Review: UP IN THE AIR - Der Ballast der Zwischenmenschlichkeit

Erstellt am 29. Juli 2013 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln

Fakten:
Up in the Air
USA. 2009. Regie: Jason Reitman. Buch: Jason Reitman, Sheldon Turner, Walter Kirn (Vorlage). Mit: George Clooney, Vera Farmiga, Anna Kendrick, Jason Bateman, J.K. Simmons, Sam Elliott, Steve Eastin, Melanie Lynskey, Zach Galifinakis, Tamala Jones, Danny McBride, Chris Lowell, Adam Rose u.a. Länge: 110 Minuten. FSK: Freigegeben ohne Altersbeschränkung. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.

Story:
Ryan ist 322 Tage im Jahr unterwegs. Sein Job besteht darin Leute zu feuern, wenn ihre Chefs zu feige dafür sind und er ist gut darin. Als Ryans Boss will, anspornt wegen der Empfehlung einer jungen Angestellten, den Außendienst via Webcam abhandeln lassen. Ryan sieht sein Leben in Gefahr. Er überredet seinen Boss, dass er mit seiner neuen Kollegin noch eine Tour durch die USA macht, um ihr zu zeigen, dass man Leute nicht einfach via Webcam feuern kann.


Meinung:
Wenn ein karrierefixierter Vielflieger (George Clooney als Ryan Bingham in seiner besten Rollen) allmählich realisiert, dass sein Leben nicht aus der angestrebten Souveränität in alle Bereichen besteht, dass die innerseelische Erfüllung nicht in Form des Frequent Flyer-Status kommt, sondern er in Wahrheit ein tristes, unausgeglichenes Dasein als gutbetuchter Heimatloser ohne jeden zwischenmenschlichen Kontakt führt, dann folgt die sukzessive Trennung von alten Idealen und die verspätete Akzeptanz von wirklich elementaren Dingen. „Up in the Air“ versinnbildlicht das Leben als eine Art Rucksack, der von Menschen mit belanglosen und existenziellen Utensilien wie Personen bestückt wird und im ersten Moment noch als Ballast abgestempelt werden muss, durch den sich die Riemen langsam in die Schultern schneiden. Wenn der Mensch sein Reiseziel aber erreichen möchte, wird er feststellen, dass er es ohne diesen Rucksack nicht schaffen wird, genauso wie er es nicht schaffen wird, vollkommen auf sich gestellt diesen Weg zu meistern.

Ryan hat diesmal sogar seine Familie mit dabei

Dabei glänzt „Up in the Air“ vor allem durch eine Sache: Ehrlichkeit. Wie leicht hätte sich das Drehbuch von Jason Reitman und Sheldon Turner in Trivialitäten verlaufen können und auf eine stupide RomCom-Allegorie abzielen, nur um die Frauenwelt letztlich mit George Cloones charmantem Lächeln zu beglücken. Doch hier geht es um so viel mehr. Während Ryan nicht nur sein Leben überdenken muss und sich einige Träume langsam in Luft auflösen, muss er auch feststellen, dass, wenn sich gewisse Wünsche tatsächlich erfüllen, diese auch keinen Triumph gewährleisten. Und da zeigt sich auch wieder einmal die Klasse von Jason Reitman, der, wenn alle Zahnrädchen ineinandergreifen, unfassbar menschliches Kino inszenieren und schreiben kann, ohne sich in markanten Stilelementen zu verlaufen und so einer losen Kategorisierung zum Opfer zu fallen. Während die Schale von „Up in the Air“ massenkompatibles Unterhaltungskino ohne Mehrwert oder Denkanstöße verheißen mag, erzählt der Film dem Zuschauer doch tatsächlich nur das, was ihn auch dazu verleitet, selbst auf eine Reise zu gehen.

Es sind diese Momente, in denen die Stille Überhand gewinnt, in der alle Charaktere zu verstehen glauben, wie ihr Leben zu laufen hat und wie sie ihre Pläne in die Tat umsetzen können, nur um wenige Augenblicke später bereits vom Gegenteil überzeugt zu werden. Symptomatisch ist da Szene, in der Ryan aus seinem konventionellen Käfig ausbrechen möchte, alles über den Haufen wirft, dadurch den schmerzhaftesten Stich in sein Herz zu spüren bekommt und lernt, dass er funktionelle Leitlinie verinnerlichen und in seinem Beruf der beste Mann seines Faches darstellen kann, doch Gefühlen nie mit einer systematischen Übersicht begegnen wird, sondern ihr immer unterliegen muss: Intendierte Rationalität unterliegt der spontan-euphorischen Affektivität. „Up in the Air“ will sich aber nie als bierernstes Charakter-Drama verkaufen, sondern weist in seiner Narration den charakteristischen Reitman-Humor auf, ohne sich in Plattitüden zu verlieren oder den eigentlichen Ernst der Lage verheimlichen/abmildern zu wollen. Nein, „Up in the Air“ ist großes, ganz großes Kino.

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von souli

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