Review: STARMAN - Erforscher der Liebe

Erstellt am 12. Juni 2014 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln

Fakten:
Starman
USA. 1984. Regie: John Carpenter.
Buch: Bruce A. Evans, Raynold Gideon. Mit: Jeff Bridges, Karen Allen, Charles Martin Smith, Richard Jaeckel, Robert Phalen, Tony Edwards, David Wells u.a. Länge: 115 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Seit 1977 schwebt die Raumkapsel “Voyager 2” durchs Weltall. Ihre Mission: Lebewesen auf anderen Planeten von der Existenz der Erde zu berichten und sie zu uns einzuladen. Jetzt ist der ersten Gast da: Starman – der liebenswerteste Außerirdische seit Galaxis-Gnom E.T. Doch statt Pauken und Trompeten empfängt die Air Force ihn mit Bomben und Raketen. Der Starman muß im Norden der USA notlanden – mitten im Wohnzimmer der jungen, attraktiven Witwe Jenny Hayden. Er nimmt die Gestalt ihres kürzlich verstorbenen Mannes an und zwingt Jenny, ihn nach Arizona zu bringen. Dort soll er in drei Tagen von seinen Artgenossen wieder abgeholt werden. Es beginnt eine gefährliche 3000-Meilen-Jagd quer durch die Vereinigten Staaten.


Meinung:
Eine kleine Kuriosität aus den 1980ern - der romantische Sci-Fi-Road-Movie 'STARMAN' von niemand Geringerem als John Carpenter. Wie er zu diesem für ihn ungewöhnlichen Projekt kam, ist eine Sache. Herangeführt zu einem vorgefertigten Drehbuch im Fahrwasser des Spielberg-Hits 'E.T.' (obwohl 'STARMAN' ungefähr zur selben Zeit angeboten wurde), brauchte er laut eigener Aussage und allgemeiner Meinung einfach einen ausgleichenden Hit nach seinem letzten, leider kaum erfolgreichen und apokalyptischen Alien-Output 'DAS DINGAUS EINER ANDEREN WELT'. Dass er mit der Stephen-King-Verfilmung 'CHRISTINE' zwischendurch einen ordentlichen Hit an der Hand hatte, wird dabei gerne ausgeklammert.

 

Man, this Light will not stand

Deshalb muss es noch andere Gründe geben, vorallem solche, die erklären, warum so ein eigentlich kommerziell-gefälliger Streifen, der in seiner Grundlage von jedem hätte kommen können und trotz weitgehender Abkehr vom Carpenter-Stil trotzdem noch wirklich ein Carpenter-Film ist, wieder mit Stamm-Produzent Larry Franco an seiner Seite. So wie 'STARMAN' im Orbit anfängt, mit für-den-Regisseur-typischem Vorspann-Font, erkennt man zwar einigermaßen Bezüge zu seinem Spielfilmdebüt 'DARK STAR', inkl. '(I CAN'T GET NO) SATISFACTION' von den Rolling Stones als Echo jener Zeit, und natürlich erinnert die Haus-observierende Ego-Perspektive des geisterhaft-umherschwebenden Alien-Körpers an 'HALLOWEEN' - Erzählart und Charakterzeichnung, die darauf folgen, haben aber zunächst nur wenig gemein mit der gewohnten Methodik des pointierten Selbstbewusstseins, wie man sie von Carpenter und seinen fettfreien Happenings wie z.B. 'THE FOG' kennt. Die Situation an sich ist aber auch eine große Umkehr von seinen üblichen Geschichten der Belagerung von außen, denn hier nistet sich der außerirdische Fremdkörper einerseits schon anfangs in das Leben der Protagonistin Jenny Hayden (Karen Allen) ein, drängt aber darauf, wieder nach Hause, zurück in die weite Galaxie zu kommen, auf dem Weg dorthin dennoch von der Menschheit zu lernen - denn wir haben ihn eingeladen! Das ist natürlich schon ein absoluter Gegenentwurf zum 'DING...', wird aber verständlicherweise noch skeptisch und unbeholfen von Jenny & Carpenter beäugt, müssen sie sich doch erst daran gewöhnen, dass das Alien die Erscheinung von Jennys totem Ehemann Scott (Jeff Bridges) in einer nicht gerade zauberhaften Metamorphose übernommen hat. Kurt Russell hätte jetzt schon den Flammenwerfer geholt, Jenny greift ebenfalls bereits zur Waffe, kann aber mit bestem Gewissen nicht abdrücken.

