Review: #Zeitgeist ist Jason Reitmans unnötige Moralpredigt gegen die digitale Welt

Ansel Elgort als Tim Mooney und Kaitlyn Dever als Brandy Beltmeyer in Jason Reitmans

Ansel Elgort als Tim Mooney und Kaitlyn Dever als Brandy Beltmeyer in Jason Reitmans “#Zeitgeist” / alle Bilder © Paramount Pictures

Eigentlich heißt Jason Reitmans neuer Film Men, Women & Children, benannt nach dem gleichnamigen Roman von Chad Kultgen, einem zumindest in den USA kontrovers diskutierten Schriftsteller, der sich in den meisten seiner Büchern mit dem sexuellen Miteinander der Amerikaner auseinander setzt. In Deutschland ist der Film unter dem Titel #Zeitgeist gestartet, weil es hier weniger um das Miteinander, als das voneinander weg durch die Techniken des digitalen Zeitalters geht. Damit haben zumindest die deutschen Titelgeber schon einmal bewiesen, dass sie sich nur wenig in diesem Metier auskennen. Man versuche einmal den Titel via handelsübliche soziale Medien zu teilen. Muss man da nun eine Doppelraute setzen? ##Zeitgeist oder den Titel seiner Raute berauben? Ein deutscher Titel also, der so gar nicht dem Zeitgeist entspricht.

Damit zeigt man sich allerdings ebenso feinfühlig wie Jason Reitman, von dem man weitaus, weitaus besseres gewohnt ist. Man nehme sein Indy-Meisterwerk Juno, in dem er die Teenager-Schwangerschaft ad absurdum führt und mit herrlichen Zynismus Ellen Page den Weg nach Hollywood ebnet. Hier nun versammelt er hingegen all die Teenager-Schwierigkeiten, die wir in den letzten Jahrzehnten in Coming-Of-Age Filmen zu sehen bekommen haben, kombiniert sie mit inkompetenten Eltern und Kindern, mit denen wir herzlich wenig sympathisieren können. Oben drauf werden die ewigen Generationskonflikte gepackt, sowie die ebenso immer wiederkehrende stereotype Dummheit der US-Amerikaner. Das alles schieben wir nun dem Internet in die Schuhe, mit all seinen pornografischen Angeboten, mit dem sturen Blick aufs Smartphone, das die ganze Welt zu beinhalten scheint, fertig ist #Zeitgeist, ein moralisierendes Plädoyer gegen die Digitalität.

Don (Adam Sandler) und seine Ehefrau Helen (Rosemarie DeWitt) können sich kaum noch füreinander begeistern

Don (Adam Sandler) und seine Ehefrau Helen (Rosemarie DeWitt) können sich kaum noch füreinander begeistern

Ein Ehepaar, das sich am nahesten ist, wenn es abends via Tablets Scrabble spielt, dessen Sexleben allerdings recht brach liegt (wunderbar von Adam Sandler und Rosemarie DeWitt gespielt). Das ihr Sohn (Travis Tope) vor lauter Online-Pornografie keine eigene Sexualität mehr vorzuweisen hat, ist dabei nur ein weiteres Familienproblem. Eine Mutter, die vor lauter Unwissen so viel Angst vor allem entwickelt, was dort in diesen Rechnern vor sich geht, dass sie Tochter Brandy ihrem grauenhaften Kontrollwahn unterzieht (Jennifer Garner als Mutter für Kaitlyn Dever). Eine andere Mutter (Judy Greer) die mit Online-Fotos ihrer nach Aufmerksamkeit süchtigen Tochter (Olivia Crocicchia) ein wenig Geld verdienen möchte. Ein Mädchen (Elena Kampouris) das sich im Netz nach Hilfe umschaut, um sich für ihren Traumboy schlank zu hungern und ein Vater (Dean Norris), der seinen Sohn gerne wieder zurück ins Football-Team stecken würde, dieser allerdings keinerlei Interesse mehr an dem Sport zeigt, sich stattdessen in der virtuellen Realität des MMORPG Guild Wars verliert (der Sohn wird von Ansel Elgort verkörpert, der Horden von Teenagerinnen in Das Schicksal ist ein mieser Verräter zum Weinen brachte).

Der Film könnte seinem Titel durchaus gerecht werden, würde er sich nicht so deutlich gegen alles stellen, was unsere heutige Welt ausmacht. Dabei werden hier Probleme scheinbar durch das Internet und die fehlende Bereitschaft ein Face-to-Face Gespräch zu führen ins Unendliche potenziert. Das gleichzeitig auch in der sogenannten analogen Welt mehr als genug Mobbing geschieht, Druck ausgeübt wird, Erwartungen erfüllt werden wollen, scheint an dem Film etwas vorbei gegangen zu sein. Die Teenies werden als Verantwortungslos im Umgang mit Facebook, Twitter, Google und Co. gezeigt, während die Eltern größtenteils überfürsorglich und/oder schlicht unwissend dargestellt werden. Das sind die einzig beiden Positionen, die der Film zeigt. Wäre nicht eine objektivere Betrachtungsweise schön gewesen, in denen eben auch Stärken der vernetzten Welt eine Rolle gespielt hätten?

Unabhängig von der Eindimensionalität der Handlung, versteht Jason Reitman es immerhin, diese digitale Welt auf die Leinwand zu bringen. Schöne Momente der Bildgestaltung gibt es immer dann zu sehen, wenn wir in große Massen von Menschen eintauchen, von denen sich ein großer Teil gerade Online bewegt. Dann sehen wir auf der Leinwand überall kleine Chatfenster, Bildchen und Kommentare, die dieses Web nun einmal ausmachen.

Ebenso verwunderlich ist man über Adam Sandler, der mit seiner Rolle in #Zeitgeist beweist, dass er mehr als die debile Ulknudel vorzuweisen hat, die er immer und immer wieder in Filmen spielt, in denen er sich selbst in den Mittelpunkt stellen darf. Was er bereits in Punch-Drunk Love und auch Funny People zeigte, nämlich mehr als nur einen Hauch von Talent, führt er hier fort, nur leider im gänzlich falschen Film.

Alle Darsteller geben ihr Bestes, können aber die starke Moralisierung die der Film gegenüber den Tiefen des Internets entwickelt, nicht verbergen. Dass #Zeitgeist dabei nicht zu realisieren scheint, dass sämtliche Probleme die aufgezeigt werden, ein Release Date vor dem Internet besitzen, ist das schlimmste Manko das man einem Film anhaften kann, der einen Blick auf unsere aktuelle Gesellschaft werfen soll.

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