Review: THE IMPOSSIBLE - Wenn die Stars im manipulativen Grauen nach Mitgefühl flehen

Review: THE IMPOSSIBLE - Wenn die Stars im manipulativen Grauen nach Mitgefühl flehen
Fakten:
The Impossible
USA/ES. 2012. Regie: Juan Antonio Bayona. Buch: Sergio G. Sánchez.  Mit: Naomi Watts, Ewan McGregor, Tom Holland, Oaklee Pendergast, Samuel Joslin, Geraldine Chaplin, Marta Etura, Sönke Möhring, Johan Sundberg u.a. Länge: 114 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Ab 18. Juni auf DVD und Blu-ray erhältlich.

Story:
Eigentlich wollten Maria und Henry mit ihren drei Söhnen das Jahr entspannt am thailändischen Strand ausklingen lassen. Weihnachten am Meer – Was gibt es schöneres? Der angestrebte Seelenfrieden im Paradies wird jedoch schlagartig zu einem Marsch durch die Hölle, denn als die noble Hotelanlage in Phuket von einer monströsen Welle heimgesucht wird, bleiben nur noch Trümmer von der einstigen Urlaubsidylle übrig. Maria schafft es jedoch mit ihrem ältesten Sohn Lucas zusammenzubleiben und die beiden machen sich zusammen im Landesinneren  auf die Suche nach Henry und den anderen zwei Söhnen, während Henry ebenfalls überlebt hat und sich mit letzten Kräften aufrafft um ebenfalls nach seiner Familie zu suchen…


Meinung:
Es sind Bilder, die sich wie der schreckliche Anschlag des 11. Septembers auf die World Trade Center ins Gedächtnis gebrannt haben: Eine riesige Welle donnert am 26. Dezember 2004 gnadenlos auf die Ferienressorts der Küste Thailands ein und reißt alles mit sich, was sich ihr in den Weg stellt. Dank erstaunlich standhafter Handkameraaufnahmen der Touristen gingen die schrecklichen Aufnahmen durch die Weltpresse und kursierten noch wochenlang in sämtlichen Internetforen. Was blieb war ein Anblick der Zerstörung und schätzungsweise 700.000 Menschen fanden ihren Tod, während 78.000 bis heute vermisst werden und ganze 1,7 Millionen Küstenbewohner rund um den Indischen Ozean ihr gesamtes Hab und Gut verloren und zu Obdachlosen wurden. Bei derartigen Katastrophen wird mit aller Kraft deutlich, dass der Mensch der Natur rein gar nichts entgegenzubringen hat und ihr fortwährend hilflos unterlegen sein wird.

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Es gibt kein Entkommen

Wenn es also zu einem solchen Desaster kommt, in dem unzähligen Menschen innerhalb weniger Minuten alles entrissen werden kann, dauert es nicht lange, bis die Traumfabrik ihre Fühler nach dem Stoff ausstreckt, um ihn mit großem Getöse auf die Leinwände in aller Welt zu projizieren. Auserkoren um das Projekt in die Tat umzusetzen wurde der Spanier Juan Antonio Bayona, der im Vorfeld einzig durch seine Regiearbeit bei dem nostalgischen wie kommerziell erfolgreichen Gruselfilm „Das Waisenhaus“ eine gewisse Aufmerksamkeit erlangen konnte, die den Sprung in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten lizenzierte. Ein Film über den durch ein enormes Erdbeben im Indischen Ozean ausgelösten Tsunami in Südostasien hätte durchaus ein Recht auf seine filmische Verwirklichung gehabt, wenn die Beteiligten sich zuvor zum Ziel gesetzt hätten dem verheerenden  Unglück einen umfassenden Charakter in der Spannweite des menschlichen Schmerzes zu verleihen.  „The Impossible“ hingegen ist standardisierte Hollywoodkost und stimmt das unreelle Musikstück auf der Manipulationsklaviatur ohne jedwede Weitsicht schamlos an.
Juan Antonio Bayona soll von der realen Geschichte der spanischen Familie Belons, die im Abspann noch einmal ehrenvoll erwähnt werden, so begeistert gewesen sein, dass er ihre Geschichte ohne langes Überlegen direkt verfilmen wollte. Die finanziellen Räume für den Film waren im spanischen Heimatland nur nicht in der Form möglich, wie es Bayona gerne hätte und „The Impossible“ konnte nur als internationale Co-Produktion umgesetzt werden, wenn die Sprache sowohl Englisch ist und die Hauptdarsteller durch namhaften Popularität glänzen.  Und in diesem Punkte hat „The Impossible“ auch seine große Stärke zu bieten, denn mit zwei Naomi Watts und Ewan Mcgregor konnten zwei Schauspieler engagiert werden, deren qualitatives Kaliber inzwischen vollkommen außer Frage steht. Obwohl sich die sowohl Watts, als auch McGregor hin und wieder in der Spur des überzogenen Overacting verirren, wissen die Weltstars natürlich wie sie hochemotionale Augenblicke ausreizen und entfalten. Es ist eine Tatsache, dass der Film ohne diese Leistungen wirklich vollkommen verdient in der Versenkung landen hätte müssen. Tom Holland als ältester Sohn Lucas bekommt zwar die vorrangigste Rolle im Trio der Kinder, macht seine Sache dabei auch weitestgehend solide, doch die schauspielerische Unerfahrenheit lässt sich so manches Mal nicht verbergen.