 

Warum der Wagen steht? Starman hat halt keinen Führerschein

Stattdessen lässt sie sich von dem Erdleben-unerfahrenen Besucher dazu bewegen, ihn in drei Tagen zu einem Treffpunkt mit seinen Artgenossen zu fahren (in einem augenfreundlich-inszenierten, schwarz-orangen 1977 Ford Mustang Cobra II - nach 'CHRISTINE' erneut eine Erfüllung von Carpenters Auto-Faible), während sie ihm gezwungenermaßen einen unauffälligen Umgangston sowie andere Regeln des Menschsein beibringen muss. Das Zusammenleben mit dem Eindringling: unbekanntes Terrain für Carpenter und deshalb auch Grund genug, seiner Jenny - die zurecht glaubt, gekidnapped worden zu sein - zahlreiche Fluchtmöglichkeiten vom unbekannten Wesen anzubieten. Aber in ihr entwickelt sich wohl eine besonders bizarre Version vom Stendhal-Syndrom, die ohne Zweifel daher rührt, wie sehr sie sich noch immer ihrem verlorenen Gatten (selbst lediglich bei einer Hülle seiner selbst) verbunden fühlt, ihm schon zu Beginn des Films anhand von aufgehobenen Erinnerungen in alten Super-8-Aufnahmen nachtrauert und sicherlich verwirrt damit hadern muss, ob sich hier u.U. ein Ersatz ergeben könnte - mit dem sie es aber trotzdem schwer hat; ihm sogar noch in sichtlicher Seelenpein grabend erklären muss, was Liebe bedeutet. Ihr Vertrauen und Glauben in diesen Nostalgie-anfeuernden Neuling feuert sich aber auch wirklich erst an, als klar wird, dass der Fremde keine Feindseligkeit beabsichtigt, sogar mit seinen Kräften Totes wieder zum Leben erwecken kann - und damit ist nicht nur seine Restauration von Scott gemeint.

 

Lass mich, ich schneid dir sehr gerne die Fingernägel

Als Jenny nämlich von einigen Kugeln sie-verfolgender-Polizisten fatal getroffen wird, kann das Scott-Double-Alien sie auch retten. In einem relativ unscheinbaren, aber kongenialen Streich von Carpenter passiert diese Wiedererweckung in einem per Anhänger fahrenden, lieferbaren Einfamilienhaus - ebenfalls wie der wiedererbaute Körper Scotts zunächst nur ein Grundriss für echtes Leben, aber bereits jetzt schon ausgefüllt von zwei sich-allmählich Liebenden, wo sich sogar der Ausserirdische schon mit einzelnen Tränen und einem zärtlichen Kuss beweist. Das ist natürlich Teil seines Lernprozesses, doch daraus entwickelt sich was Tolles für Beide: ein (Neu)beginn der Liebe. Es mag nur Zufall sein, aber hinsichtlich dieser Entwicklung im Narrativ erscheint durchaus interessant, dass sich Carpenter im September 1984, drei Monate vor Release des Films, von Gattin Adrienne Barbeau scheiden ließ, bei den Dreharbeiten aber schon seine spätere Produktionspartnerin und heutige Ehefrau Sandy King kennenlernte. Ich möchte gerne glauben, dass da in 'STARMAN' eine persönliche Wahrheit für ihn drin steckt und so dem romantischen Kern seiner dort dargestellten 'Lovers on the run' besondere Gewichtung zukommen lässt. Es lässt sich sodann auch kaum noch wundern, dass er schließlich doch noch sein Lieblingsthema der Belagerung von außen auf Beide in Form der vorsichtigen Regierung und des noch weniger vertrauensvollen Militärs einschlagen lässt - was zu einigen explosiven Konfrontationen führt, die aber auch nur die schnellstmögliche Flucht unseres Paares, nicht irgendeine Gewalt des Besuchers forcieren.

-"Ist der Polarstern?" - "Nein, das ist mein Finger."

Die Fronten werden schließlich im Höhepunkt des Plots geradezu unausweichlich aneinander gerieben, bezeichnenderweise in die Wüste Arizonas konzentriert, in der Carpenter nun doch noch seinen expliziten Western-Bezug (in früheren Filmen erwiesenermaßen an 'RIO BRAVO' angelehnt) voll ausleben kann und damit einleitet, seine Helden in einem Restaurant voller Native-Symbole namens 'INDIAN COUNTRY' von Polizeikarren einkesseln zu lassen. Ein klassisches Bild: die Übermacht der Gegner wartet draußen, während die Eingeborene und der verletzte Fremde im Zelt ausharren. Von außen kommt dann auch noch ein Negotiator hinzu, hier dargestellt von Charles Martin Smith, der als Alien-Forscher Mark Shermin bis hierhin durchweg den verschmitzten, enthusiastischen Jäger gab - dessen konventionelle Erklärbär-Szenen mit dem Militärhonchos trotzdem eine inszenatorische Gleichgültigkeit seitens Carpenter suggerierte -, allmählich aber kaum noch mit den sezierenden Zielen seiner Auftragsgeber d'accord geht und deshalb die Verdächtigen ziehen lässt, entgegen dem Befehl seines Vorgesetzten vor dessen Nase wieder anfängt, eine dicke Zigarre der Überlegenheit zu rauchen. Unsere Gejagten sind fast am Ziel, doch von weitem schleicht sich schon der Feind, in Ehrfurcht-einflößender Formation, mit Helikoptern über der Steppe an, knallt ohne Rücksicht Raketengeschosse auf diese ein, während Jenny & 'Scott' im Krater nach der Befreiung von oben hoffen. Diese kommt dann auch als reflektierendes UFO runter und stoppt den Wahnsinn, bringt zum Aufladen ihres Kundschafters sogar stimmungsvoll-warmes Rotlicht und entspannenden Schneefall mit, als sich dann verabschiedet werden muss. Jenny will schon gerne mit, doch für seine Atmosphäre ist sie nicht geschaffen. Aber er hat ihr etwas hinterlassen, das ihre retroaktiven Sehnsüchte nach dem verstorbenen Gatten, von dem sie nach seinem Tod nichts mehr hatte, ein für allemal stillen wird: ein Kind mit den Genen Scotts, das ihr zu Lebzeiten aufgrund der Schwangerschaftsunfähigkeit ihres Körpers nicht vergönnt war.


