Fakten:
USA. 2013. Regie: Brad Anderson. Buch: Richard D’Ovidio, Jon Bokenkamp. Mit: Halle Berry, Abigail Breslin, Michael Imperioli, Ella Rae Peck, Morris Chestnut, Rom Maffia, Justin Machado, José Zuniga, Tara Platt u.a. Länge: 95 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Im Kino.
Story:
Seitdem die 911-Operaterin Jordan ein Mädchen nicht vor dem Tod durch einen Einbrecher schützen konnte, leidet sich unter einem schweren Berufstrauma, welches bei jedem neuen Anruf erwachen könnte. Als Jordan eines Tages von einem jungen Mädchen merklich verzweifelt angerufen wird, welches angibt, in einem Kofferraum gefangen zu sein, steht Jordan erneut in Konflikt mit ihrer Vergangenheit, muss sich den Schmerzen jedoch stellen, um das Mädchen aus den Fängen des Psychopathen zu retten. Das Problem ist jedoch, egal wie detailliert die Schilderungen der 16-jährigen Casey auch sind, das Automobil kann nicht auf geortet werden. Jordan muss sich einen neuen Plan ausdenken, um den vermeintlichen Mörder zu stoppen, selbst wenn sie dafür ihr Callcenter verlassen muss…
Meinung:
Was wären wir heutzutage nur ohne Mobiltelefone? Man kann sich ein Bild ohne Handy im Griff der Zivilisation längst nicht mehr vorstellen, zu abhängig sind wir von der immer weiter fortschreitenden Technologie, zu fixiert auf den Reizüberschuss, den die immer versierter werdenden Apparate auf ihre Besitzer ausüben. Geht man also durch die Stadt, ist es schlichtweg unmöglich geworden seinen Blick fernab der Menschen mit Handys in der Hand oder am Ohr zu richten – Eine elektronische Invasion. Aber auch in der Filmwelt sind die Telefone und Handys bereits nicht mehr von der Leinwand wegzudenken und Drehbücher widmen sich voll und ganz ihrem immensen Wert, der hier auch mal ganz klar über Leben und Tod entscheiden kann. Man denke nur an den in einer Telefonzelle eingekesselten Colin Farrell in „Nicht auflegen!“ oder auch Kim Basinger in David R. Ellis‘ Hochgeschwindigkeitsthriller „Final Call“. Nun hat sich auch Halle Berry in die illustre Runde dazu gesellt und muss in Brad Andersons „The Call“ erfahren, dass manche Telefonate nicht immer freudige Entspannung versprechen.
Jordan muss immer bereit sein
Diese Telefon-Thriller laufen nach einem ähnlichen Prinzip ab, wie es Jan de Bont in seinem revolutionären Action-Thriller „Speed“ im Jahre 1994 festhielt: Es wird eine Opferrolle stilisiert, der keinerlei Schuld an ihrem eigenen Ableben zugesprochen werden kann, es gibt einen Täter, der wie ein Geist aus dem Hinterhalt agiert und die Helden, die sich den Regeln des Psychopathen anpassen müssen, ohne ihre eigenen Ideale zu verraten. Im Fall von „Speed“ war das ein Bus, dessen Geschwindigkeit nicht unter 50 Meilen pro Stunde fallen durfte, in Telefon-Thrillern sind es meistens die Brennpunkte, dass keinesfalls die Verbindung zwischen Person A und B unterbrochen werden darf. Dass kann richtig spannend werden, vor allem hat sich das in „Nicht auflegen!