefühl gibt, alles wirklich zu durchleben. Genau dieser Punkt ist auch die Besonderheit dieses Buches: Der Leser verschmilzt mit der Geschichte und hat das Gefühl ein Teil von ihr zu sein, da alles so realistisch, dreidimensional und daher greifbar wirkte. Oft habe ich das Buch wie eine Erzählung aus der Wirklichkeit empfunden und ebenso habe ich auch mit den Figuren gelitten, gelacht und mitgefiebert.
Besonders realitätsnah und liebevoll waren die Charaktere gezeichnet, allen voran die Protagonistin Elise, die alles andere als stereotypisch handelt und so besonders lebhaft wirkte und dem Leser ihre Geschichte so besonders nahe bringen konnte. Sie ist eine Figur mit Ecken und Kanten, die nach dem Leben durstet und sich im Laufe der Geschichte mehrmals neu finden und erfinden muss, die eine Menge erlebt und an jedem Schicksalsschlag wächst, obwohl sie mehr als einmal über die vielen Hindernisse stolpert. Dennoch bleibt sie bis zum Ende eine starke Persönlichkeit und eine absolute Sympathieträgerin. Doch nicht nur Elise, auch die anderen Charaktere sind facettenreich und jeder Einzelne hat eine eigene Persönlichkeit, handelt aus ersichtlichen Gründen und wirkt wie aus dem Leben gegriffen.
Das Thema Liebe ist geschickt in die Geschichte eingewebt worden und wirkt daher nicht zu überladen, kommt aber auch nicht zu kurz. Es ist gerade so beschrieben, dass es eine sanfte, ehrliche und verständliche Liebesgeschichte ist, aber auch wunderbar in die Umstände und die Zeit passt. Sie entwickelt sich über einen längeren Zeitraum, sodass der Leser sich gemeinsam mit Elise verliebt und diese Gefühle auch verstehen und miterleben kann. Hauptsächlich geht es jedoch um Elise, ihren Identitätsverlust und die Entwicklung, die sie durchmachen muss, in der sie erkennen muss, dass man mehr als einmal leben und lieben kann.
"Als die Liebe zu Elise kam" hat mich vor allem emotional absolut gepackt und mich in eine ganz andere Zeit gezogen und auch dort gehalten. Selbst jetzt, vier Tage nach Beendigung der Lektüre, fühle ich mich ihr noch nahe und denke oft daran zurück, frage mich, ob es nicht auch ganz anders hätte kommen können und hoffe immer noch, dass die Geschichte ein anderes Ende genommen hätte - auch wenn ich das Ende nicht schlecht fand. Das Buch geht einfach unter die Haut und Oberfläche und hat mir mehr als einmal die Tränen in die Augen getrieben - Taschentücher also besser bereit halten, wenn man nah am Wasser gebaut ist und sich einer Geschichte völlig hingeben kann.
Die Liebe kommt in dieser Geschichte nicht nur zu Elisetränendrüsenanregende und wunderschöne Geschichte über das Leben und Lieben, das Finden und Suchen, den Verlust und die Familie und einer Welt voller Konventionen und Regeln. Mit beinahe schon poetischen Beschreibungen lockt Solomons auch ihre kaltherzigsten Leser aus der Reserve und führt sie in ein kleines Dorf in Dorset, in dem es neben Elises Lebensgeschichte, viel zu erleben und entdecken gibt. So unterhält das Buch nicht nur, sondern geht auch in die Tiefe und unter die Haut und bleibt dem Leser noch lange danach im Gedächtnis. Ich kann "Als die Liebe zu Elise kam" uneingeschränkt jedem empfehlen, der eine ernsthafte und tiefgründige Geschichte zur Zeit des Zweiten Weltkrieges lesen möchte, in der es um das Leben selbst und um die Liebe geht.
Natasha Solomons wurde 1980 geboren. Mit neun Jahren hatte sie ihren ersten Job: Sie hütete als Schäferin die Herde von Bulbarrow Hill. Gemeinsam mit ihrem Mann David arbeitet sie heute als Drehbuchautorin und promoviert außerdem über Lyrik des 18. Jahrhunderts. Natasha und David leben in einem baufälligen Naturstein-Cottage in Dorset. Zum Arbeiten zieht sie sich in ein bemaltes Sommerhaus neben einer Apfelplantage zurück, wo ihre nächsten Nachbarn ein Paar neugieriger Fasane sind. Zu ihrem ersten Roman wurde sie von ihrer deutsch-jüdischen Großmutter inspiriert. [via Lovelybooks]
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Hiermit bedanke ich mich sehr herzlich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares bei