Review: Sling Blade - Auf Messers Schneide - Ein Herzensprojekt als großer Durchbruch

Erstellt am 17. März 2014 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln


     
Fakten:
Sling Blade – Auf Messeres Schneide (Sling Blade)USA, 1996. Regie & Buch: Billy Bob Thornton. Mit: Billy Bob Thornton, Dwight Yoakam, Natalie Canerday, John Ritter, Lucas Black, Rick Dial, Brent Briscoe, J.T. Walsh, Robert Duvall, Christy Ward, Jim Jarmusch u.a. Länge: 129 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:Vor fast 20 Jahren tötete der geistig zurück gebliebene Karl seine Mutter und ihren Liebhaber. Nun wird er als geheilt und ungefährlich eingestuft aus dem Sanatorium entlassen. Zurück in seiner kleinen Heimatstadt findet der lebensfremde Sonderling nicht nur schnell einen Job in einer Werkstatt, sondern in dem 12jährigen Frank einen Freund. Er darf sogar in der Garage seiner Mutter Linda wohnen. Alles perfekt, wenn da nicht ihr Lebensgefährte Doyle wäre, ein cholerischer Säufer. Karl hat sich geschworen, nie wieder Gewalt zu verüben, doch als er miterlebt, wie Doyle Linda und Frank behandelt, sieht er sich gezwungen zu handeln.


 
Meinung:Mit seinem Regiedebüt gelang Billy Bob Thornton ein kleiner Überraschungserfolg, der sich zwar nicht unbedingt finanziell oder in einem hohen Bekanntheitsgrat seines Werks ausdrückte, dafür mit zwei Oscar-Nominierungen. Den Goldjungen für das Skript, basierend auf Thorntons eigenen Bühnenstück, konnte er sogar einheimsen, als nominierter Hauptdarsteller ging er leer aus. Ein unverdienter Sieger wäre er nicht gewesen, denn Thornton liefert hier eine der eindrucksvollsten Leistungen seiner Karriere ab und das zu einem Zeitpunkt, als sein Name noch nicht sonderlich bekannt war.

Die Welt hinter der Scheibe will entdeckt werden.

Nuanciert, eindringlich und bis auf das kleinste Detail der Körpersprache perfekt glänzt er in der Rolle eines Manns, der nicht nur durch seine geistige Beeinträchtigung, sondern viel mehr durch seine traumatische Lebensgeschichte seinen Platz in der Welt abseits von Anstaltsmauern nie finden konnte. Wie ein Alien auf einem fremden Planeten muss er sich nun erstmals in der Gesellschaft zurecht finden. Thornton spielt das schön zurückgenommen, übertreibt es nicht mit Behinderten-Klischees oder zerstört seine wunderbare Leistung durch affektiertes Overacting. Diese geschickte Gratwanderung gelingt ihm (oftmals) auch bei seinem Skript. Mühelos könnte da unzähligen Stellen in einen sehr kitschigen und unglaubwürdigen Bereich kippen. Wenn die Tendenz mal ganz kurz dorthin geht, fängt Thornton es rechtzeitig auf und kann durch viel Empathie, teils wunderbare Dialoge und viel Herz wie Verstand für seine Figuren wie die Geschichte alles in die richtigen Bahnen lenken. Eine ausgewogene Melange aus Melancholie, leisen Humor, dramatischen Tiefgang und immer Lichtblicken in einer menschlichen Tragödie, die nicht im Elend ertrinkt, obwohl dem Zuschauer jederzeit klar sein sollte, auf welches logische Ende alles zusteuert. Das Skript lebt und gefällt durch dieses sensible Timing, hat leider nur dezente Schwächen in der leicht stereotypischen Figurenskizzierung (der Nebenrollen) sowie der etwas üppigen Laufzeit, die der Film nicht unbedingt gebraucht hätte. So gibt es leichte Längen, die zu erkennen sind, dabei aber nicht besonders stören. Dafür ist der Rest schlicht zu gut gemacht, die Stimmung nimmt einen durchgehend mit und die starken Momente gleichen dies problemlos aus.

Wer würde ihn nicht mit nach Hause nehmen?

Neben Thornton, der darstellerisch hier alles überscheint, sind einige bekannte Gesichter zu sehen, meist jedoch in sehr kleinen Rollen. Einzig Dwight Yoakam als klassisches Säufer-Ersatz-Daddy-Arschloch und John Ritter als schwuler Freund der Familie mit gewöhnungsbedürftiger Frisur haben mehr Spielraum. Kurz vorbeischauen J.T. Walsh als redseliger Psychiatrie-Kollege, Robert Duvall als Kurts Vater und Indy-Regisseur Jim Jarmusch als Fritten-Wender. Das Thornton sie für so kleine Parts (für sicher nicht die übliche Gage) gewinnen konnte spricht wohl dafür, dass sie vom Projekt überzeugt waren. Zurecht.
Denn auch wenn die Dramaturgie sehr vorhersehbar ist, nicht immer die lange Spielzeit voll rechtfertigt und etwas Feinschliff hier und da nicht geschadet hätten, „Sling Blade“ ist ein schöner Film mit ganz viel Herz und Hingabe gemacht, was er durchgehend zum Ausdruck bringt.
7 von 10 stillen Märtyrern