So listet dieses zunächst den Namen George Takei. Ja, jener , der den Hikaru Sulu aus der ersten Star Trek-Serie porträtierte. Doch umfasst dessen beeindruckende Biographie nicht nur eine Theater- und Schauspielkarriere, sondern auch eine Kindheit, die nicht im deutschen oder amerikanischen Geschichtsunterricht gelehrt wird.
Dieser etwaig blinde Fleck im Geschichtswissen wird durch die Graphic Novel They Called Us Enemy - Eine Kindheit im Internierungslager von George Takei und dem Team bestehend aus den Co-Autoren Justin Eisinger, Steven Scott sowie Illustratorin Harmony Becker beleuchtet.
Hierzulande publizierte jüngst Cross Cult die lobenswerte deutsche Ausgabe. Der Einzelband besticht durch das großformatige Hardcover wie eine entsprechend qualitative Bindung. Auch der Druck ist nicht zu beanstanden.
Handlung
In der vorliegenden biographischen Geschichte Takeis erzählt die Hollywood-Legende von einer Kindheit, die bereits mehr als 75 Jahre zurückliegt, doch den Jungen Amerikaner mit japanischen Wurzeln tief prägte - bis heute.
Sein Vater, geboren in Japan, ist Besitzer einer gut laufenden Textil-Reinigung. Er spricht fließend Japanisch und Englisch. Dessen Frau, Takeis Mutter, ist in Amerika geboren. Die Familie wohnt in Los Angeles mit drei Kindern. Dabei zählt sie sicherlich zu den gut situierten Haushalten in Amerika um die 1940er Jahre.
Zu dieser Zeit navigieren die großen Mächte gerade in den Zweiten Weltkrieg. Mit dem Angriff auf den US-Flottenstützpunkt Pearl Harbor Dezember 1941, durch das japanische Kaiserreich, treten die Vereinigten Staaten offiziell in den größten Krieg der Geschichte ein.
Der Kongress deklariert gegenüber Japan den Krieg. Ebenso tritt ein neues Gesetz in Kraft, das die japanischstämmige Bevölkerung unter Generalverdacht stellt. Obgleich Takeis Familie Loyalität zur amerikanischen Flagge wie den Werten des Landes verspürt, werden sie in den folgenden Jahren als Inhaftierte von der übrigen Bevölkerung isoliert.
Innerhalb weniger Monate bezieht die Familie Takei zunächst einen Pferdestall als Behausung, bevor sie in das östlichste Internierungslager deportiert werden. Bereits an dieser Stelle sind unangenehme Assoziationen beim Publikum intendiert.
Wie Vieh soll die Familie fortan - auf unbestimmte Zeit - leben. In einer engen Barracke, in einem Areal, das mittels Stacheldraht begrenzt ist. Umgeben von bewaffneten Soldaten. Gemeinsam mit mehreren Tausend anderer Vertreter ihrer Ethnie sind die Takeis ohne Information über das Folgende zu einem Leben in zwei solcher Einrichtungen gezwungen.
Trotz dessen hält Takeis Vater weiter an den Werten der demokratischen Macht fest und verteidigt seinem Sohn George gegenüber vehement die Vorteile des Systems. Wie dieser Spross der Familie die Zeit in den Internierungslagern wahrnahm, legt er in erwähnter Graphic Novel auf rund 200 Seiten dar.
An dieser Stelle sei nicht mehr der relativ unbekannten, aber sicherlich lesenswerten Biographie des heute 83-jährigen Mannes vorweggenommen. Aufgrund dessen gehen wir direkt zur Bewertung über.
Mit Blick auf die Einzigartigkeit des Werkes wie dessen Signifikanz, ist die Höchstwertung von 10,0 Punkten zu attestieren. Insbesondere die Verknüpfung von politischen mit emotionalen Aspekten wissen hierbei zu gefallen.
Zeichenstil
Die Graphic Novel ist eine Art Hybrid-Produkt. Wie ein Manga in schwarz-weißen Panels erzählt, aber in westlicher Leserichtung für das Publikum verfasst. Ob die Farbgebung Zufall oder tatsächlich Produkt beider Comic-Kulturen ist, wäre Spekulation.
Abwechslungsreich präsentiert sich das Werk in Bezug auf die Größe einzelner Figuren. Historische Persönlichkeiten wie Menschenrechts-Aktivist Dr. Martin Luther King Jr. sind entsprechend großflächig dargestellt. Ebenso diverse Politiker.
Hierbei ist unbedingt anzumerken, dass die realen Vorbilder vorzüglich getroffen werden. Gleich ob Takei, dessen Ehemann Brad oder die Präsidenten Roosevelt, Clinton und Obama. Sie alle sind unmittelbar zu identifizieren.
