Veröffentlicht am 28. August 2013 | von Florian Kraner
Rewind: Das Genre ohne Namen (Video, Teil 1)
1989 erblickt ein Genre das Licht der Welt, das eigentlich bis heute keine offizielle Bezeichnung hat: Jordan Mechner entwickelt Prince of Persia, welches auf dem Apple II erscheint und im Sturm die Herzen der Spielergemeinde erobert. Das liegt vor allem an den realistischen Animationen: Zum ersten Mal wird Rotoskopie eingesetzt um die Bewegungsabläufe der Charaktere aus der Realität zu übertragen und mit glaubwürdigem Realismus das Auge zu verwöhnen.
Doch auch das Gameplay an sich sollte kommende Spiele prägen: Ein Kerker der mit bösartigen Fallen konstant für tödliche Überraschungen sorgt hält die Aufmerksamkeit des Spielers. Ständige Wiederholung ist angesagt, bis das Layout der Fallen auswendig gelernt wurde und der Spieler mit majestätischem Geschick die Hindernisse umgeht.
Prince of Persia (1989)
Prince of Persia begründet damit ein Konzept, das die Schablone für zahlreiche Spiele darstellt. Manchmal als „Cinematischer Plattformer“ bezeichnet handelt, es sich um eine Reihe von Spielen, die sich zwar inhaltlich völlig voneinander unterscheiden, allesamt aber den selben Design-Konzepten folgen. Das Genre ohne Namen zeichnet sich aber durch noch ein Element aus, das in Prince of Persia fehlt.
Another World (1991)
Another World wird ebenfalls von einem Ein-Mann-Team kreiert. Éric Chahi lehnt sein Werk offensichtlich nahe an Prince of Persia an, fügt aber noch eine bedeutsame Zutat hinzu: Er entwickelt eine neuartige Engine die mit schnellen Polygonen ähnliche Animationseffekte wie im populären interaktiven Trickfilm Dragon’s Lair darstellen kann, ohne den für damalige Verhältnisse enormen Speicherplatz zu benötigen. Atmosphärische Filmsequenzen schaffen für das Spiel eine reichhaltige Stimmung und für die Welt der Videospiele erstmals die Vision vom interaktiven Film. Ein kurioses Detail: Wer um alle Fallen und Todesmöglichkeiten Bescheid weiß, der hat das Spiel in gerade mal 15 Minuten durchgespielt, was natürlich in keinem Verhältnis zu den Stunden der haarsträubenden Frustration steht, die notwendig sind, um die richtigen Verhaltensmuster anzulernen.
Heart of the Alien (1994)
Wenig bekannt ist, dass der Publisher Interplay darauf bestand ein Sequel zu entwickeln. Heart of the Alien auf Segas Mega-CD sollte die vollen Möglichkeiten der neuen CD-Technologie ausnutzen um noch mehr cineastisches Feeling zu erzeugen. Ist der erste Teil der Serie als Metapher für den emotionalen Zustand des Entwicklers bei der Arbeit zu sehen – stark spürbar in der Isolation des Hauptcharakters Lester am Beginn und seinem zehrenden Endspurt – so hält sich auch das Sequel ironischerweise an genau diese Metapher: Éric Chahi ist genau wie Protagonist Lester kaum am Spiel beteiligt, verkommt zur bedeutungslosen Nebenfigur – die Qualität des Spiels wird dem Vorgänger nicht gerecht.
Heart of Darkness (1998)
Stattdessen widmete der Entwickler seine Aufmerksamkeit einem neuen Projekt: Heart of Darkness sollte nach sechs Jahren Entwicklung die Tradition des Genres ohne Namen mit einem großen Budget fortführen. Trotz der stilistischen Unterschiede merkt man dem Titel seine Wurzeln stark an. Viele Gameplay-Ideen aus Another World finden hier eine Weiterführung und auch die Grundthematik des Besuchs einer anderen Welt, in der man sich mit Einheimischen verbündet, bleibt gleich. Während die zahlreichen gerenderten Zwischensequenzen aus der Vorzeit der modernen Computeranimation sich nicht wirklich gut gehalten haben, glänzen die dynamischen 2D-Animationen des Spiels bis heute. Das Geschehen gestaltet sich auch deutlich spielbarer und ist eigentlich noch immer eine Empfehlung wert.
Oddworld: Abe’s Oddysee (1997)
Deutlich massenwirksamer war zu dieser Zeit allerdings ein anderes Projekt: Mit Oddworld: Abe’s Oddyssey auf Sonys Playstation erreichte Gamedesigner Lorne Lenning ein breites Publikum. Im Vordergrund stand das Design einer umfangreichen fiktiven Welt, die von erstaunlich detaillierten Kreaturen bevölkert wird. Abe’s Oddyssey, ursprünglich als erster Teil einer Reihe an fünf Spielen geplant, eröffnet ein kleines Fenster in diese Welt und bedient sich dazu aller etablierten Spiel-Mittel, die das Genre ohne Namen auszeichnen. Die eigenen Spielmechaniken, wie das Kommunizieren mit Bewohnern und das Kontrollieren der Gegner, sind wegweisend, sicher mit ein Grund weshalb Abe’s Oddyssey 2013 eine Runderneuerung in Form eines HD-Remakes zuteil wird.
Im zweiten Teil dieser Reihe betrachten wir das Genre ohne Namen im Wandel der Zeit.
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Über den Autor
Florian Kraner Aufgabenbereich selbst definiert als: Pixel-Fachmann mit Expertenausweis? Findet ”Das Fürchterliche muß sein Gelächter haben!” zutreffend.