Review: THE SALTON SEA – Identitätsverlust als Racheakt

Review: THE SALTON SEA – Identitätsverlust als Racheakt
Fakten:
The Salton Sea
USA. 2002. Regie: D.J. Caruso. Buch: Tony Gayton. Mit: Val Kilmer, Vincent D’Onofrio, Adam Goldberg, Luiz Guzman, Doug Hutchinson, Glenn Plummer, Anthony LaPaglia, Peter Sarsgaard, Deborah Kara Unger, Meat Loaf, Chandras West, Shalom Harlow u.a. Länge: 100 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD erhältlich.

Story:
Jazzmusiker Danny muss mitansehen wie zwei Killer seine Frau ermorden. Getrieben von Schuld- und Rachegefühlen, gibt er sich ganz den Drogen hin und versackt in der Unterwelt von Los Angeles. Danny erkennt, dass er einen Ausweg aus dieser Hölle finden muss. Ein lukrativer Drogendeal, mit dem er das ganz große Geld machen kann, kommt da sehr gelegen. Doch so gerät Danny auch in Personenkreise, die sein Leben nicht gerade sicherer machen.


Meinung:
Über einem jeden Film, der sich dem altbewährten Rache-Motiv bekräftigt, kursiert eine alles entscheidende Frage: Wie weit ist man bereit zu gehen, um seine Rache zu vollstrecken? Entscheidend ist diese Frage deshalb, weil sie die Essenz dieses menschlichen Bedürfnisses bündelt und einem Filmprojekt immer geradewegs in das Gesicht blickt. Nun ist aber nicht immer direkt gesagt, dass ein Rache-Film seine Sujet durchaus reflektiert behandelt. Er könnte sich auch in reaktionäre Untiefen schleusen und die Vergeltung ganz alttestamentarisch verüben. Für einen Genre-Streich ein durchaus legitimer Weg und in (trotzdem) charmanten 1980er Jahre-Vehikeln Gang und Gäbe, nimmt sich das Werk allerdings ernst und möchte etwas mittels seiner visualisierten Gewalt vermitteln – Dessen Faszination man damit also auch erlegen ist -, dann blicken wir mal wieder in den abgründigen Rausch der ideologischen Verstrahlung. Von „96 Hours“ über „Ein Mann sieht rot“ bis „I Saw the Devil“: Inhaltlich lassen sich Filme dieser Art immer in konkrete Etappen ihrer Bedenklichkeit eingliedern.

Review: THE SALTON SEA – Identitätsverlust als Racheakt

Hin- und hergerissen: Danny

„The Salton Sea“ ist ebenfalls Rache-Thriller, wie er auch das Drama-Segment dieser Fasson wirkungsvoll zu bedienen weiß. Es ist die eingangs erwähnte Frage, die „The Salton Sea“ von Minute zu Minute deutlicher formuliert: Wie weit ist ein Mensch bereit zu gehen, um sein Verlangen nach Rache zu stillen? Doch geht der Film letzten Endes sogar noch einen Schritt weiter, in dem er indirekt und reflexiv das Wort an den Zuschauer höchstpersönlich richtet: Wie weit würdest DU gehen, um einen geliebten Menschen zu rächen? Wie steinig wäre der Pfad, wie steinig dürfte der Pfad sein, der an seinem Ende eine Katharsis bereithalten würde? Danny Parker, der Protagonisten von „The Salton Sea“, hat sogar den persönlichen Identitätsverlust in Kauf genommen und wurde zu einem anderen Menschen. Gespielt wird dieser Danny Parker von einem mit Tattoos übersäten Val Kilmer („Spartan“), der hier einen seiner letzten wirklich überzeugenden Auftritte vorzulegen hat, bevor er sich auf der Karriereleiter mit Siebenmeilenstiefel abwärts bewegte.

Review: THE SALTON SEA – Identitätsverlust als Racheakt

D'Onofrio hat den richtigen Riecher

Hier, in einer Doppelrolle quasi, schafft er es glaubhaft, seinen anfangs verlottert wirkenden Charakter weitreichend aus dem emotionalen Fundus seiner individuellen Tragik schöpfen zu lassen und ihn nicht nur vage zu konturieren, sondern durchaus präzise zu akzentuieren. Aber allgemein ist „The Salton Sea“ mit einem tollen Ensemble gesegnet: Da wäre Peter Sarsgaard („Lovelace“) als sein loyaler Junkie-Kumpel Jimmy Finn, der für Nebenrollen prädestinierte Luis Guzmán („Boogie Nights“) und nicht zuletzt Vincent D'Onofrio („Full Metal Jacket“), der als abstoßender Pooh, der Bär eine wahrlich erinnerungswürdige Performance ablegt. Aber nicht nur der Kamera wird geglänzt. D. J. Caruso, der mit „Disturbia“ ein unfassbar müdes „Das Fenster zum Hof“-Neuauflage abgeliefert hat und seinem Spionage-Thriller „Eagle Eye“ optisch vollkommen übersättigte, zeigt mit „The Salton Sea“ inszenatorisch seine wohl stärkste Leistung. Während das Drehbuch von Tony Gayton nämlich ein reinster Hybrid ist, oszillierend zwischen Charakter-Drama, Drogen- und Milieustudie (Ein Gespräch über das synthetische Halluzinogen Methamphetamin ist sein „Breaking Bad“ ja eh salonfähig) und Rache- und Korruptions-Thriller, setzt Caruso jeden Teilbereich adäquat in Szene.

Ob in ausgeglichenen Einstellungen, Farbfiltern oder mit die Realität (oder die Illusion dieser) entfremdenden Zeitraffern: „The Salton Sea“ ist auch ein Film, der sensorische Reize bedient, der seinen thematischen Fäden zwar nicht immer unter einen passenden Hut bringt, gerne auch mal abschweift (Heist-Szene), sich aber immer ambitioniert gibt und dem Zuschauer durchaus etwas liefern möchte, was ihn im besten Fall zum Nachdenken anregen könnte. In „The Salton Sea“ ist es der Punkt, an dem sich Danny Parker nach seinem wahren Ich fragt, aber keine Antwort weiß, die den Zuschauer beschäftigt. Nicht, weil uns genau diese Frage beschäftigt. Es ist viel interessanter zu wissen, wie das Leben des Danny Parker aussehen soll, wenn er seinen Plan in die Tat umgesetzt hat? Wenn er endlich ein Kapitel abschließen kann, für das er schon Jahre zuvor einmal alles aufgegeben hat. Wird es ein neues Kapitel geben?

6,5 von 10 Schalen Cornflakes mit Gehirn

von souli

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