Fakten:
Self/Less – Der Fremde in mir
USA. 2015. Regie: Tarsem Singh. Buch: Alex Pastor, David Pastor. Mit: Ryan Reynolds, Natalie Martinez, Matthew Goode, Victor Garber, Ben Kingsley, Derek Luke, Michelle Dockery, Melora Hardin, Jaynee-Lynne Kinchen, Sam Page, Emily Tremaine u.a. Länge: 116 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Ab 20. August im Kino.
Story:
Auch immenser Erfolg und Reichtum bieten ihm keine Garantie für ein langes, gesundes Leben: Als der milliardenschwere Unternehmer Damian erfährt, dass er unheilbar an Krebs erkrankt ist, begibt er sich in die Hände einer geheimen Organisation unter der Leitung von Albright. Um seine Lebenszeit zu verlängern, lässt er sein Bewusstsein in einen anderen, jüngeren Körper übertragen. „Shedding“ nennt sich das ebenso geheime wie teure Verfahren. Das Experiment glückt und der wieder junge Damian beginnt unter seiner neuen Identität „Edward“ und in einer anderen Stadt, die gewonnene Zeit in vollen Zügen zu genießen. Doch die neue Welt bekommt Risse, als er von wirren Träumen geplagt wird – Erinnerungen an ein Leben, das nicht sein eigenes ist. Als Damian diesen Visionen auf den Grund geht, muss er erneut um sein Leben fürchten, denn Albright und seine Organisation sind nicht bereit, ihr lukratives Geheimnis kampflos aufzugeben…
Meinung:
Regisseur Tarsem Singh, früher nur Tarsem genannt, gilt als renommierten Filmästhetiker. Nach seiner Karriere in der Werbung, einhergehend mit diversen Regiearbeiten für Musiker und deren Videos (er inszenierte u.a. REMs „Losing my Religion“) fand der gebürtige Inder mit dem Psycho- Thriller „The Cell“ den Weg ins Kino. Bereits bei diesem Debüt offenbarten sich Singhs Stärken genauso wie seine prägnanten Schwächen: Optisch ist er ein Magier, ein Künstler. Auf inhaltlicher Ebene allerdings vesagt er. Schaut man sich seine Filme an spukt vor allem das Credo „style over substance“ im Kopf herum, denn genau das ist Singhs Problem: Ihm gelang es bislang nie beide Ebenen zu synchronisieren, so dass seine wuchtige wie einfallsreiche Visualität an das narrative Gerüst eines Film gekoppelt werden kann.
Eine der wenigen prägnanten, visuellen Szenen des Films
Mit „Self/Less – Der Fremde in mir“ erscheint nun Singhs fünfter Spielfilm und die Geschichte vom todkranken Milliardär, der seine Seele in einen jüngeren Mann transferiert hatte durchaus Potenzial gehabt erzählerisch wie visuell Tarsem Singh herauszufordern. Doch aus dem Drehbuch der Brüder David und Alex Pastor, die mit ihrem Seuchen-Thriller „Carriers“ vor einigen Jahren ein respektables Regiedebüt ablieferten, macht Singh nicht mehr als einen durch und durch konventionellen Unterhaltungsfilm. Ja, damit ist auch gemeint, dass der Inder sogar auf seine ganz eigene, kreative Note verzichtet. Noch nie sah ein Film von ihm so glatt, so normal, so langweilig aus. Einhergehend damit verweist sich „Self/Less – Der Fremde in mir“ auch handlungstechnisch als zu Recht gestutztes Vehikel für den Massengeschmack. Die ethnischen und vor allem die mannigfaltigen philosophischen Fragen, die solch ein Seelentransfer mit sich bringt werden entweder sehr flach oder gar nicht behandelt. Damit lässt der Film aber große Chance, aus dem Käfig des Konventionellen auszubrechen, ungenutzt ziehen.War vermutlich Feuer und Flamme für den Film: Ryan Reynolds
Fokussiert man sich nicht auf die missachteten Ressourcen, die „Self/Less – Der Fremde in mir“ besitzt, erweist er sich aber zumindest als kurzweiliger Action-Thriller, der klar und ohne größere Abweichungen sein Ziel verfolgt Ryan Reynolds weiter als ernstzunehmenden Actionhelden zu etablieren, auch wenn dies eigentlich nicht mehr wirklich nötig wäre, aber irgendwie wirkt „Self/Less – Der Fremde in mir“ für den früher eher verhalten aufgenommen Darsteller („Green Lantern“ sei Dank) wie eine Art Bewerbung für weitere Rollen, in denen Reynolds vom Nobody zum Heroen heranwachsen muss. Bei den gut eingesetzten, aber inszenatorisch doch eher gemäßigten Kampfszenen, macht er eine gute Figur. Dramaturgisch hingegen herrscht eher Flaute, da der Konflikt der Seelen einfach zu eindimensional und visuell zu einfach eingefangen wurde. Da ist es durchaus bedauerlich, dass Ben Kingsley hier seit längerem mal wieder überzeugend in einem größeren Film zu sehen ist, letztlich aber nur eine Nebenrolle spielt, die rasch vergessen ist, auch wenn seine Figur durch den Transfer eigentlich im Zentrum von „Self/Less – Der Fremde in mir“ steht. Die weiteren Charaktere bieten da auch nicht mehr. Auch wenn der Schurke eine durchaus interessante Backstory besitzt, die vor allem dank ihres emotionalen Kerns mehr Aufmerksamkeit verdient hätte.„Self/Less – Der Fremde in mir“ will einem einfachen Publikum gefallen. Deswegen bedient der Film alle Erwartungen an einen klar verständlichen Action-Thriller, der hier und da mit Sci-Fi-Elementen herumspielt. Doch der Kern des Films, das Gedankenexperiment welches hier zu Grunde liegt, würde so viel mehr bieten – vor allem in Symbiose mit Tarsem Singhs sonstigen Bilderwelten. Reduziert an „Self/Less – Der Fremde in mir“ aber nicht auf seine Ignoranz dem eigenen Potenzial gegenüber bleibt zumindest ein schnell verschlungener Happen Unterhaltung übrig.
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