Review: THE GREEN MILE - Gut und Böse im Todestrakt

Erstellt am 2. Januar 2014 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln



Fakten:
The Green Mile
USA. 1999. Regie und Buch: Frank Darabont. Mit: Tom Hanks, Michael Clarke Duncan, Barry Pepper, Sam Rockwell, Doug Hutchison, David Morse, Bonnie Hunt, James Cromwell, Michael Jeter, Graham Greene, Patricia Clarkson, Harry Dean Stanton u.a. Länge: 181 Minuten. FSK: Ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-Ray erhältlich.
Story:
Zu Beginn der 30er Jahre ist Paul Edgecomb Oberaufseher in Block E, dem Todestrakt des Gefängnisses in Georgia. Er versucht mit einer Mischung aus Routine und Umsichtigkeit seinen Beruf auszuüben und die zum Tode verurteilten Insassen angemessen auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Als aber der hühnenhafte Schwarze John Coffey überstellt wird, sollten sich Edgecombs und das Leben aller Angestellten enorm verändern.
Meinung:
Frank Darabont hat bewiesen, dass er große Filme machen kann. Mit dem Gefängnisdrama „Die Verurteilten“ nach dem gleichnamigen Roman von Stephen King ist ihm ein Meilenstein der Filmgeschichte gelungen. Und wahrscheinlich hat er sich gedacht: Das versuche ich noch einmal. Mit „The Green Mile“ hat Darabont auch eine weitere King-Geschichte gefunden, die im Gefängnismilieu angesiedelt ist. Diesmal allerdings im Todestrakt, der letzten oder hier eben grünen Meile. Im Zentrum des Films stehen Paul Edgecomb (Tom Hanks) und sein Team von Gefängniswärtern, die für die Insassen des Todestraktes verantwortlich sind. Alles scheint seinem normalen Lauf zu gehen, doch das Eintreffen des angeblichen Kindsmörders John Coffey sollte das Leben sowohl der Insassen als auch der Aufseher und deren nahestehenden Menschen auf unglaubliche Weise verändern.

Obwohl er wie ein Preisboxer aussieht...

Inszeniert wird dieses Drama mit Fantasyelementen ohne große Besonderheiten. Solide, wenn man so will. Eingerahmt wird die Story von einer Rahmenhandlung im Jahr 1998, von der aus in die dreißiger Jahre zurückgeblendet wird. Und die eigentliche Geschichte, die ist weder besonders realistisch, noch überaus ausgefeilt. Was den Film wirklich besonders macht, das sind die vielen kleinen Nebenplots, die Details, die mit viel Liebe und Witz umgesetzt wurden. Besonders präsent sind auch zahlreiche interessante Themen wie Rassismus, Vetternwirtschaft, Freundschaft und Vertrauen, genauso wie Religion. Das alles wird allerdings oft nur angedeutet oder sehr oberflächlich abgehandelt. Und der Aspekt der Religion, der ist zudem leider noch extrem unglaubwürdig eingebracht. Hier wäre durchaus mehr Tiefe wünschenswert gewesen. Dennoch weiß der Film mit seinem historischen Setting, nämlich den USA der 30er Jahre, seinen entsprechenden Kostümen, den Kulissen und der Musik ein rundes Gesamtpaket zu entwickeln, das die lange Laufzeit von drei Stunden wie im Flug vergehen lässt und den Zuschauer fesseln kann.

...scheint John Coffey ein Heiliger zu sein.

Auch mit seinen Darstellern schafft er das. Es ist zwar nicht unbedingt der gute, aber keineswegs herausragende Hauptdarsteller Tom Hanks, der die Zuschauer hier begeistern könnte und ihnen Identifikationspotential bietet, nein, es sind die hervorragend aufgelegten Nebendarsteller, bis in die kleinste Nebenrolle mit bekannten Gesichtern besetzt. Besonders stark in ihren Darstellungen hervorzuheben sind wohl Sam Rockwell als durchgedrehter, unberechenbarer Gefängnisinsasse „Billy the Kid“, Doug Hutchison als verweichlichter und trotzdem abgrundtief böser Aufseher und natürlich der zu früh verstorbene Michael Clarke Duncan als sanfter Riese John Coffey. Für Duncan, der auch für einen Oscar nominiert wurde, bedeutete dies seinen endgültigen Durchbruch als Schauspieler. Aber eigentlich bieten alle Figuren im Film genügend Projektionsfläche für Gefühle. Für Hass, für Liebe, für Trauer oder für Hoffnung.
Natürlich merkt man dem Film ab der ersten Minute an, dass er typische Oscarware ist, dass es sein oberstes Ziel ist, den begehrten Goldjungen einzuheimsen. Ständig springt es den Zuschauern regelrecht ins Auge, dass der Film ihnen vorschreiben will, was sie zu fühlen haben. Sicherlich mag sich der ein oder andere daran stören, das bedeutet aber noch lange nicht, dass es nicht trotzdem funktioniert. Die Frage, die sich hier stellt, ist nicht, ob das gut oder schlecht ist, was der Film macht, sondern einzig und allein, ob man es zulassen will. Ob der Zuschauer dazu bereit ist, am Geschehen und an den verschiedenen Schicksalen Anteil zu nehmen. Wenn man dies nicht zulassen will oder kann, dann wird man bei diesem Film so gut wie nichts mehr haben, was einem Spaß macht oder bewegen kann. Dann wird sich der Film wahrscheinlich sehr ziehen und schon sehr schnell einfach nerven. Wenn man sich aber auf die Gefühle einlässt, dann ist „The Green Mile“ hochemotionales Gefühlskino, bei dem man lachen und weinen kann, bei dem man mal sauer ist, dann aber wieder hofft und bangt. Ich lass es zumindest gerne zu.

8 von 10 Zirkuszelte in der Mäusestadt