Review: WISH I WAS HERE – Jetzt sei doch endlich du selbst

Erstellt am 5. September 2014 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln

Fakten:
Wish I Was Here
USA. 2014. Regie: Zach Braff. Buch: Adam J. Braff, Zach Braff.
Mit: Zach Braff, Kate Hudson, Joey King, Mandy Patinkin, Josh Gad, Jim Parsons, Ashley Greene, Donald Faison, Pierce Gagnon, James Avery u.a. Länge: 120 Minuten. FSK: noch keine Freigabe erhalten. Ab 9. Oktober 2014 im Kino.
Story:
Aiden (Zach Braff) arbeitet als Schauspieler in Los Angeles, hat aber schon seit Jahren keinen größeren Erfolg mehr vorweisen können. Gemeinsam mit seiner Frau Sarah (Kate Hudson) und seinen Kindern Grace (Joey King) und Tucker (Pierce Gagnon) kommt er nur knapp über die Runden. Die Rechnung für die teure Privatschule zahlt sein Vater Saul (Mandy Patinkin). Als ihn eines Tages die Nachricht vom bevorstehenden Krebs-Tod seines Vaters erreicht, droht Aiden endgültig den Halt zu verlieren.


Meinung:
Wieviel Feelgood-Soße kann ein Mensch vertragen, bis ihm die Galle hochkommt? Regisseur, Autor und Hauptdarsteller Zach Braff wagt 10 Jahre nach seinem Regiedebüt 'GARDEN STATE' in die Richtung einen riskanten Versuch, der sogar mit Hilfe von Kickstarter-Kohle finanziert werden musste, auch wenn die Hälfte vom Budget schon im Sack war. Was aus den insgesamt 6 Millionen Dollar herauszuholen war, ist gar nicht mal so unbeachtlich: technisch ist alles angenehm, professionell und glatt, der Cast bietet fast durch die Bank weg einige mehr oder weniger bekannte und gut aufspielende Gesichter und die Abwechslung in den Settings ist vom Aufwand her auch nicht zu verachten, ein paar CGI-Effekte gibt es ebenso zu verbuchen. Für diese positiven Elemente muss man aber einen Film in Kauf nehmen, der seine Themen so hart und schmalzig auf die Nase und Tränendrüse drückt, dass man ihm am Liebsten in die Fresse schlagen möchte: Erfülle deine Träume! Werde stark durch deine Familie! Finde dich selbst! Sei ein Individuum! Sei aber auch gläubig! Wir sind alle sehr traurig (Original-Zitat)! Ich habe Angst! Sterben ist nicht schlimm! Wiedergutmachung! Schicksal, Karma, Liebe, Für-Sich-Selbst-Einstehen, etc., etc., etc.

 

Bitte lächeln fürs Familienalbum

Alle diese pathetischen Lebensweisheiten werden anfangs mit einer forcierten Schlagfertigkeit vorgetragen, welche den potenziellen Humor jener formelhaften Dramödie schon schnell als gestelzte Wahrhaftigkeit ausweist, bis dann allmählich jeder Charakter wie durch das Umlegen eines Schalters angesichts des nahenden Verlustes geradezu wie ein Mantra die umliegenden Broschüren verinnerlicht, sein inneres Ich findet, spirituellen Einklang in Glückskeks-Phrasen mit nachdenklichem Blick zu den Sternen verteilt und sich in Werbespot-Zeitlupen dem drollig-pseudoliberalen Spießerleben Marke 'Tut das, was ihr wollt' hingibt - ALLE MAL LACHEN, SIND WIR NICHT GLÜCKLICH?! Natürlich im launigen Wechselspiel mit tränenreicher Abschiedsstimmung, bei dem Braff im Gegenzug seinem Quasi-Autisten-Nerd-Bruder Josh Gad ironischer Weise immer Vorwürfe macht, dass er u.a. im Augenblick gerade woanders ist und sein persönliches Ding durchzieht - UNSER VATER LIEGT IM STERBEN UND DU BIST NICHT DA!!! - aber selber dauernd Ausflüge mit seinen homeschooled Kindern machen. Ganz schlimme, heuchlerische Arschloch-Selbstgefälligkeit ad maximum. Und dennoch tut der Film durchweg so lieb, so übermäßig-clever im Dialog, so lebensbejahend, so randvoll mit profunden, gleich-klingenden Indie-Balladen, die das Herz erwärmen sollen, dass man das kalte Kotzen kriegt.

Für jede Lebenslage die richtige Perücke

Und wenn das nicht schon genug wäre, biedert sich Braff auf der bestialisch-einlullenden Quest nach Sympathie (siehe auch Elmyra aus TINY TOONS) gleichsam an das Klischee-beladene Bild seiner vielen Supporter an, lässt seine Charaktere triviale Star-Trek- und Burger-Maskottchen-Fakten aufzählen, bettelt um Nostalgie mit Referenzen an Mr. Miyagi und Clips aus LeVar Burtons 'READING RAINBOW' (dessen Neuauflage ebenso erfolgreich durch Kickstarter finanziert wurde, wie es der Zufall so will) und huldigt der Geek-Kultur mit einer Rekreation des Comic-Con-Events, bei dem ein Furry-Meetcute mit einer zornigen Ashley Greene vom Anfang des Films knapp gegen Ende nochmal aufgegriffen wird, indem sie sich ohne Weiteres von Josh Gad im Spaceman-Anzug von hinten knallen lässt. Aber keine Sorge wegen irgendeiner möglichen Misogynie! Oh nein, man nehme zum Beispiel Kate Hudson - die lässt sich als supporting wife die Avancen ihres sleazigen Bürokollegen nicht gefallen, da darf Braff schließlich sogar noch ihre Ehre mit einer mutigen Konfrontation verteidigen, woraufhin der böse Mann sogar seinen Job verliert. Und siehe da: aus ihrer Uneinigkeit, was sie mit ihrem Leben anfangen soll (siehe jeden anderen Charakter im Film), wächst letztendlich die Freude am Surfen! Und auch Braffs Tochter Joey King löst sich von den indoktrinierten Regeln der früheren Privatschule ab und wird ganz sie selbst, lernt schwimmen! (Wasser = Symbol der Freiheit und so).

Ach, was sage ich da - JEDERwird er selbst und alle kommen zusammen im Angesicht des langsam am Krebs sterbenden Vaters, lernen dabei Versöhnung, den Sinn des Lebens und werden glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Für jeden Topf gibt es nun mal einen Deckel, für jeden konstruierten Gag eine künstliche Träne, für jedes Gefühl einen aufgeblasenen Song, für jeden Sonnenstrahl ein Lächeln, für jede Ungehobeltheit eine Respekterweisung, für jeden Film dieser Art eine schon längst ausgeschöpfte Formel. Das Leben ist schön, wir lieben uns, Glück und Weisheit für alle: die wohl räudigste und beleidigenste Filmerfahrung des Jahres.

2 von 10individuellen Perücken

vom Witte