Review: THE WALK – Balanceakt oder Absturz?

Erstellt am 7. November 2015 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln

Fakten:
The Walk
USA, 2015. Regie: Robert Zemeckis. Buch: Robert Zemeckis & Christopher Browne. Mit: Joseph Gordon-Levitt, Ben Kingsley, Charlotte Le Bon, Ben Schwartz, James Badge Dale u.a. Länge: 123 Minuten. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. Im Kino.

Story:
„The Walk“ erzählt die wahre Geschichte von Philippe Petit, der im August 1974 zwischen den Türmen des World Trade Centers einen illegalen und waghalsigen Drahtseilakt vollführt hat. Er behandelt dabei die unterschiedlichen Kapitel seines Lebens und begleitet Philippe und seine Freunde während dem gefährlichen Unterfangen.

Meinung:
Obwohl „The Walk“ von Kritikern und Publikum gleichermaßen positiv aufgenommen wurde, hält sich das allgemeine Interesse doch in Grenzen. So spielte der Film an seinem Eröffnungswochenende gerade einmal 1,5 Millionen Dollar ein und schaffte es innerhalb eines Monats in den USA gerade einmal auf gut 10 Millionen Dollar, was weniger als ein Drittel seines Budgets entspricht. Das ist insofern erstaunlich, da es sich sowohl bei Regisseur als auch bei den Darstellern um Publikumslieblinge handelt und das Thema gerade in den USA ein verhältnismäßig großes Ereignis war. Vermutlich ist es noch immer die Trauer um die Zwillingstürme, die viele Amerikaner von den Kinos fernhält, anders lässt sich der finanzielle Flop nicht wirklich erklären.

Phillipe macht ernst

Den deutschen Zuschauer lässt das wohl alles relativ kalt. Weder die Zwillingstürme noch die Geschichte von Philippe Petit erzeugen auch nur ansatzweise so viel Berührungspunkte wie mit einem amerikanischen Zuschauer. Dennoch hat „The Walk“ auch seinen Reiz für Nichtamerikaner. Robert Zemeckis ist dabei der Name der die Zuschauer ins Kino treibt. Und wenn man ihn nicht als Robert Zemeckis kennt dann lockt der Regisseur von „Zurück in die Zukunft“, „Forrest Gump“ und „Cast Away“. Ebenjener, der es schafft eine riesige Portion Hollywood-Kitsch in wahre Kinomagie zu verwandeln, in Filme, die einfach nur sympathisch sind. Auch „The Walk“ hat das Herz am richtigen Fleck. Der Film ist nett, aber leider wird auch Zemeckis immer älter und schafft es nicht mehr zu Gänze die kitschigen Momente zu überspielen. Wenn der Protagonist auf dem Drahtseil eine mystische Begegnung mit einem Raubvogel hat dann ist das nicht etwa eine herrliche Entrückung in eine andere Welt, sondern schlichtweg seltsam. Von Momenten wie diesem ist „The Walk“ vollgestopft, mal funktionieren sie besser, mal schlechter und oft lassen sie den Zuschauer etwas ratlos zurück.

Alles eine Frage des Plans

Es gelingt dem Film wirklich gut die Faszination Petits an seiner Leidenschaft zu erklären und dadurch auch auf den Zuschauer zu übertragen, Gordon-Levitt mimt den Franzosen trotz nervigem Akzent dabei sehr überzeugend. Leider hat der Film mit einigen Problemen zu kämpfen, die sich fast alle auf die zugrundeliegende Geschichte zurückführen lassen. Nicht jedes Ereignis eignet sich für einen Film und gerade wenn man versucht nah an der realen Vorlage zu bleiben läuft oft nicht alles glatt. „The Walk“ fällt dabei klar in die Kategorie von Geschichten, die man besser in einer Dokumentation als in einem Spielfilm erzählen sollte, in diesem Fall gibt es diese Doku sogar schon in Form von „Man on Wire“. Gerade bei „The Walk“ kann das Finale einfach keine wirkliche Spannung aufbauen, trotz starker Inszenierung weiß der Zuschauer einfach, dass es Philippe Petit unbeschadet schafft. Außerdem wird der Moment am Drahtseil zu sehr ausgereizt. Was am Anfang noch ein wirkungsvolles Schwindelgefühl erzeugt verschwindet spätestens nachdem er zwei Mal hin und hergegangen ist, aber zu diesem Zeitpunkt dauert der Akt halt noch zehn Minuten.

Trotz der größtenteils negativen Worte handelt es sich bei „The Walk“ um keinen schlechten Film. Er ist solide inszeniert, gut gespielt und auf eine kurzweilige Art auch stellenweise wirklich unterhaltsam. Gleichermaßen ist er aber auch vollgepackt mit seltsamen Momenten und präsentiert teilweise auch zu viel Leerlauf. Es hätte dem Film sicherlich geholfen die ein oder andere Szene zu streichen und dafür an anderer Stelle etwas mehr zu zeigen. So ist „The Walk“ aber nur ein durchschnittliches Kinovergnügen, dass sich irgendwo im Mittelfeld der breiten Filmwelt einordnet.

5 von 10 gespannten Drahtseilen

von Vitellone