Review: SLEEPLESS - Ein Film im freien Fall

Erstellt am 1. Dezember 2015 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln

                                                                                    
Fakten:Sleepless (Non ho sonno)IT, 2001. Regie: Dario Argento. Buch: Dario Argento, Franco Ferrini, Carlo Lucarelli. Mit: Max von Sydow, Stefano Dionisi, Chiara Caselli, Gabriele Lavia, Rossella Falk, Roberto Zibetti, Paolo Maria Scalondro, Roberto Accornero u.a. Länge: 118 Minuten. FSK: Keine Freigabe. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:Vor 18 Jahren ermittelte Inspektor Moretti in einer Mordserie, an deren Ende der vermeidliche, kleinwüchsige Täter Selbstmord beging. Nun scheint ein Nachahmungstäter sein Unwesen zu treiben. Der inzwischen pensionierte Moretti wird als Berater herangezogen. Gemeinsam mit Giacomo, dessen Mutter damals zu den Opfern zählte, versucht er hinter die Identität des Killers zu kommen.
  
Meinung: Seit seinem brillanten Meisterwerk „Opera“ (1987) ist bei Dario Argento aus unerfindlichen Gründen der Lack ab. Genau einen recht gelungenen Film hat er seitdem auf die Beine gestellt, auch wenn „Das Stendhal Syndrom“ (1996) nicht die Klasse vergangener Tage hat. Verglichen mit allem anderen Arbeiten seit „Opera“ ist er allerdings so was wie das Irrlicht in der geistigen Umnachtung des einstigen Meisters, da macht aus „Sleepless“ – bis auf ganz wenige Momentaufnahmen – keine Ausnahme. Zumindest kann man ihn als den besten der missglückten Argentos bezeichnen, ein schwacher Trost.

Sicher Reisen mit der Bahn

Dabei macht sich zunächst vorsichtiger Optimismus breit, seine besten Szenen feuert „Sleepless“ gleich in den ersten 15-20 Minuten raus, da ist man als geneigter Fan noch guter Dinge. Allein die Wiedervereinigung nach 16 Jahren mit Goblin, die zuletzt bei „Phenomena“ den Soundtrack zu einem Argento beisteuerten, lässt Großes (oder wenigstens Vernünftiges) erhoffen. Wenn Regisseur und Band ihr Können auffahren, dann funktioniert auch „Sleepless“, was leider schon in der ersten wichtigen Sequenz – der panischen Flucht in einem Zug vor dem unbekannten Schlächter – seinen absoluten Höhepunkt findet. So richtig schön losrotzen dürfen die Goblin-Riffs in der Folgezeit nur, wenn auch Argento sich ausnahmsweise mal auf seine Stärke und die alten Zeiten beruft, nur sind das in knapp zwei Stunden Film erschreckend rar gesäte Momente. Aus unerklärlichen Gründen verlässt sich Argento nach diesem rasanten Auftakt viel zu sehr auf seine rätselhafte Mörderjagd, obwohl seine Werke  nie ihre Qualität aus der Story per se bezogen. Da können noch so viele mysteriöse Hinweise gestreut werden, ohne auf sein typisches, das Erleben fokussierte Inszenierungsspiel wird nur noch deutlicher, wie wenig ihm klassisches Erzählen und besonders das Einsetzen von Schauspielern liegt.

Der Ton macht die Musik

Das einzige Kunststück des Regisseurs liegt darin, den gestandenen Charaktermimen Max von Sydow irgendwie zu dieser Rolle überredet zu haben. Als tatteriges Ex-Ermittler-Mastermind in muffigen Opa-Klamotten, das verzweifelt versucht sich an alte Kinderreime zu erinnern und das mit seinem Papagei bespricht, gibt von Sydow eine ungewohnt lachhafte Figur ab. Manche Szenen sind bald unfreiwillig komisch, was in einem guten Argento nichts verloren hat. Der Rest des Cast schlägt sich mehr schlecht als recht, speziell einige der weiblichen Nebendarstellerinnen liefern Reality-Soap-Niveau ab. Darauf kam es auch bei den guten Filmen eines Dario Argento nicht an, doch die konnte er durch seinen fantastischen Stil auffangen, sogar zu Meisterwerken machen. Viel gibt es davon hier nicht zu sehen. Wenn die Zähne eines süßen Hasen mit Schmackes in den Beton gekloppt werden oder ein Musikinstrument in nicht jugendfreien Maße zweckentfremdet wird, dann mag man das kurz ausklammern. Was Radikalität angeht, braucht sich „Sleepless“ bestimmt nicht verstecken, da wurde Argento in seiner schwachen Phase eher härter als zaghafter. Es gibt in etwa drei, vielleicht vier nette Szenen in diesem Film, die in Kombination mit dem ausgedehnten Opener erkennen lassen, was der Mann mal konnte und irgendwo in seinem chaotischen Oberstübchen auch noch schlummert. Was bringt es, wenn es nur so verstreut von der Kette gelassen wird und der Rest sich in eine ganz merkwürdige Richtung entwickelt?
Spätestens im Schlussdrittel wird es extrem albern. Die Täterenthüllung und die gesamte Auflösung sind natürlich grober Unfug, aber störte das bei einem „Tenebre“? Natürlich nicht, da war das nur ein nebensächliches, eigentlich unwichtiges Element. Hier gibt es ja sonst nichts zu sehen, bis auf den Anwärter für die peinlichste Psychopathen-Darstellung des Laien-Theater-Kreis. „Sleepless“ ist ein ganz sonderbarer Film, dem man beim Schlechterwerden zusehen kann, nur nicht helfend eingreifen. Beginnt verheißungsvoll und entwickelt sich zum Flop. Immerhin gibt es eine Entwicklung, das lässt sich nicht von jedem – genauer gesagt von keinem – Argentofilm seit der Jahrtausendwende behaupten. 
4,5 von 10 Killerzwergen