Review: WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF? - Ein Sinnbild für zwischenmenschliche Abhängigkeit

Review: WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF? - Ein Sinnbild für zwischenmenschliche Abhängigkeit
Fakten:
Wer hat Angst vor Virginia Woolf? (Who’s afraid of Virginia Woolf?)
USA. 1966. Regie: Mike Nichols. Buch: Ernest Lehman, Edward Albee Mit: Elizabeth Taylor, Richard Burton, Sandy Dennis George Segal. Länge 131 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD erhältlich.

Story:
Martha und George, ein Ehepaar welches sich mit den Jahren auseinander gelebt hat und dennoch unter einem Dach lebt, empfangen Nick und Honey, ein junges Nachbarspaar. Diese werden Zeuge, wie Martha und George, angestachelt vom Alkohol, sich ein hitziges Duell mit Provokationen, Beschuldigungen und Kränkungen liefern und Nick und Honey damit hinein ziehen.


Meinung:
In den adretten Moralvorstellungen des konservativen Idealisten; wird das Fundament für den Bund der Ehe fortlaufend die immerwährende Kraft der Liebe bleiben, die mit ihren Kompromissen und dem tonangebenden Gelübde alle Höhen und Tiefen übersteht. Eine Annullierung kommt in dieser Welt nicht infrage, unabdingbar scheint der Weg in das gemeinsame Ende zu führen – Bis dass der Tod uns scheidet. Die Ehe von Martha und George in „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ ist natürlich auch auf Liebe manifestiert, doch der gemeinsame Verlauf dieses Bündnisses über all die Jahre ist beinahe ein Gegenentwurf der arglosen Erwartungen frisch Vermählter und könnte wohl wie ein schonungsloser Affront für die verträumten Blauaugen wirken. Dabei muss man sich jedoch in erster Linie vor Augen führen – so schwer es auch scheinen mag – dass die Flamme der Ehe auch zwischen Martha und George nicht erloschen ist und die knisternde Glut wohl nie verstummt.

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Szenen die "Bauer sucht Frau" verschweigt

Man bekommt also ein Paar vorgestellt, deren Alltag aus wallenden Konflikten besteht. Die Liebe hingegen ist natürlich fortwährend gegenwärtig, sie hat sich mit den Dekaden allerdings einer Transformierung in ihrem Auftritt unterzogen und offenbart sich nicht als zärtliche Zweisamkeit, sondern durch seelische Demütigung, haltlose Aggressionen, beißenden Zynismus und ständigen Erniedrigungen des instrumentalisierten Publikums. In diesem Fall sind das die Gäste Nick und Honey, die ohne Rücksicht in den Hardcore-Rosenkrieg gerissen werden und ganz eigene Rollen dabei einnehmen - ob sie wollen oder nicht. Wer sich nun an dieser Stelle fragt, wie es zu einem so offensiven Dasein zwischen Martha und George kommen konnte, wieso sie nicht getrennte Wege anstreben und wo der Grundstein für diese Feindseligkeit liegt, der findet den Schlüssel zur dechiffrierenden Antwort in der Vergangenheit des Paares.

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Vielleicht spielten Taylor und Burton ihre eigene Ehe?

Dort gab es einen bestimmten Punkt, an dem Martha in aller Deutlichkeit klar wurde, dass sich bestimmte Träume und Sehnsüchte in der Beziehung mit George nie in dieser Form vollständig erfüllen werden, wie sie es sich Zeit ihres Lebens gewünscht hat. Die Enttäuschung ist der Knackpunkt und hat sich über die Jahre zu blankem Wut konvertiert – Wütend auf sich, wütend auf ihren Ehemann, die Lusche, den Versager. Und doch kommt auch für Martha und George eine Scheidung nie in den Bereich des Möglichen, egal in welchem Ausmaß die Provokationen und Diffamierungen auftreten. Warum? Weil die Beiden aufeinander angewiesen sind und sich in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit trotz der zugefügten Schmerzen nie trennen können. Den eigentlichen Klebstoff dieser Ehe bildet eine ideelle Vorstellung, die ebenso unerreichbar bleibt, jedoch Hand in Hand entworfen wurde. Das Ergebnis dieser Gedankenkraft? Wer sie schlussendlich einstürzen lässt, sitzt am längeren Hebel. Es bleibt – egal wie man diese Ehe dreht und wendet – immer ein Kampf um die alleinige Vormachtstellung.

„Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ ist zweifelsohne einer der wichtigsten Filme über die Ausmaße einer Beziehung, die konträr zur rosaroten Verliebtheit steht und in ihrem eigentlichen Pessimismus doch von Anfang bis Ende wahre Worte spricht. Es ist eine schreckliche Situation, die man am eigenen Leibe nicht nachvollziehen kann, und doch ist das Szenario durchgehend glaubwürdig porträtiert, undiskutabel seziert und spürbar erzählt. Ein kammerspielartiges Dialogfeuerwerk, stetig bereit zu explodieren, immer gezielt auf die psychologischen Wurzeln blickend. Aber was wäre der Film ohne seine herausragenden Darsteller, die den Film auf ihren Schultern über den steinigen Weg zum Abspann tragen und in ihrer aufopferungsvollen Performance einfach erschlagen? Wenig. Was Elizabeth Taylor und Richard Burton hier leisten ist sublime Schauspielkunst der Extraklasse. Wenn ein Debütfilm öfter die Klasse von Mike Nichols' „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ hätte, könnten wir uns vor Wunderkindern nicht mehr retten.

8,5 von 10 verbalen Machtkämpfen

von souli


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