Review: ZWIELICHT - Engelchen und Teufelchen

Erstellt am 5. März 2015 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln

                                                                             
Fakten:Zwielicht (Primal Fear)USA, 1996. Regie: Gregory Hoblit. Buch: Steve Shagan, Ann Biderman, William Diehl (Vorlage). Mit: Richard Gere, Edward Norton, Laura Linney, Frances McDormand, John Mahoney, Alfre Woodard, Terry O´Quinn, André Braugher, Maura Tierney, Steven Bauer, Joe Spano, Stanley Anderson u.a. Länge: 125 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD erhältlich.
Story:Starverteidiger Martin Vail, immer um Publicity bedacht, wittert die Chance für einen ganz großen Auftritt im Rampenlicht der Medien. Der Erzbischof von Chicago wurde auf bestialische Art abgeschlachtet, in der Nähe des Tatortes einer seiner Messdiener blutüberströmt festgenommen. Vail bietet dem 19jährigen Aaron kostenlos seine Dienste an. Normalerweise will er überhaupt nicht wissen, ob seine Mandanten schuldig sind oder nicht, grundsätzlich ist es ihm egal, doch im Fall von Aaron ist er sich trotz der erdrückenden Indizien sicher, dass er unmöglich der Täter sein kann. Dieses höfliche, stotternde, eingeschüchterte Milchgesicht scheint niemals zu so einer Tat fähig. Vail bastelt an einer geschickten Verteidigung, bis eine unerwartete Wendung diese völlig über den Haufen wirft…
  

Meinung:Nachdem die Karriere von Edward Norton – vielleicht mit Ausnahme seiner Nebenrollen in den letzten Filmen von Wes Anderson – in den vergangenen Jahren arg in Stottern (!) geraten schien, meldete er sich mit seiner Rolle in „Birdman“ wieder im ganz großen Rampenlicht zurück, heimste einer weitere Oscarnominierung als bester Nebendarsteller ein, auch wenn er am Ende leer ausging. Wie auch schon bei seinem Debütfilm „Zwielicht“. Der beim Dreh bereits 26jährige Norton (spielt einen 19jährigen, was man ihm aufgrund seines schmächtigen Äußeren auch locker abnimmt) wird trotz seiner recht großen, wichtigen Rolle erst weiter hinten in den Credits genannt, nach dem Film hatten sich viele seinen Namen sicher gemerkt. Der Lohn: Die bereits angesprochene Oscarnominierung und sogar der Gewinn des Golden Globes, in den Folgejahren stieg er zum gefragten Charakterdarsteller auf. Ein Einstand nach Maß, kann man kaum anders bezeichnen.

Vielleicht sein größter Goldesel...

Der nominell eigentliche Star des Films ist Richard Gere, der den geltungsbedürftigen Schickimicki-Rechtsverdreher Martin Vail gibt. Seine Mandanten sind selten Unschuldslämmer, können dafür gut bezahlen und Vail ist es letztlich eh schnuppe, mit solchen Details hält er sich nicht lange auf. Nach dem Motto „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“ verzichtet er freiwillig auf die reine Wahrheit, biegt sich lieber geschickt eine zusammen, die man den Geschworenen unterjubeln kann. Das beherrscht der Mann blendend. Gere spielt das in seinem gewohnten Modus runter, lange nicht so direkt wie in seinen wenigen, dafür dann meist extrem überzeugend-intensiven Bad-Guy-Parts in Filmen wie „Internal Affairs“ (1990) oder „Das Gesetz der Straße – Brooklyn´s Finest“ (2009), auch nicht so blütenrein anschmiegsam wie in seinen Paraderollen als grau melierter Schmusebär, sein Charakter liegt nun mal im schattigen Niemandsland zwischen Gut und Böse. Oder eher zwischen höchster Professionalität und (dem auf dem Niveau bald unvermeidlichen) moralischem Desinteresse. Bei seinem neuesten Fall geht es ihm zwar nicht um das Honorar, da gibt es nichts zu holen, dafür um etwas viel kostbareres: Sich medienwirksam als großer Zampano zu verkaufen, einen schlicht unmöglichen zu gewinnenden Fall zu wuppen und somit sein Ego in aller Öffentlichkeit auf höchstem Niveau zu streicheln. Ausgerechnet jetzt bezieht er erstmals, ausversehen, moralisch Stellung. Zunächst eher unbewusst, beiläufig, eigentlich juckt ihn das auch nicht wirklich, aber diesen Kerl, diesen blassen Schluck Wasser in der Kurve, der braucht ihn mit seiner zitterigen Stimme und den dankbar-kindlichen Augen nur seine Unschuldsbekundungen vorstottern, da hat sich selbst ein abgebrühter Profi wie Vail blitzschnell sein Urteil gebildet. Das Häufchen Elend hat einen viehischen Mord begangen? Nie und nimmer.

...oder sein schlimmster Fehler?

„Zwielicht“ ist zwar ganz klar konventionelle, wenig spektakulär inszenierte Justiz-Thriller- Kost im A-Movie-Look der 90er, vom routinierten Auftragsregisseur Gregory Hoblit ohne großes Eigenstellungsmerkmal mit einem soliden, gestandenen und dennoch nicht super-prominenten, schillernden Cast sicher runtergedreht (da darf eine Weltklassedarstellerin wie Frances McDormand auch mal ohne großen Aufwand die Nebenkostenabrechnung fürs laufende Jahr verdienen), ist grob betrachtet nicht unbedingt ein Hit, baut dadurch geblendet aber fast unbemerkt einen gut durchdachten Plot auf, der eben nicht nur durch sein Kaninchen-aus-dem-Hut-Finale am Ende noch die Kurve nimmt, sondern viel früher schon auf Kurs ist. Die Figur von Gere macht eine glaubhafte, nicht zu ruckartige Entwicklung durch, nach 125 Minuten hat man plötzlich einen ganz anderen Menschen vor sich als noch zu Beginn, ohne dass der Film darauf mit „dem einen Moment“ hinweisen muss. Da ist er sicherlich selbst so überrascht drüber wie der Zuschauer, der das bemerkt. In die Handlung werden gezielte und gut platzierte Verdachts- und Zweifelmomente eingebaut, die nicht wie so oft sich als mehr oder weniger heiße Luft erweisen, sondern für die Gesamtgeschichte, wenn auch nur am Rande, einen Sinn erfüllen. Und über allem geistert dieser Edward Norton, der hier zwar nicht die an einigen Stellen übertrieben-gepushte Überleistung bringt, aber das ist schon, gerade für ein Debüt, erstaunlich klasse. Dass die Rolle, besonders gegen Ende, zu konstruiert wirkt, dafür kann er nichts, holt dafür quasi das Maximum aus dem Part heraus.
Der Film funktionierte damals leicht anders als heute, was nicht schlimm, sondern eher ein Qualitätsmerkmal ist. Für die Erstsichtung ist ganz klar die Pointe und deren Wirkung gedacht und als solcher Trick ist das Ganze augenscheinlich auch konzipiert, aber der kann durchaus noch mehr, was vielleicht erst mit leichtem Abstand auffällt. Sein leicht biederes Äußeres mag täuschen, „Zwielicht“ gehört noch zu diesen Ta-Ta-Ta-Filmen, die sich nicht nur mit dem Konfetti am Schluss entkräftet über die Ziellinie retten.
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