Fakten:
Wir machen Musik.
D. 1942. Regie und Buch: Helmut Käutner. Mit: Ilse Werner, Viktor de Kowa, Georg Thomalla, Edith Oss, Kurt Seifert, Viktor Janson, Lotte Werkmeister, Ewald Wenck, Grethe Weiser, Karl Hannamann u.a. Länge: 85 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD erhältlich.
Story:
Im Cafe Rigoletto spielt Karl Zimmermann Klavier, weil er Geld verdienen muß. Eigentlich gehört seine ganze Leidenschaft der klassischen Musik, und eine eigene Oper ist in Arbeit. Da lernt er die Schlagersängerin Anni Pichler kennen und will sie sofort zur ernsten Musik bekehren. Doch selbst der Privatunterricht auf seiner Junggesellenbude kann sie nicht überzeugen. Trotz allem finden sich die beiden so sympathisch, dass sie nach kurzer Zeit heiraten. Beruflich geht nun jeder seinen eigenen Weg, aber zu Hause stimmt es nicht. Das Geld wird immer knapper, und Anni muss dazu verdienen. Als Karls Oper auch noch ein Reinfall wird, ist er endgültig am Boden zerstört. Da gelingt es dem Musikverleger Peter Schäfer, ihn dazu zu überreden, Annis neue Show zu instrumentieren. Die Revue wird ein grandioser Erfolg, und Anni erfährt so nebenbei, dass ihr Mann alle Arrangements geschrieben hat. In Zukunft werden sie gemeinsam Musik machen.
Meinung:
Eine wahrhaftig herrliche Screwball-Komödie liefert uns hier Helmut Käutner ab - da schießt er mit Lebenslust und Turbulenz durch die süß-romantische Geschichte von seinem musikalischen Pärchen und bringt trotz aller entspannter, ablenkender Unterhaltung noch einige subversive Elemente ins Spiel, die im Kontext zur damaligen Zeit eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit hätten sein müssen. Das fängt allein schon damit an, dass unser begabter Komponisten-Protagonist Zimmermann (Victor de Kowa) in seiner Handlungs-bildenden Erzählung der letzten, entscheidenden Jahre mit seinem künstlerischen Talent stets am Rande der Geldnot entlang schrammt, weil man ihn kaum beachtet und seinen Drang nach der künstlerisch-erfüllenden Prestige der Oper kategorisch ablehnt. Unterdrückung und Nicht-Anerkennung von Künstlern zur Zeit des dritten Reichs? Kaum vorstellbar, dass man sowas so frei ansprechen konnte - im Rahmen einer Komödie war das dem Käutner dann wohl aber doch erlaubt, erst recht da die Lösung zum Problem fortan so klar vor ihm liegt:
Der Star: Ilse Werner
Das leichtherzige Mädel mit dem fröhlichen Pfiff, Anni Pichler (Ilse Werner), das mit unbedarftem Elan in ihrer 'Spatzen'-Band flotte Liedchen zwischen Tanzmusik und Jazz trällert und dem Zimmermann ganz schön den Kopf verdreht, erst recht als er ihr Musiklehrer wird und sie zudem Privatstunden bei ihm nimmt. Äußerlich gibt er sich natürlich verhöhnend gegenüber ihrem Genre, insgeheim fühlt er sich davon aber auch deutlich angezogen, sowie auch zu ihrem weiblichen Charme. Ihre Signale sind da ohnehin unmissverständlich, kommt sie doch des Öfteren in seine Wohnung vorbei und bringt den unaufgeräumten Saustall in Ordnung. Zwischen den Beiden herrscht dabei zwar noch eine streitsüchtige Ambivalenz, doch ganz nach dem Motto 'Was sich neckt, das liebt sich' finden sie trotz schlagfertiger Ironie im Dialog zueinander - da hat der Zimmermann sich mit seiner Eifersucht doch zu sehr entlarvt, was auch für Anni gilt, die ihre potenzielle Nebenbuhlerin Monika (Grethe Weiser) gewitzt aus dem Rennen wirft. In der Musik mögen sie noch immer nicht ganz zusammenkommen: E- und U-Kunst (welche Anni anhand eines Zitat Bachs als "Gebrauchsmusik für den verliebten Alltag" wunderbar bezeichnend beschreibt) zusammen, wie soll das funktionieren?Für sich alleine mögen die beiden Genre-Vertreter nicht unbedingt den größten Erfolg haben - auch wenn die populäre Tendenz eher Annis Liedgut empfangen möchte, kann man den Lebensunterhalt damit doch nicht decken, trotz harmonischer Eheschließung. Erneut spricht man mit der Geldnot und einer ungewissen Zukunft ein bei der Reichsleitung relativ unbeliebtes Thema an, was sich auch in dem damaligen Verbot von Rolf Hansens Film 'DAS LEBEN KANN SO SCHÖN SEIN' (1938), ebenfalls mit Ilse Werner, wiederspiegelte, welcher als Drama ebenso die Lebensschwierigkeiten eines jungen Ehepaares im dritten Reich realistisch erläuterte. Derartige Befürchtungen brauchte man 'offiziell' ja gar nicht zu haben, in Käutners Lustspiel gerät diese Problematik hingegen nicht so kritisch in den Vordergrund, da die zwei Liebenden es mit Humor zu meistern verstehen - komplett in den Hintergrund wird dies aber auch nicht verdrängt. Und so muss also ein Konsens für das Fortbestehen dieser Einigung gefunden werden (was ebenso für Regisseur und Propaganda-Ministerium galt), weshalb sich die hingebungsvolle Ehefrau an ihren Verlagschef wendet, um der Oper ihres Mannes zur Veröffentlichung zu verhelfen, welche im gleichen Moment von den dekadenten Herren der Kulturbeurteilung trotz sichtbaren Talents abgelehnt wird. Ein genauer Grund wird nicht angegeben, man schlägt ihm aber zusätzlich vor, seine Fähigkeiten im Auftrag der Unterhaltungsmusik einzusetzen, was er nicht so einfach hinnehmen kann. Ebenso erschütternd wirkt bei ihm das Missverständnis, dass seine Liebste ihn mit dem Verlagschef betrügen würde, selbst wenn sie darauf pocht, ihm lediglich helfen zu wollen - selbst das trifft seinen Stolz und macht ihn rasend, weshalb sich beide erstmal trennen.
