Review zu Rote Blüten

Von Sebastian Gaebelein @Japaniac
Der Publisher Reprodukt brachte kürzlich nach Hitler und Auf in den Heldentod einen weiteren Retro-Manga auf den deutschsprachigen Markt: Rote Blüten von Yoshiharu Tsuge.

Seit Mitte November ist der Einzelband von Yoshiharu Tsuge offiziell erhältlich. Im Format 15 × 21 cm mit Flexicover erwartet die Leserschaft ein etwa 400 Seiten dickes Taschenbuch in mühevoller - und sichtbar qualitativer - Bindung.

Handlung

Der vorliegende Band enthält insgesamt 20 Kurzgeschichten - sogenannte One-Shots - des Autors und Zeichners Yoshiharu Tsuge. Diese wurden zwischen 1966 und 1973 in der Zeitschrift Garo veröffentlicht. Reprodukt führte diese nun zusammen.

Die titelgebende Geschichte Rote Blüten ist das achte Kapitel der Kurzgeschichten-Sammlung und rückt zwei Grundschüler in den Handlungsmittelpunkt. Zum einen das Mädchen Sayako, welches nicht zur Schule gehen kann, da ihr kränklicher Vater das Familiengeschäft nicht selbstständig betreiben kann. Zum anderen den frechen und jüngeren Jungen Masaji, welcher Sayako mit den Schulaufgaben versorgt, wenn diese wieder einmal nicht am Unterricht teilnehmen kann.

Ein ortsfremder Mann beobachtet dabei für den Leser das Geschehen der beiden jungen Menschen. Mit einem multi-interpretierbaren Ende schließt die Geschichte schließlich ab und vermittelt ein Gefühl der von Tsuge intendierten Dramaturgie seiner Werke.

Die One-Shots sind relativ gemischt in ihren Themen, und erscheinen doch in ihrer inneren Struktur recht ähnlich. Ein besonderer Fokus liegt zudem auf der Darstellung Japans in den 1960er Jahren. Dieses Flair fängt Zeitzeuge Tsuge geschickt ein.

Interessierte Leser werden definitiv die Kurzgeschichten zu schätzen wissen, davon sind wir überzeugt. Deswegen vergeben wir sehr gute 8,5 Punkte.

Zeichenstil

Der Zahn der Zeit geht auch an den Illustrationen eines Manga oder der Gestaltung von Kunst überhaupt nicht vorbei - soviel sei klar. Und eben jene Zeichnungen mögen der Hauptgrund sein, weswegen das jüngere Publikum (im Allgemeinen gesprochen) nicht an Tsuges Geschichten interessiert ist.

So erinnern die einzelnen Elemente doch viel eher an eine Karrikatur als an einen Manga wie wir ihn heute kennen. Doch ist dies Fans der 60er-Jahre-Mangakultur natürlich bekannt. Diese werden schließlich hauptsächlich mit diesem Werk adressiert.

Die teils sehr großen, imposanten Zeichnungen und die strukturierte Panel-Anordnung tragen maßgeblich zu einem eher betrübten Tenor des Gesamtwerkes bei und überzeugen durch ihr in sich stimmiges Arrangement.

Wir vergeben für diesen doch stark nostalgisch-geprägten Zeichenstil 10,0 Punkte. Die Leseprobe zu Ende des Artikels zeigt einige Seiten des Werks.

Perspektive

Das Geschehen ist durch die Struktur der einzelnen Kurzgeschichten nicht auf eine Person alleinig geprägt. Der kurzfristige Charakter dieser One-Shots bietet darüber hinaus ebenfalls tendenziell eher limitierte Möglichkeiten einer gelungen Narration.

Dennoch schafft es Tsuge viele verschiedene Ausschnitte aus dem Leben seiner Figuren gelungen zu präsentieren. Die Perspektive ist dabei nicht dem Leser voraus, sondern an dessen innere Funktionalität angepasst. Die Handlungen laden zur Teilnahme am Geschehen ein und erscheinen nicht, wie so oft, distanziert von der Leserschaft.

Trotz gelegentlich notwendigem Hinterfragen der Motive der handelnden Personen, erscheinen die Geschichten in sich atmosphärisch ausgeglichen und erhalten gesamt eine Wertung von 9,5 Punkten.

Fazit

Der Titel richtet sich, wie im Verlauf dieser Rezension bereits angedeutet, tendenziell an ein erwachseneres Publikum als dies möglicherweise (heute) gängige Manga tun. Der Preis von immerhin 24 Euro ist ein weiteres Indiz für diese Behauptung. Dafür erwartet den Leser und Sammler allerdings auch ein Stück japanische Manga-Klassik auf 400 Seiten mit Flexicover in mühevoller Bindung und doppelter Cover-Veredelung des Einbandes.

Inhaltlich sollte ein eher betrüblicher, düsterer Tenor in historischen Settings erwartet werden. Der Gekiga-Manga Tsuges überzeugt insbesondere durch die in Vergessenheit geratene Kunst der Sechzigerjahre- beziehungsweise Siebzigerjahre-Manga.

Diese Rezension ist durch den Verlag Reprodukt großzügig unterstützt worden. Wir bedanken uns herzlich und möchten in diesem Zuge auf die frei einsehbare Leseprobe des Werkes auf der Website hinweisen.

Hier gibt es Rote Blüten beispielsweise als Weihnachtsgeschenk zu erwerben: