Veröffentlicht am 13. September 2013 | von Florian Kraner
Rewind: Das Genre ohne Namen (Video, Teil 2)
Im zweiten Teil des Rewind-Features steht nun die Weiterentwicklung des Genre ohne Namen, also dem Spieletypus, der keine offizielle Bezeichnung mit sich zieht, im Mittelpunkt und wie sich die Industrie dieser Klassifikation im Laufe der Zeit angenommen hat.
Flashback (1992)
Flashback erschien 1992 – unter dem selben Publisher wie ein Jahr zuvor Another World - und wird deshalb oft als Sequel verwechselt. Tatsächlich stammt das Spiel aber aus der Hand des französischen Entwicklers Paul Cuisset. Flashback verwendet ähnliche vektorbasierte Filmsequenzen: In einer futuristischen Welt verschmelzen Ideen aus dem Science-Fiction-Sammelsurium der 80er (wie etwa Total Recall, The Running Man oder Blade Runner) zu einer vielschichtigen dystopischen Welt. Der große Unterschied zu Another World ist der deutlich größere Fokus auf Gameplay. Ausgefallene Puzzle Einlagen und präzise Schusswechsel sorgen dafür, dass Flashback zu einem einflussreichen Genrevertreter wird, Spiele wie Oddworld oder Blackthorne von Blizzard sollten sich hier Inspiration holen.
Flashback Legends (2003)
Ein Sequel, dass uns dankenswerter Weise erspart blieb, ist Flashback Legends: 2003 für den GBA entwickelt und nur als Prototyp verfügbar, da der Entwickler Delphine Software bankrott ging. Die detaillierten Landschaften des Originals weichen einer generischen Cartoon-Optik, das öde Gameplay ist natürlich in dieser frühen Version nicht wirklich zu bewerten. Weniger entschuldbar ist das Flashback-Remake, das 2013 herauskam. Die Stimmung des Originals, die auf dem Prinzip „Show, don’t tell“ basiert, geht bei dieser Inszenierung komplett verloren. Der zusammengewürfelte Plot, der sich mit Sprachausgabe und modernem 3D-Look viel zu ernst nimmt, wirkt aus dieser Perspektive schlichtweg absurd und das Gameplay selbst verliert die Präzision, die das Original definiert hat.
Fade To Black (1995)
Nachdem Flashback mit einem Cliffhanger endet, war ein Sequel aber vorprogrammiert. Die Entwicklung von Fade to Black fällt 1995 in eine besonders verwirrte Periode der Spieleindustrie: 3D war angesagt, egal um welchen Preis. Und tatsächlich sieht man an der Fortsetzung eines der wichtigsten Vertreters des Genres ohne Namen, dass dieser Umstieg gar nicht so einfach zu bewältigen war: Plattforming-Einlagen gehörten der Vergangenheit an, tatsächlich gelang es den Entwicklern kaum, einfaches Zielen und Schießen unterhaltsam zu gestalten. Mit der erhabenen Präzision der 2D-Spiele hatte Fade to Black nichts zu tun und auch kreativ findet sich hier einer der einfallslosesten Sc-iFi-Aufgüsse überhaupt.
Tomb Raider (1996)
Der Sprung in die Welt der 3D-Technologie sollte aber nicht nur für die Flashback-Entwickler problematisch sein. Einer der ersten großen Erfolge vom Genre ohne Namen in einer dreidimensionalen Welt ist Tomb Raider. Tatsächlich sind hier alle Zutaten, die unser Genre auszeichnet vorhanden: Stimmungsvolle Isolation und präzise Plattforming-Einlagen prägen das Erlebnis, auch wenn der Erfolg wohl eher auf die sekundären Geschlechtsmerkmale der weiblichen Protagonistin zurückzuführen ist. Aus heutiger Sicht führt die klobige Spielbarkeit von Tomb Raider aber ganz klar vor Augen, dass ein Sprung zu 3D bedeutet, dass viel vom Reiz des Genres ohne Namen verloren geht.
Im dreidimensionalen Raum ist die selbe Präzision, die von zweidimensionalen Spielen abverlangt wird, um ein vielfaches komplexer. Wenn man die Evolution der Tomb Raider-Reihe betrachtet, bis hin zu aktuellen Ausgaben der Uncharted-Reihe, so merkt man deutlich, dass die Lösung für das Problem die Entwicklung von zahlreichen Hilfsalgorythmen war, die dem Spieler unter die Arme greifen. Es genügt bereits, vage in eine Richtung zu deuten oder ungefähr zum richtigen Zeitpunkt zu reagieren – das Spiel korrigiert die Eingaben und berechnet daraus einen Erfolg, die Präzision, die bereits seit den Anfängen von Prince of Persia so befriedigend war, geht verloren.
Shadow Of The Colossus (2005)
Doch das heißt nicht, dass nicht auch im 3D-Bereich nennenswerte Vertreter existieren. Vor allem die beiden Produktionen ICO und Shadow of the Colossus führen das Genre erfolgreich in eine 3-dimensionale Umgebung und gelten längst als moderne Klassiker. Vor allem Shadow of the Colossus schafft es, den Verlust der Präzision durch wegweisende Elemente auszugleichen, die nur im dreidimensionalen Raum möglich sind. Der Spieler klettert über dynamische, bewegliche Objekte – ein Geniestreich, der bis heute als wegweisend gilt.
Limbo (2010)
Auch der 2D-Bereich erfreut sich Dank der blühenden Indie-Industrie bester Gesundheit: 2010 erscheint Limbo und holt das Genre ohne Namen auf eine zweidimensionale Bühne zurück. Vielleicht sogar ein Genre-Höhepunkt, schafft es das Spiel mit unterhaltsamen Puzzles und einer beunruhigenden Stimmung doch, den Spieler wie eh und je zu fesseln und erinnert mit seinem lustvollen Fetisch für grausame Todesinszenierungen stark an die Kreationen des Another World -Authors.
Deadlight (2012)
Ein weiterer nennenswerter Vertreter erschien 2012: Deadlight bedient sich der beliebten Zombie-Thematik und schafft wie schon vor Jahrzehnten Flashback ein dichtes Ambiente und erinnert mit seinem präzisen Gameplay an die Highlights, die das Genre ohne Namen vor so langer Zeit definierten. Deadlight ist ein weiterer Beweise dass Spiele dieser Machart auch heute noch ihre Daseinsberechtigung haben und so ist das letzte Kapitel dieser langen Reihe an Projekten sicherlich noch nicht geschrieben.
Zu Teil 1 des Rewind Features Zu Teil 2 des Rewind Features
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Über den Autor
Florian Kraner Aufgabenbereich selbst definiert als: Pixel-Fachmann mit Expertenausweis? Findet ”Das Fürchterliche muß sein Gelächter haben!” zutreffend.