Schon damals waren Musiker die Coolsten
Auf eigene Faust verbuchen Anni und ihre Spatzen schon einige Erfolge, wirkliche Erfüllung bringt ihr das aber nicht, was einige wehmütige Sehnsuchtsballaden zur Folge hat. Schlimmer ist es da um unseren Zimmermann bestellt, der mit Müh und Not doch noch seine Oper auf die Bretter bringt, aber dennoch vom Publikum ausgepfiffen wird - nur seine Anni buhlt um Applaus, geht aber im dunklen Wust der Ablehnung unter, was sie auch beim nachfolgenden Treffen mit ihrem verbitterten Noch-Ehemann zu spüren kriegt, der kaum noch aufzumuntern ist und ihr Mitleid nicht haben will. Ist jetzt alles aus? Das kann nicht sein! So ergibt es sich, dass der berüchtigte Verlagschef dem Zimmermann eine Chance gibt und damit endlich das erfüllt, wonach man sich seit jeher sehnte: die Ergänzung von Zimmermanns Talent mit der leichtherzigen 'Trivialmusik' Annis, wenn auch unter anonymer Mitarbeit. Mit jener Verfeinerung erlebt ihre daraus resultierende Revue ein großartiges, prächtiges und verspieltes Debüt, dass einem der Hut wegfliegt und der Bart abfällt, was sich auch visuell in einer prunkvoll-reizenden Aufmachung, nicht unähnlich einer US-amerikanischen Finesse, Montage und Sensation, entsprechend äußert. Da ist auch die Verbindung der beiden Künstlerebenen in privater Liaison nicht weit entfernt und setzt zum vollends harmonischen, süßen Happy-End an.Nun schließt sich die Rahmenhandlung und das traute Pärchen präsentiert sich zufrieden vor dem Zuschauer, kriegt aber mit harter Forderung die Order zur Verdunklung, was die Beiden mehr oder weniger verschmitzt-abwertend befolgen, da ihnen ja sonst eine Anzeige droht! Wie gewagt von der Spielleitung hier nochmals einen derartig expliziten Alltagsbezug hämisch und kritisch aufzuarbeiten, dass man sich hier im sympathischen, geheimen Widerstand wiederfindet! Und wie sympathisch der Käutner das hinkriegt (womöglich als "Rache" für das Ende von seinem zuvor erschienenen 'AUF WIEDERSEHEN, FRANZISKA!'), beweist seine Inszenierung doch durchgehendes Tempo und virtuose Verspieltheit in der narrativ-elliptischen, doch durch und durch nachvollziehbaren wie auch nachfühlbaren Vermittlung seiner liebenswürdigen, sich gegenseitig öffnenden Künstler-Archetypen. Praktisch scheint da ohnehin, dass er mit den Darstellern jener Figuren einen glücklichen Fang gemacht hat, fand er mit der hier wunderbar freimütig-frech und liebenswert wirkenden Ilse Werner doch seine spätere Idealbesetzung für "La Paloma" in 'GROSSE FREIHEIT NR. 7', während er mit seinem zunächst pedantisch-erscheinenden, doch ebenso weichwerdenden Viktor De Kowa einen Verbündeten für Nachkriegswerke wie 'DES TEUFELS GENERAL' oder 'EIN MÄDCHEN AUS FLANDERN' sah.
In deren herzlichen Harmonie findet sich sodann der drittgrößte Star des Ensembles wieder: die Musik. Und da strahlt das Herz angesichts der schwungvollen Melodien und enthusiastischen Lyriken, die sich laut Zimmermann in jeder Kunstform essenziell wiederfinden lassen - genauso wie im Leben an sich, weshalb sie auch wie passgenau in erfüllender Schönheit geformt die Herzen zueinander führen. Deshalb ist Käutners Film nicht nur ein drolliges Plädoyer für die Verbindung der Schönheiten der Künste (entweder zur besinnlich-erfüllenden, oberflächlichen Unterhaltung oder eben auch zur subversiven Kritik bzw. dem inneren Widerstand, wie er es selbst hiermit geschafft hat), sondern auch eine liebevolle Vision von humaner, romantischer Einheit gegen alle Widerstände. Bravo!
7,5 von 10 Notenleitern
vom Witte