Review: THIEF - DER EINZELGÄNGER – Ein letztes Mal noch

Erstellt am 13. September 2015 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln

Fakten:Thief – Der Einzelgänger (Thief)USA, 1981. Regie & Buch: Michael Mann. Mit: James Caan, Tuesday Weld, James Belushi, Robert Prosky, Willie Nelson, u.a. Länge: 124 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD erhältlich.
Story: Frank ist tagsüber ein unscheinbarer Autoverkäufer, doch nachts führt er ein Doppelleben als raffinierter Safe-Knacker. Nach einem letzten großen Coup will er sein kriminelles Leben endgültig hinter sich lassen und einer normalen, sorgenfreien Zukunft entgegen blicken.
  
Meinung: Vermutlich gibt es keinen selbsternannten Film-Fan, dem der Name Michael Mann nicht geläufig ist. Mann ist unbestritten einer der größten Stilisten unter den Hollywood-Regisseuren, welcher mit seiner unverwechselbaren Handschrift zahlreiche, aufstrebende Nachwuchs-Filmemacher inspiriert hat. So sind es vor allem die visuell bestechenden Bildkompositionen in Verbindung mit messerscharfen Schnitten und den verschiedensten Musik-Genres, die Mann stets mit Geschichten von tragisch angehauchten Figuren, die meist in kriminellen Milieus verwurzelt sind, kombiniert. Fragt man allerdings nach seinen Arbeiten, so fallen meist Titel wie "Heat" oder "Collateral". "Thief", Michael Mann´s Spielfilm-Debüt von 1981, wird dabei gerne mal übergangen und zählt allgemein zu den eher unbekannteren Werken des Regisseurs.

Das richtige Werkzeug ist die halbe Miete.

Schaut man sich den Film allerdings an, bleiben früh keine Zweifel über die Regie, denn Mann´s Stil sticht von Anfang an heraus und verleiht dem Werk eine unglaubliche Atmosphäre, die der Regisseur über edel fotografierte Bilder sowie die auffällige Musikuntermalung erzeugt. Vor allem der intensive Score von Tangerine Dream, einer deutschen Electronic-Progressive-Rock-Formation, verdichtet die jeweiligen Stimmungslagen durch schwere, überlaut eingesetzte Synthesizer-Klänge auf extreme Weise. Ein weiteres Merkmal ist auch die markante Inszenierung der nächtlichen Großstadt, deren neondurchflutete Lichtermeere und massive Hochhausfassaden auch immer ein wenig die Sehnsüchte und Träume der Figuren widerspiegelt. Mit einer spektakulären Intro-Sequenz stellt uns Mann seine Hauptfigur vor. Ein komplett wortlos durchgeführter Einbruch etabliert Frank als kalten, präzisen Spezialisten, der sich scheinbar ohne große Mühe Zugang zu gut gesicherten Safes verschaffen kann. Erst nach und nach, mit behutsam fortschreitender Laufzeit, öffnet sich diese Figur für den Zuschauer und man erfährt mehr über die Hintergründe dieses Charakters. "Thief" funktioniert dabei auf zweierlei Ebenen so großartig. Auf der einen Seite ist der Film ein geradliniger Crime-Thriller, der den zentralen Coup eines komplex angelegten Einbruchs, mitsamt obligatorisch zu knackendem Safe für Frank, in den Mittelpunkt rückt, langsam dessen Vorbereitung schildert und hierdurch die Spannung stückweise immer weiter steigert.

Manchmal zieht nur noch die harte Tour.

Auf der anderen Seite, und diese Ebene ist die noch ansprechendere, weil tiefgründigere und intelligentere, ist "Thief" außerdem ein existenzialistisches Charakter-Drama im bedrückenden Neo-Noir-Gewand, welches Frank trotz seiner kalten Fassade und seinem Image des harten Hundes, das er nach außen hin kommuniziert, als äußerst tragischen, bemitleidenswerten Charakter zeichnet. Wenn er sich in einem übereilten Gespräch vollständig einer eben erst kennengelernten Kellnerin öffnet, ihr seine gesamte Hintergrundgeschichte mitsamt Gefängnis- Vergangenheit offenbart, nur um dann beiläufig und voller Hoffnung nach ihrer Hand zu greifen und somit um ihre Liebe zu bitten, legt Mann, gemeinsam mit einem großartigen James Caan in der Hauptrolle, auf einmal völlig neue Facetten dieser Figur offen, die zunächst so abgebrüht und hart gewirkt hat. "Thief" ist neben seinem Hauptereignis, dem großen Heist, im Kern also der Kampf eines Mannes mit sich selbst, der versucht, seine kriminelle Herkunft ein für alle Mal hinter sich zu lassen und neu zu starten, wofür er aber immer wieder in alte, kriminelle Muster verfallen muss und meist erkennt, dass er seinem unausweichlichen Schicksal nur schwer entkommen kann. Durch die wohl durchdachte Struktur der Handlung läuft alles zunächst auf den großen Einbruch als Höhepunkt zu, doch die wahre Dramatik von Frank´s Geschichte, das fatale Dilemma dieses Mannes, wird erst ganz am Ende deutlich, wenn er in der Schlussszene zu einem Spaziergang durch das nächtliche Chicago aufbricht, bei dem nichts mehr so ist, wie es bestimmt war.
"Thief" ist somit nicht nur die große Geburtsstunde eines stilistisch wegweisenden Regisseurs, sondern bereits ein unheimlich stilbewusstes, atmosphärisches und zudem inhaltlich ausgeklügeltes Spielfilm-Debüt, in dem sich sämtliche Motive und Stilistiken wiederfinden, welche Mann´s gesamtes Schaffen durchziehen. Wie inspirierend "Thief" auch Jahrzehnte nach seinem Erscheinen immer noch ist, lässt sich beispielsweise in der jüngeren Filmgeschichte bei Nicolas Winding Refn´s von aller Welt abgefeiertem "Drive" beobachten, denn in diesem Film lässt sich auffällig viel DNA aus "Thief" wiederfinden.
8,5 von 10 souverän durchgeführte Einbrüche
von Pat