“ gezeigt, in dem nahezu der gesamte Handlung auf eine Telefonzelle komprimiert wurde und die Gefahr mit dem durchgeladenen Scharfschützengewehr in einem der drum herumliegenden Hochhäusern lauerte. „The Call“ folgt der gleichen Prämisse und will das Kofferraumopfer tunlichst vom Auflegen abhalten. Mit leichtem Sarkasmus gewappnet muss man als Konsument jedoch feststellen, dass die zwei Drehbuchautoren eine Geschichte zusammengeschustert haben, die in ihrer Konstellation der missgünstigen Bezeichnung „hanebüchen“ wirklich blind in die Arme rennt.Dabei hat man es mit Brad Anderson mit keinem untalentierten Regisseur zu tun, man erinnere sich vor allem an sein Suspense-Sahnestück „The Machinist“, in dem er Christian Bale nicht nur an seine physischen Grenzen gezwungen hat, sondern auch einen Psycho-Thriller entwarf, der in seiner symptomatischen Blässe einfach durchgehend packen konnte. Es war unschwer zu erkennen, dass das große Vorbild Andersons auf den Namen Alfred Hitchcock hörte, dessen Methodik und Systematik der aufstrebende Regisseur präzise analysierte – Und doch ist der Mann nahezu ausschließlich in der Direct-to-DVD-Abteilung zu finden. Inzwischen muss man jedoch sagen, dass er diesem Platz mehr als gerecht geworden ist, obgleich „Transsiberian“ ein kühler Lichtblick war, hat ihn das Endzeit-Debakel „Die Herrschaft der Schatten“ mit Anti-Schauspieler Hayden Christensen wieder gewaltig in den Dreck gezogen. „The Call“ passt sich diesem despektierlichen Nischenbereich ebenfalls wunderbar an, genau wie Hauptdarstellerin Halle Berry („Monsters Ball“), die Zeit ihrer Karriere vollkommen überbewertet durch die Kinematographie flaniert.
Caseys letzter Blick in die Freiheit?
Die Ingredienzien von „The Call“ sind standardisiert und klischeedurchtränkt: Es gibt den psychopathischen Entführer mit reichlch wässriger Psychologisierung, ein jugendliches, knackiges Opfer, dass den empathischen Zugang zum Publikum schnell ermöglichen soll und die unverkennbare Heldin, die ihre eigentlich tief eingebrannten Probleme hinter sich lässt und den Dämonen ihrer Vergangenheit einen Kampf ansagt, den sie nie und nimmer gegen die taffe Lady gewinnen werden. Wie die Geschichte von „The Call“ endet, ist bereits nach der routinierten Exposition klar, dass das Drehbuch jedoch derart durchwandert von heftigsten Logikschlaglöchern ist, die die Verbindung zum Zuschauer beim besten Willen nicht aufrechthalten können, war in dieser bierernsten Tonlage wirklich nicht zu erwarten. Alles und jeder wirft sich hier dem dramaturgischen Zweck zum Fraß vor, ohne in einem Bruchteil einer Sekunde zu reflektieren, wa für debiler Schwachsinn im stereotypischen Genre-Korsett hier eigentlich fabriziert wurde. Keine Frage, „The Call“ ist nicht langweilig, aber seinen mehr als minderwertigen Unterhaltungswert zieht er nicht aus augenzwinkernder Spannung, sondern aus der effektuierten Blödheit, die in ihrem reaktionären Abschluss allerdings einen mehr als ärgerlichen Beigeschmack hinterlässt.Fazit: Die Prämisse ist schwachsinnig, die Ausführung jedoch ein Schlag ins Gesicht des für blöd verkauften Rezipienten. „The Call“ wartet mit einem Drehbuch auf, dass einfach viel zu viele Logiklöcher zu bieten hat und vom guten Willen des Zuschauers nicht kompensiert werden kann. Halle Berry actet sich gewohnt unscheinbar und reizlos durch die technologisierte Szenerie und die platte Charakterisierung rennt der reaktionären Abschluss geradewegs in die Arme. Spannend ist das nicht, unterhaltsam aufgrund seiner Debilität manchmal schon, letztlich ist „The Call“ aber unbrauchbar inszeniertes Thriller-Kino, welches breits im nächsten Jahr in den Krabbelkisten untergangen sein wird.
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von souli