The Descendants – Familie und andere AngelegenheitenUSA. 2011. Regie: Alexander Payne. Buch: Jim Rash, Nat Faxon, Alexander Payne. Mit: George Clooney, Shailene Woodley, Judy Greer, Beau Bridges, Matthew Lillard, Robert Forster, Amara Miller, nick Krause, Patricia Hastie u.a. Länge: 115 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Der hawaiianische Geschäftsmann und Familienvater Matt King soll entscheiden, ob und an wen ein bislang unberührtes Stück Land verkauft werden soll. Allerdings hat er viel wichtigere Sorgen: Seine von ihm entfremdete Frau liegt nach einem Bootsunfall im Koma, und Matt erfährt, dass sie eine Affäre hatte und ihn verlassen wollte. Als ihm die Ärzte mitteilen, dass sie nicht mehr aus dem Koma erwachen wird, macht Matt sich mit seinen beiden Töchtern auf die Suche nach dem Liebhaber.
Der von George Clooney („Monuments Man – Ungewöhnliche Helden“) gespielte Anwalt Matt King hat durchaus Recht damit, wenn er sagt, dass Hawaii im kollektiven Bewusstsein der Außenwelt beinahe ausschließlich als sonnendurchflutetes Paradies zu existieren scheint: Türkisblaues Meer, eiskalte Cocktails unter Palmen und idyllische Küsten, die durch ihre wie reingewaschenen Sandstrände vehement darum flehen, den eigenen Lebensabend doch genau hier zu verbringen. Was Alexander Payne („About Schmidt“, „Sideways“) mit „The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten“ in einer gut 120-minütigen Laufzeit verdeutlicht, ist, dass Hawaii mit Sicherheit immer einen Urlaub wert sein mag, die hiesigen Insulaner aber genauso wenig vor der Unergründlichkeit des Lebens gefeit sind, wie auch die Menschen an anderen Orten der Welt. Das mag als Aussage nun etwas dünn erscheinen, gerade für einen Alexander-Payne-Film, doch die Konklusion lässt sich tatsächlich auf diesem bisweilen recht dürftigen Plateau lokalisieren: Auch auf Hawaii ereilen die Bewohner Schicksalsschläge.
Trügerische Idylle
Dabei beginnt der Film noch mit einem Lächeln: Elizabeth (Patricia Hastie) geht ihrer Lieblingsbeschäftigung nach und braust auf Wasserski strahlend über die sanften Wellen. Anschließend bricht „The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten“ diesen Moment mit einer herben Zäsur, Elizabeth hatte einen Motorbootunfall und liegt seitdem im Koma. Ihr Mann, Matt, der sich in Sachen Erziehung und Ehe schon seit Jahren eher im Hintergrund aufgehalten hat, bekommt es seitdem mit der 10-jährigen Tochter Scottie (Amara Miller) zu tun, versucht ihr nicht die Hoffnungen zu nehmen, dass Mama womöglich nicht mehr aufwachen wird und gleichwohl der vernachlässigten Vaterrolle endlich gerecht zu werden. Dass sich die innerfamiliäre Lage ein Stück weit zuspitzt, als die älteste Tochter Alexandra (Shailene Woodley, „Die Bestimmung – Insurgent“) wieder in den Schoß der Familie zurückkehrt und Matt umso deutlicher auf dem Prüfstand als sensible Autoritätsperson stellt, macht „The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten“ schon damit deutlich, dass Alexandra nicht gerade als besonders umgänglicher Teenager beschrieben wird.Ein Gespräch unter Kumpels
Die Ausgangssituation von „The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten“ ist zu interessant, als dass man ihr von Beginn an den Rücken zuwenden möchte: Die durch den Unfall der Mutter im Kern zerrüttete Familienstruktur sucht in Vater Matt einen neuen standhaften Kitt für das zukünftige Miteinander. Dass Matt allerdings so vielbeschäftigt gewesen ist, dass er nicht im Ansatz gemerkt hat, dass seine Frau ihn bereits seit geraumer Zeit betrügt und gar die Scheidung in Erwägung gezogen hat, stellt die hier porträtierte Trauerarbeit in ein neues Licht und codiert sie simultan mit der Frage nach Vergebung. George Clooney, der selbstverständlich ein toller Schauspieler ist und das schon vor seinem oscarnominierten Auftritt in „The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten“ unter Beweis stellt hat, wirkt als Projektionsfläche tiefschürfender Emotionen zu sauber und glatt und verkehrt fortwährend im Schatten von Darstellern wie Jack Nicholson oder Paul Gimatti, anhand denen es Alexander Payne in empathischer Fasson gelang, aus der alltäglichen Nonchalance eine ganze Bandbreite zwischenmenschlicher Wahrheiten zu destillieren.Jedoch wäre es ein vermessener Vorwurf, George Clooney die Schuld für die qualitative Durchschnittlichkeit von „The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten“ anzukreiden. Das Drehbuch, eine Adaption von Kaui Hart Hemmings „Mit deinen Augen“, verkehrt mit seinem prinzipiell bedrückenden Anliegen einfach zu simplistisch. Immerzu erweckt der Film den Eindruck, den kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen Publikum und Sujet aufzugreifen und diesen an der Oberfläche wieder fallenzulassen, anstatt sich in das Innere seines ansprechenden Themenspektrums hineinzubohren. Die Beziehungen zwischen den Figuren verlassen nie ihren funktionalen Rahmen, dass Nebenbuhler Brian Speer (Matthew Lillard, „Scream“) selber Familienvater ist und zu den Investoren gehört, wie die beim Verkauf von Matts geerbten Land auf Kaua'i an den Provisionen dumm und dämlich verdienen würden, ist nur eine zwanghaft-konstruierten Konnotation des zerstreuten Narratives. Der natürliche Erzählfluss, wie man ihn aus Alexander Paynes vorherigen Filmen kennen und lieben gelernt hat, ist verloren gegangen und der einzige Augenblick, in dem Payne eine wahrhaft eruptive Gefühlsgewalt entlädt, ist Alexandras stummer Schrei im Swimmingpool. Darüber hinaus wirkt dieses Werk in seiner thematischen Handhabung oftmals ähnlich banalisiert wie sein deutscher Beititel.
5 von 10 blauen Augen
von souli