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Familienzusammenkunft in der Hölle

Es ist ein altbekanntes Problem der Filmgeschichte, welches sich über die gesamte Laufzeit despektierlich in „The Impossible“ reflektiert: Anstatt dem Werk einen universellen Anstrich zu verleihen, der die gesamte Tragik der Lage resorbiert, wird der Fokus auf ein einzelnes Familienschicksal gelenkt, um den Zuschauer so die nötige Identifikationsfläche zu bieten, der wahrheitsgetreuem Ausführung, mit dem Blick auf die Einwohner Südostasiens, in diesem Fall speziell die der Thailänder, so aber konsequent widersagt. Dabei lässt sich vor allem auch in äußerst fragwürdiger Skizzierung erkennen, dass Bayonas Adhäsion für grundlegende Horror- und Thrillerattribute, die in ihrer Kalibrierung vollkommen am Thema vorbei schliddern. Nicht ohne Grund wurde „The Impossible“ von negativen Pressestimmen zur verlogenen Elendspornographie degradiert, und im Kern ist diese harsche Wortwahl nicht wirklich unangebracht. Das Ende des ganzen Schlamassels ist hier nun mal Grund genug dafür: Anstatt der Problemzone und seiner Bevölkerung die nötige Aufmerksamkeit zu schenken, darf die europäische Familie wieder in die Heimat und lässt Thailand hinter sich. Glück auf.

Es wird also eine eingleisige Ausgangslage in Windeseile erstellt, die den Zuschauer in den familiären Kosmos einbaut, um ihn im weiteren Verlauf für besagte Affirmationen von Handlungen und Darstellungen in diesem Kreis zu bekräftigen. Wenn man sich die sensationsgeile Inszenierung  von „The Impossible“ anschaut – und dafür muss man nicht mal bis in die Tiefen der Materie eintauchen  – ist das  exploitative Grundrezept in ihrer Motivation unverkennbar. Es gibt hier eigentlich nur eine europäische Familie, die sich durch das furchtbare Grauen bewegt und Bayona nutzt die realen Geschehnisse als Abstellfläche für überzogene wie unheimlich reißerische Fragmente der Verzweiflung. Da dürfen Hautfetzen von den Knochen hängen und das Blut durch die zerstörte Gegend spritzen. Darüber hinaus ist es Bayona aber genauso wichtig die Szenen durch Suspense-Elemente aufzumöbeln und jede noch so kleine Regung als aufdringliche Hochspannungsmodifikation zu visualisieren. Bayona sucht den Zuschauer durchgehend, will ihn natürlich ohne Rücksicht auf Verluste zum Mitgefühl zwingen und durch deplatzierte, kitschtriefende und geschmacklose Bruchstücke ins nägelknabbernde Staunen versetzen. Mit der Realität hat das nichts mehr zu tun, selbst wenn der Film zu Anfang die Textzeile „True Story“ gleich zweimal einblendet.

2 von 10 Nippelblitzern im thailändischen Elend

von souli


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