Review: TENEBRE - Sie hatte nur noch Schuhe an...


Review: TENEBRE - Sie hatte nur noch Schuhe an...
                                                                                                    
Fakten:TenebreIT, 1982. Regie & Buch: Dario Argento. Mit: Anthony Franciosa, Daria Nicolodi, John Saxon, Giuliano Gemma, Mirella D’Angelo, Veronica Lario, Ania Pieroni, Carola Stagnaro, John Steiner, Mirella Banti u.a. Länge: 97 Minuten. FSK: Keine Freigabe. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:Schriftsteller Peter Neal will in Rom sein neues Werk „Tenebre“ vorstellen und gerät direkt nach der Ankunft in eine Geschichte wie aus seinen Büchern entsprungen. Die Polizei empfängt ihn, da eine junge Frau mit einem Rasiermesser ermordet und ihr Mund mit Seiten aus seinem Buch vollgestopft wurde. Prompt erhält er einen Brief vom mutmaßlichen Killer, der weitere Morde ankündigt. Er wird sein Word halten…
  
Meinung:Dario Argento, das merkwürdige (Ex)Genie. Seine Unzulänglichkeiten konnte er nie verbergen und man hatte auch nie das Gefühl, das er das vorhatte. Nötig hatte, zumindest in den ersten 20 Jahren seiner Karriere. Seine Bücher hatten immer diese Ideen, die einen Film rechtfertigen würde, geschrieben waren sie nur mäßig bis nah am Dilettantismus. „Tenebre“ ist da ein Extrembeispiel. Handlung: Ein Autor werden seine Schmuddel-Mord-Geschichten zum Verhängnis, da ein Killer diese auslebt und ihn direkt darin involviert. Klingt interessant? Klar. Klingt einfach? Selbstverständlich. Ist das gut gemacht? Also, da muss man etwas weiter ausholen und Herz wie Hirn separat urteilen lassen.

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"Ja Schatz, ganz tolle Schuhe, ehrlich..."

„Tenebre“ kann schon fast als ein Spätwerk von Argento bezeichnet werden. Obwohl der Mann bis heute aktiv ist. Zu Letzt beglückte er uns mit der wohl erbärmlichsten Dracula-Verfilmung überhaupt („Dracula 3D“ bzw. „Dario Argento’s Dracula“, das Grauen hat viele Namen), davor nötigte er (einst) namenhafte Stars wie Adrien Brody und Emmanuelle Seigner mit der peinlichen Genre-Diffamierung „Giallo“ und hatte seit „Terror in der Oper“ (das war 1987!) schrittweise wie sichtbar seinen Verstand eingebüßt. Zumindest sein Talent. Oder eben das, was seine kruden Geschichten damals nur nebensächlich machte. Sonst war das gaga. Selbst sein ultimatives Meisterwerk „Suspiria“ verfügt eigentlich nur über eine interessante Basis. Im Gegenzug aber über die perfekte Inszenierung. Unantastbar, nicht von dieser Welt. Zwischen diesen Welten liegt „Tenebre“. Ein klassischer Giallo, als das Sub-Genre schon über dem Zenit war. Argento kehrt nach den abstrakten Horror-Märchen „Suspiria“ und dem Nachfolger „Inferno“ selbst dorthin zurück, wo er einst besonders mit „Profondo Rosso – Die Farbe des Todes“ große Spuren hinterlassen hat. Mit Wucht. Sowohl in seinen Stärken, wie seinen Schwächen. Gebündelt, mit Schleife drum. Was überwiegt, liegt eventuell im Auge des Betrachters. Man kann dem Film so viel vorwerfen, das mit Recht, gleichzeitig wird man mit einer wahren Pracht entschädigt. Da sollten Prioritäten gesetzt werden.

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Wenn man mal ein Pflaster braucht...

Narrativ ist „Tenebre“ bald lächerlich. Vor allem so unnötig umständlich. Die Story ist super simpel, trotzdem wird sie viel zu holperig vorgetragen. Es gibt Passagen (in nur 97 Minuten), da passiert entweder zu wenig, oder es wird sehr träge präsentiert. Weil sich kein rechter Fluss einstellen will. Der Rhythmus ist unausgegoren hoch zehn. Konfus ist das eh, gleichzeitig wird das Tempo teilweise so verschleppt, man möchte dem Dario selbst im Drehbuch rumkritzeln. Eigentlich fatal, doch dann ballert er wieder aus allen Rohren auf den Bug. Die entscheidenden Sequenzen sind ein Giall-O-rgasmus. Die Kamera bewegt sich dann mit der Eleganz eines perversen Voyeurs; fährt; treibt; gleitet. Leitet den Tod ein. Von den surrealen Sequenzen seiner direkten Vorgängern weit entfernt, ohne das bezirzende Farbenspiel, dabei nicht geringer berauschend beleuchtet. Bis auf die Lieblingsfarbe Rot, sehr bewusst eingestreut, arbeitet Argento hier nur mit der Ausleuchtung, dafür enorm präzise. Ob absichtlich oder nicht, die Story wird komplett links liegen gelassen, konzentriert wird sich mit jeglicher Energie auf Schlüsselsequenzen, die für erhöhten Speichelfluss sorgen. Höhepunkte sind definitiv die zweite Mordsequenz, mit einer abartig genialen Plansequenz und die Hunde-Jagd mit anschließenden Szenen, die man so zwar konzipieren kann, aber um es mit der entsprechenden Wirkung zu versehen, dazu gehört dieses natürliche Gefühl. Damals hatte das Argento, heute hat er Alzheimer, das wäre zumindest eine Begründung.
Hier vereinigen sich alle Zutaten des Genres in ihrer Urform. Bis auf die bekanntesten Darsteller (TV-Veteran Anthony Franciosa, „Nightmare“-Papa John Saxon und Italo-Beau Giuliano Gemma) wird hier sehr dürftiges Schauspiel präsentiert, der schmierige Sleaze läuft wie Flüssigseife über die blanken Nippel, die Dialoge sind (an ausgewählten Stellen) nur knapp von einem Braune-Tütchen-Film entfernt (die schäbige deutsche Synchro hat daran großen Anteil). Und dieses Finale, absurd. Das wird ein Twist hingerotzt, man möchte das spoilern, so übel ist dieser Unfug. Aber hey, schon wieder fast geil. Ehrlich. Spielt eh keine Rolle mehr, weil Goblin die brillanten Argento-Killer-Szenen mit einem Score unterlegen, der zwischen morbide angehauchter Euro-Disco und bedrohlicher Terror-Attacke hin und her wechselt. Die Gewalt so roh und ruppig daherkommt, wie es Argento bis dahin noch nicht wagte, das Blut als ästhetisches Stilmittel nutzt. Alles in allem ist das auch nur Quark, aber der ist so irre angerichtet, ein Genuss. Unsinn und Brillanz haben Sex miteinander, heraus kommt ein besonderes Kind. Wer ist eigentlich dieses schimmelige, senile Männlein, was als Dario Argento die letzten Jahre vor die Kameras geistert? 
7,5 von 10 Äxten im Kopf

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