Review: SPIDER – Im Schrebergarten des Schicksals

Review: SPIDER – Im Schrebergarten des Schicksals
Fakten:
Spider
UK, Kanada. 2002. Regie: David Cronenberg. Buch: Patrick McGrath (Vorlage). Mit: Ralph Fiennes, Miranda Richardson, Gabriel Byrne, John Neville, Lynn Redgrave u.a. Länge: 98 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.

Story:
Der schizophrene Dennis Cleg, genannt Spider, wird aus der geschlossenen Psychiatrie entlassen und kommt in einem Wohnheim unter. Da sich Spider nur schwer mitteilen kann und unter Angstzuständen leidet, ist für ihn das Leben außerhalb der Klinik sehr schwer. Vor allem, dass sein Elternhaus gleich in der Nähe des Wohnheims liegt, macht Spider zu schaffen.


Meinung:
Mit einer analytischer Präzision hat sich David Cronenberg in einem diffizilen Themenkomplex, nämlich der Psychosomatik, festgefahren und die körperlichen wie seelischen Erfahrungen respektive Veränderungen in Relation gebracht. Allgemein wurde das als 'Body Horror' bezeichnet, den David Cronenberg schließlich auch revolutionierte, weil er seine blutrünstig-schmierigen Effekte nicht als reinen Mittel zum Zweck in Szene setzte, sondern mit intellektuellen Hintersinn zementierte. David Cronenberg zählt zu den größten Humanisten des Kinos, er nimmt sich den fokussierten psychopathologischen wie medizinischen Phänomenen an, die seine Charaktere betreffen, er versucht sich ihre Situation einzuverleiben, sie zu verstehen, anstatt mit Vorurteilen und Engstirnigkeit vorsätzlich abzustrafen: Der Mensch hat oberste Priorität, wie sich an Meisterwerken wie „Dead Zone“, „Videodrome“, „Die Fliege“ und „Die Unzertrennlichen" immer wieder unschwer erkennen lässt, so restlos einfühlsam sich diese Geschichten unter der Ägide des Kanadiers entfalten dürfen.

Review: SPIDER – Im Schrebergarten des Schicksals

Spider versucht seine Vergangenheit zu entwirren

Eine echte Randerscheinung im Schaffen des David Cronenberg musste seit jeher der im Jahre 2002 uraufgeführte „Spider“ fristen – Tragischerweise! Die Geschichte um den schizophrenen Dennis Cleg, „Spider“ genannt, der aus der Psychiatrie entfallen wurde, um sich einem Resozialisierungsprogramm in einem schäbigen Wohnheim im Osten Londons unterziehen zu können, beweist nachhaltig, wie sensibel David Cronenberg mit seinen Charakteren umgeht, wie aufmerksam er ihnen Gehör schenkt und den Teufel tut, sie freiheraus und ohne Rücksicht auf Verluste als 'Abnormal' zu titulieren. Wie viel Herzblut in diesem Projekt letztlich steckt, zeigt sich schon allein daran, dass sowohl Cronenberg als auch Hauptdarsteller Ralph Fiennes („James Bond – Skyfall“, „Brügge sehen... und sterben?“) auf ihre Gagen verzichteten, um diesen Film überhaupt in die Tat umzusetzen können. Und mit Ralph Fiennes sind wir auch schon an einem Punkt angekommen, der nicht unwesentlich dafür verantwortlich ist, dass „Spider“ schlussendlich auch wirklich funktioniert.

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Alleine mit der Angst

Was in anderen Werken wohl schlichtweg als 'Overacting' verdammt worden wäre, ist hier der lebende, der akkurate Beweis der tiefen Zerrüttung Spiders, der Ralph Fiennes ein exzellentes Porträt ermöglicht. Allein die erste Szene zeigt, in welch schauspielerischen Dimensionen wir uns in den nächsten gut 90 Minuten bewegen werden: Spider steigt aus dem Zug, nach dem sich ein wilder Auflauf an Menschen verdünnisiert hat, mit seinem geknickten Gang und dem charakteristischen Murmeln schleicht er über den Bahnhof, verloren in einer Welt, die er nur kurze Zeit seines Lebens Heimat nennen durfte. „Spider“ allerdings möchte kein Mitleid für seinen Protagonisten erzielen, in dem er das Spiel auf der Klaviatur der Gefühle anstimmt und permanent herum klimpert. Es ist diese unschätzbare Aufrichtigkeit, mit der Cronenberg und Patrick McGrath, der auch den Roman schrieb, hier zur Tat geschritten sind, die einem Film, der schnell küchenpsychologische Formen hätte annehmen können, zum sensitiv gezeichneten Erlebnis machen.

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Blick zurück: Spider begegnet sich selbst

Gewiss kommt auch „Spider“, wie es für David Cronenberg eben üblich ist, nicht ohne doppelten Bogen aus und die Frage, was nun wirklich Realität oder nur Einbildung Spiders ist, lässt sich auch über den Abspann hinaus nicht 100%ig differenzieren. „Spider“ nämlich beschränkt sich ohne falsche Ausflüchte auf die Perspektive seines titelgebenden Individuums, wir befinden uns im Kopf des zutiefst gestörten Mannes, dem ein in der Kindheit ausgelöstes Trauma jede Chance auf ein normales Dasein negiert hat. Spider aber ist noch so „klar“ bei Verstand, dass er seine zerrüttetes Inneres nicht einfach hinnehmen möchte, sondern sich immer weiter mit seiner Vergangenheit konfrontiert, um dem Ursprung seiner Qualen auf den Grund zu gehen. Die Irrgärten, die Spiders Erinnerungen dem Zuschauer offerieren, das Spinnennetz, das seine Maschen nach Belieben verengt und weitet, zieht einen (bewusst) verfälschenden Blick auf die Tatsachen nach sich, um den Zuschauer zu fordern, um ihn dahingehend zu animieren, sich eine eigene Meinung zu bilden: Hier gibt es nicht nur Schwarz und Weiß, sondern vor allem jede Menge Grautöne.

Neben seiner freudianischen Komponente, die natürlich freilich nicht ohne den ödipalen Konflikt auskommt (und ihn auch auf den Kopf stellt), macht „Spider“ eigentlich genau das richtig, was David Cronenberg mit dem famos besetzten „Eine dunkle Begierde“, einem Film über die Psychoanalyse, aus dem Jahre 2011 wieder falsch gemacht hat. Anstatt oberflächliche Phrasen zu schichten, dringt „Spider“ tatsächlich tief in die Psyche seiner Hauptfigur und setzt sich mit der Komplexität dieser auseinander. Während die Außenwelt Spider ohne jeden Anflug von Empathie in Schubladen sperrt, versucht dieser sich durch eigene Kraft einen Weg in die Freiheit zu bahnen. Dass ihm dieser verwehrt bleibt, ist kein Sadismus seitens der Verantwortlichen, sondern nur die folgerichtige und dramatische Konsequenz einer in sich verfallenen Seele. Spider ist ein ein Mensch ohne Zukunft, weil ihn die Vergangenheit in jeder Minute, jeder Sekunde zurück, weil die spitzen Klippen der zerstörerischen Erfahrungen seiner Jugend einfach zu hoch sind, um sie irgendwie zu überqueren. Ein untypischer Cronenberg, doch den Kamera (dem Zuschauer) ein Handvoll Sperma ins Gesicht zu klatschen lässt sich der Altmeister dennoch nicht nehmen.

7,5 von 10 verschmierten Tagebucheinträgen

von souli

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