Somit vergeben wir 8,5 Punkte für die zweckgebundene wie atmosphärisch stimmige Visualisierung des Gesamtwerks durch Illustratorin Harmony Becker. Eine Leseprobe ist über den PPM-Vertrieb einzusehen.
Perspektive
Angenehm reflektiert berichtet Takei über seine Erinnerungen, annotiert diese durch ihm nun zugängliche Fakten und verweist zugleich darauf, dass ihn sein Gedächtnis bei Zeiten auch trügen könne.
Eingefügte Zeittafeln weisen stehts auf den aktuellen Jahrgang der präsentierten Inhalte hin. Takeis Übergänge sind dabei häufig fließend. Von der Kindheit im Internierungslager, über seine prägende Begegnung mit Dr. Martin Luther King Jr. bis zu den Ereignissen, die ihn zu Star Trek geführt haben. Seine Erfolge in Hollywood werden besprochen.
Etwaige Niederlagen werden dagegen eher geringfügig behandelt - leider. Zwar spricht Takei über Aspekte seiner jugendlichen Naivität gegenüber seinen Eltern, doch finden diese mit zunehmendem Fortschritt weniger Beachtung in der Handlung.
Das Schicksal der Mutter bleibt ebenso ungeklärt wie das seiner Geschwister Henry und Nancy Reiko. Nachdem deren Existenzen zunächst behandelt wurden, überrascht, dass heute nur wenig über diese bekannt ist. Weder innerhalb noch außerhalb des Comics.
Als Leitsatz fungiert das titelgebende „They Called Us Enemy". Es wird famos dargestellt, wie ausgewählte Gruppen innerhalb der japanischstämmigen Bevölkerung auf die Erlasse der US-Regierung reagieren.
Menschen, die in dem Land der propagierten Freiheit geboren wurden, werden plötzlich als Verräter tituliert, wie Vieh behandelt und systematisch isoliert. Takei fängt diesen Schmerz der Enttäuschung zwar ein, betont aber zugleich wie richtig und wichtig das eigentliche Demokratieverständnis Amerikas sei.
Sporadisch könnte das von Takei gezeichnete Bild von Amerika - im Gefühl der Leserschaft - zu positiv dargestellt sein. Es ist daher zu betonen, dass diese Biographie lediglich eine von 120.000 Stimmen abbildet und sicherlich keine Allgemeingültigkeit genießt.
Die dargestellten Zustände in den Internierungslagern erscheinen stellenweise ebenso beschönigt, doch könnte dies lediglich auf das junge Alter Takeis zurückzuführen sein. Möglicherweise ist dies jedoch auch den unfreiwillig, mental repräsentierten, Assoziationen zu den Kriegsverbrechen an der Menschlichkeit im Dritten Reich geschuldet.
Auf jeden Fall lädt die Graphic Novel zum aktiven Nachdenken ein, regt die eigene Empathie an und ist eine ganz besondere Biographie. Da das Gefühl der Beschönigung Amerikas und deren Handlungen sehr dominant ist, vergeben wir hinsichtlich der Perspektive lediglich 9,0 Punkte. Sollte dieser Eindruck trügen, wäre die Höchstwertung zu nennen.
George Takei - TED-Talk, 2014 in Kyoto
In dem Video gibt Takei wesentliche Inhalte von They Called Us Enemy - Eine Kindheit im Internierungslager wieder. Das Buch stellt eine erweiterte wie aktualisierte Ausgabe dar. In jedem Fall ist der Talk durchaus sehenswert.
Fazit
Das Werk ist sicherlich nicht ausschließlich, aber sehr wohl auch, für Fans der SciFi-Serie Star Trek und dessen Franchise interessant. So sind die amerikanischen Internierungslager für die japanischstämmige Bevölkerung durchaus eine Lücke in der westlichen Geschichtslehre, welche es zu füllen gilt.
Insofern ist die vorliegende Graphic Novel möglicherweise für alle Altersgruppen als pädagogisch wertvoll zu bewerten. Cross Cult ist darüber hinaus für die überaus gelungene Aufmachung des Bestsellers zu loben.
Das großformatige Hardcover sowie dessen Druck und Bindung sind von hoher Qualität und liegt gut in den Händen. Mit einem Gewicht von fast 650 Gramm ist das Buch keinesfalls zu schwer ohne Unterbrechung zu lesen.
Anzumerken ist jedoch, dass es sich bei dieser deutschen Ausgabe nicht um die im August auf Englisch erscheinende Expanded Edition des Werks handelt. Ob es diese auch nach Deutschland schaffen wird, ist gegenwärtig leider nicht bekannt.
Abschließend bedanken wir uns, neben George Takei und dessen Team für diese einzigartige Geschichte, vor allem bei Cross Cult für die Bereitstellung der Graphic Novel.