Story:Eine seltsame Krankheit macht sich breit in dem kleinen Dorf in Südkorea. Menschen zerfleischen sich gegenseitig, haben seltsame Blasen auf der Haut und verfallen dem Wahn. Der etwas trottelige Polizist Jong-Goo soll Gerüchten auf den Grund gehen und stößt an seine Grenzen, als seine eigene Tochter ebenfalls betroffen ist. Alsbald deckt sich mehr auf, als irgendein Mensch je wissen wollte.
Meinung:
Schon seit einigen Jahren ist Südkorea der neuentdeckte Markt für knallharte Action, kompromisslose Genrefilme und ungezügelte Thrillerkost. Von einem Geheimtipp kann man mittlerweile gar nicht mehr sprechen, haben einige der erfolgreichsten Regisseure doch bereits weltweiten Ruhm erlangt und in den vergangenen Jahren auch Hollywoodprojekte realisiert. Dennoch handelt es sich bei den Filmen, die es auf unseren westlichen Markt schaffen meistens um Kollaborationen der gleichen Ansammlung an Akteuren und Regisseuren. Abseits davon ist es um die Veröffentlichungspolitik jedoch deutlich schwieriger bestellt und so muss ein Film wie The Wailing auch nach lobender Festivalteilnahme auf einen deutschen Release warten – und das obwohl sein Regisseur Na Hong-jin bereits zwei bekanntere Vertreter dieses neuen Kinos abgeliefert hat.
Schlechtes Wetter steht auf der Tagesordnung
The Wailing beginnt ruhig, geradezu bedächtig fängt er ein optisch beeindruckendes Landschaftspanorama ein und präsentiert daraufhin einen älteren Mann beim entspannten Angeln. So friedlich und unbeschwert soll es in den darauffolgenden zweieinhalb Stunden freilich nicht mehr zugehen, denn schon im nächsten Augenblick wird unser Protagonist Jeon Jong-gu in den frühen Morgenstunden geweckt und als Polizist zum Tatort eines grausamen Verbrechens beordert. Der blutige Mord an einer kompletten Familie und der mit seltsamen Auswüchsen bedeckte Täter sind jedoch nur der Anfang eines blutrünstigen Abstrusitätenkabinetts, welches zusehends die komplette Kleinstadt in Beschlag nimmt. Der Wahnsinn hält Einzug und die Bewohner sind ratlos. Auch der ohnehin etwas tollpatschige Jeon und seine Kollegen kommen bei den Ermittlungen nicht recht weit und sitzen eher ihre Zeit ab als wirkliche Nachforschungen anzustreben. The Wailing lässt sich einiges an Zeit, bevor er seinen Konflikt zuspitzt, verdichtet währenddessen jedoch gekonnt seine Atmosphäre und erzeugt Spannung, indem er die verfluchte Stadt weiter in den Abgrund reißt. Von persönlichen Motiven angetrieben muss auch Jeon seine Grenzen überschreiten, bevor er das Schicksal seiner Familie in dem emotional äußerst wirkungsvollen Schlussakt selbst in der Hand hat.Besser draußen bleiben!
Für manche Zuschauer dürfte The Wailing durchaus zu einer Geduldsprobe verkommen, erzählt er seine Geschichte doch keinesfalls pointiert und direkt, sondern schweift immer wieder ab um sich in atmosphärischer Tristesse dem Leid und der Verwirrung seiner Figuren zu widmen. Dabei reichert der Film seine Erzählung früh mit religiöser Symbolik an, die sich größtenteils jedoch erst nach dem Ende erschließt und zuvor reichlich nebulös zur allgemeinen Verunsicherung beiträgt. Über weite Strecken ist man der Hauptfigur gleich im schieren Wahnsinn der Situation gefangen ohne dabei einen wirklichen Ausweg zu erkennen und so gilt es fröhlich im Dunkeln zu tappen, bis man irgendwann das Licht am Horizont erblickt. Das liegt wohl auch daran, dass sich der dritte Film von Na Hong-jin nur bedingt an dramaturgische Konzepte und bewährte Elemente hält und somit im Laufe des Films vieles offenbleibt. Somit ist The Wailing wohl gerade für Genrekenner interessant, weil bekannte Stereotypen immer wieder von neuartigen Seiten betrachtet und damit beinahe subversiv montiert werden.Selbst wenn man die ohnehin grundverschiedenen Sehgewohnheiten außenvorlässt, ist The Wailing immer noch ein sehr eigensinniger und andersartiger Film. Als düsteres Potpourri bedient er zahlreiche Elemente des Dramas, sowie des Horror-, Mystery- und Thrillergenres, gibt sich jedoch nicht mit den typischen Mustern zufrieden, sondern denkt viele Aspekte auf interessante Weiße um. Lange tappt man als Zuschauer ebenso wie der tollpatschige Protagonist im Dunkeln, ehe sich gegen Ende alle Fäden vereinen und die bisherigen Geschehnissen in einem anderen Licht beleuchtet werden. Erst dann offenbart The Wailing seine inhaltliche Raffinesse, ebenso wie einen Bezug zu weltlichen Geschehnissen, was ihm final noch eine deutlich stärkere Tragkraft verleiht.
8 von 10 mysteriösen Morden