 

"Siehste, meine Hoden leuchten."

Unser STARMAN ist eben ein Helfer, ein Erfüller von Träumen und am meisten Jennys Ventil, um aus der Depression der verlorenen Vergangenheit herauszubrechen und mit dem Geist von einst wiedervereint zu sein, von vorne zu beginnen - weshalb der Film auch mit einer zu den Sternen heraufschauenden Nahaufnahme ihrer großen, verwundert-ergriffenen Mandelaugen endet. Ihr Gesichtsausdruck und die dahinter liegende Charakterentwicklung stehen aber auch ein Stück für die Ambivalenz Carpenters, dem solch eine sentimentale Genre-Geschichte in seinem Gesamtwerk ja so unbekannt ist, dass er sogar seine normalerweise gegebene Autorenschaft beim Musikscore an Jack Nitzsche und dessen mysteriös- bis glorreich-hauchenden Synths übergab. Wie Jenny tut er sich anfangs schwer damit, Liebe für diesen Film zu finden, nicht nur zu inszenieren - einerseits kämpft er im Angesicht erwarteter Studio-Vorgaben damit, der Auftragsarbeit die stilistische Note seiner selbst zukommen zu lassen, andererseits scheint er fernab seiner eingelebten Horror-Gefilde jener Tage Probleme damit zu haben, eine wirklich empathische Romanze mit einem Alien, quasi einem Bodysnatcher, emotional vollkommen überzeugend zu vermitteln. Da muss man aber schon sagen, dass das ihm aufgetragene und bestimmt noch so gut es ging geänderte Drehbuch nicht gerade die beste Hilfe ist, vorallem im Antagonisten-Anteil eine austauschbare Einfältigkeit nach der anderen zusammensteckt, aber auch bei seinen Protagonisten in konventionell-zweckmäßige Erklärungsnot sowie mehr oder weniger witzigen Nachäffungs-Lernkursen-für-Aliens ausartet.Dagegen steht aber schon (auch in Jenny) eine innewohnende Sympathie für Naivität und Wunschträumerei und diese Freude kommt auch im Verlauf langsam bei Carpenter durch, der das nicht nur mit einigen wunderschönen Bildern, gepaart mit dem oben genannten, immer effektiveren Score Nitzsches goutiert, sondern auch seiner im Fokus stehenden Jenny ein emotionales Erwachen in Cinemascope beschert - woraufhin sie im Taumel des abwechselnd turbulenten, sinnlichen und hoffnungsvollen Road-Trips nach den hellsten Sternen am Firmament greift. Fast schon kindlich, wie sie sich daraufhin gegen die halbe Welt stellt, um mit einem Alien zu flüchten, dass sie erst seit paar Tagen kennt und versucht, ihren Ehemann nachzustellen - aber ganz ehrlich, wer kann solch einer zauberhaften Fantasie schon widerstehen, insbesondere, wenn sie doch so einige Wunder bereitstellt? Man bedenke: da konnte nicht mal John Carpenter Nein sagen - und das hat schon alles seine Gründe. Aber es konnte nicht für immer sein, dieser zuckrige, leicht-verblendete Zauber der Hollywood-Romantik, des Publikums-wirksamen Genrefilms, das sieht man am Ende in Jennys bittersüßen Augen wie auch in Carpenters Filmographie und das gibt selbst der STARMAN zu, als er sich verabschieden muss - er überlässt ihnen Beiden letztlich dennoch den Glauben an die alten Kräfte, an die Liebe von einst, nur mit neuem Schwung als zweite Chance. Eben mehr als eine bloße Auftragsarbeit, ist 'STARMAN' letzten Endes ein wahrhaftiger Übergangs- und vorallem doch noch ein echter Carpenter-Film. 7,5 von 10 mysteriösen Kraftkugeln
vom Witte