Review: SHAPE OF WATER - DAS FLÜSTERN DES WASSERS - Romanze ohne viele Worte

Erstellt am 17. Februar 2018 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln

  
Fakten:Shape of Water – Das Flüstern des Wassers (The Shape of Water)USA, CA, 2017. Regie: Guillermo del Toro. Buch: Guillermo del Toro, Vanessa Taylor. Mit: Sally Hawkins, Michael Shannon, Michael Stuhlbarg, Richard Jenkins, Doug Jones, Octavia Spencer, David Hewlett, Nick Searcy, Nigel Bennett u.a. Länge: 123 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Im Kino.
Story:In einer wissenschaftlichen Regierungseinrichtung wird ein sensationeller Fund von höchster Priorität eingeliefert: Ein Wesen, halb Mensch halb Amphibie, gefangen genommen irgendwo im Amazonasgebiet, bisher völlig unerforscht. Die stumme, einsame Reinigungskraft Elisa baut unbemerkt eine Beziehung zu der Kreatur auf. Mehr noch, es entwickelt sich eine verbotene Liebesgeschichte…
   Meinung:Mit stattlichen 13 Oscar-Nominierungen im Gepäck geht Guillermo del Toro’s neuestes Werk Shape of Water – Das Flüstern des Wassers sicher für alle etwas überraschend – zumindest in dem Ausmaß – als nominell großer Favorit ins alljährliche Wettrennen um den begehrten wie in seiner künstlerischen Bedeutung unlängst auch arg überschätzten Goldjungen, aber wenn die Veranstaltung eins definitiv generiert, dann positive Publicity, internationale Aufmerksamkeit und somit in der Regel ein kommerzieller Erfolg. All das sei del Toro ohnehin und generell gegönnt, denn der gebürtige Mexikaner zählt schon seit langem zu den kreativsten und liebenswertesten (trotzdem und auch deswegen so wichtig) Mainstream-Regisseuren der Welt, dem selbst Ausrutscher wie zuletzt sein optisch gewohnt prächtiger, aber ansonsten sehr verzichtbare Crimson Peak bisher nicht ernsthaft schaden.

Liebe auf den ersten Blick?

Angesiedelt in den USA der 1950er Jahre erzählt Shape of Water – Das Flüstern des Wassers die ungewöhnliche Liebesgeschichte zwischen der stummen, einsamen Putzfrau Elisa (enorm liebenswert ohne falsches Mitleid zu heucheln: Sally Hawkins) und einem sonderbaren Amphibien-Wesen (del Toro’s Creature-Buddy Doug Jones), das in einem Labor zu Regierungszwecken gefangen gehalten wird. Schließlich ist gerade Kalter Krieg und jede individuelle Entdeckung oder Entwicklung, von der der böse Ruski nichts mitbekommt, könnte entscheidend sein…auch wenn wir noch nicht mal ahnen, wie die in diesem speziellen Fall aussehen könnte oder ob hier einfach eine Laune der Natur für nichts und wieder nichts als streng geheime Staatssache behandelt wird. Haben ist besser als Brauchen, so viel steht schon mal fest. Trotz der ganzen Geheimniskrämerei hat Reinigungskraft Elisa mehr oder weniger uneingeschränkten Zugang zu der Kreatur und baut auf der Basis von gekochten Eiern und Musik vom Plattenspieler eine behutsame Beziehung zu ihr auf, die irgendwann in einer gewagten Rettungsaktion und schlussendlich sogar in einer „verbotenen“ Liebesbeziehung gipfelt, während Ost und West sich noch nicht ganz sicher sind, was sie genau gerade jagen und wofür das eventuell gut sein könnte. Ist ja auch wurscht, Hauptsache der andere bekommt es nicht.

Glatzköpfe unter sich

Ein Film erbaut auf Gegensätzen, die sich beißen oder wunderbar ergänzen. Mal sind die unüberwindbar und Grund für Feindseligkeiten, mal fügen sie sich ineinander wie zwei kaputte Puzzleteile, die sich maximal insgeheim und nie bewusst gesucht, aber nun plötzlich passend gefunden haben. Einiges funktioniert (wie die sehr redselige und immer stumme Putz-Kombo), oder eben nicht (wie die Amis und die Russen beim Artenschutz aus Vernunftgründen), weil es logisch ist. Und einiges passt einfach, weil es dafür keine empirische Begründung gibt, nur ein Gefühl. Guillermo del Toro gelingt ein sehr schöner, fantasievoller Liebesfilm mit einem überdeutlichen Appell an Toleranz, der sowohl von Rassismus, gesellschaftlicher Klassendiskriminierung und natürlich der selten fundierten Angst vor dem „Fremden“ und „Andersartigen“ erzählt (womit nicht nur Fisch-Wesen, sondern auch Menschen mit anderer politischer Weltanschauung gemeint sind), technisch exzellent ohne CGI-Overkill und mit ganz viel investiertem Herzblut, das ist unverkennbares del-Toro-Kino, das ihn und seine Art des Filmemachens speziell heutzutage so unverzichtbar wie notwendig macht.
Dieser für US-Mainstream- und besonders potenzieller Oscar-Gewinner erstaunlich freizügige und ungezwungene Film (sei es die Darstellung von Masturbation als Morgenritual oder ausgewählter, aber nicht zurückhaltender Gewaltdarstellung, vor der die meisten Filme in der Position sicherlich zurückgeschreckt hätten) hat eigentlich nur ein Problem: Er ist gar nicht (mehr) so unkonventionell, wie er es wohl gerne sein möchte, wie man es erhofft hätte und wie es bei einem del Toro in Bestform schon war. An sein Premium-Stück Pan’s Labyrinth kommt er nicht heran, ist sogar relativ vergleichbar mit anderen Filmen, die heute noch unabhängig von ihrer Veröffentlichung noch eine größere Magie entfalten. Edward mit den Scherenhänden ist da ein gutes Beispiel. Dieser thematisiert praktisch das Gleiche, versteht es aber noch individueller zu verkaufen. Shape of Water – Das Flüstern des Wassers ist ein guter, sogar ein sehr guter Film, der aber den ganz Großen nicht das Wasser reichen kann, irgendwo sichtlich hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Aber trotzdem ist er so herzlich und liebevoll umgesetzt, dass er jedem ans Herz gelegt werden sollte. Allein del Toro’s unverkennbare Verneigung vor dem Kino an sich zeigt: Er ist immer noch einer von uns, mit Leib und Seele. Kein Meisterwerk, aber zu schön um einfach nur „gut“ zu sein.
7,5 von 10 schwarzen Fingern