Fakten:
Schloss des Schreckens (The Innocents)
GB. 1961. Regie: Jack Clayton. Buch: William Archibald, Truman Capote. Mit: Deborah Kerr, Peter Wyngarde, Michael Redgrave, Martin Stephens, Megs Jenkins, Pamela Franklin, Clytie Jessop u.a. Länge: 100 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
England am Ende des 19. Jahrhundert: Die puritanische Gouvernante Miss Giddens wird auf einem opulenten Landhaus für die Erziehung auf Beaufsichtigung der zwei Waisen Flora und Miles eingestellt. Zu Anfang läuft alles nach Plan, Miss Giddens zeigt sich engagiert, die Kinder als wohlerzogen, doch es scheint, als würde eine paranormale Aura über dem Anwesen liegen, die Miss Giddens immer weiter in die wahnhaften Zweifel treibt…Meinung:
Alles beginnt mit dem sanftmütigen Gesang eines kleinen Mädchens; ein Mädchen namens Flora, eine Waise, das Bild ist dabei vollends in seinem extensiven Schwarz gefangen. Während sich der vorgetragene Text von einem abwesenden Liebhaber handelt, dient diese Eröffnung nicht nur einzig der stilistischen Einleitung für das Kommende, sie steht bereits symptomatisch für den Film und seine eigentliche Wirkung: Das Unheimliche liegt im Verborgenen. Wenn dann langsam die Hände der Gouvernante Miss Giddens (Deborah Kerr) vom unteren Bildrand in das Zentrum gleiten, zuerst geöffnet gen Himmel gestreckt, dann krampfhaft in sich verankert und schließlich flehend zum Gebet gefaltet, dann steckt auch in dieser strukturierten Bewegungskette bereits der ganz entscheidende Entwicklungsprozess der empfindlichen Protagonistin und verdeutlicht: „Schloss des Schreckens“ lebt nicht von seinem offenkundigen Hokuspokus, wie es der miserable deutsche Titel vermuten lassen könnte, Jack Claytons Genre-Perle ist ein mustergültiges Exempel für den subtilen, vereinnahmenden Grusel.
Besuch aus dem Reich der Toten
Miss Giddens zweifelt an sich selbst
Eine Frage von nachhaltiger Bedeutung ist auch die der Haushälterin, die von Miss Gibbs anfänglich wissen möchte, ob sie über eine ausgeprägte Phantasie verfügt. Sie bejaht die Frage, um kurze Zeit später Stimmen, Schritte und plötzlich auftauchende Personen zu vernehmen. Dabei schleicht sich – vor allem symbolisch – ein sexueller Subtext in die Narration, der mehrere Interpretationsmöglichkeiten der Situation und dem seelischen Zerwürfnis seiner Hauptdarstellerin erlaubt. In klaustrophobischer Atmosphäre beschränkt sich „Schloss des Schreckens“ in der zweiten Hälfte nahezu ausschließlich auf das Innenleben seiner Lokalisation, von Freddie Francis stimmungsvoll bebildert, brillant in ein charakteristisches Spiel aus Licht und Schatten verwoben und dazu wieder mal im höchsten Maße sinnbildlich zu verstehen. Die zerrüttet-labile Psyche von Miss Giddens kämpft mit den Dämonen der Vergangenheit, nur von welcher Art sind diese Dämonen? Das Innere kehrt sich langsam an die Oberfläche, unscheinbar, leise, wahrhaftig subtil und immer mehrdeutig, aber von einer so eindrucksvollen, weil immer wirkungsvollen Ägide gezeichnet, dass die Gänsehaut vorprogrammiert scheint und die eröffneten Fragen nach wie vor auf ihre Antwort warten. Was, wenn alles nur Einbildung war? Sie wollte den Kindern doch nur helfen…
8,5 von 10 nebulösen Erscheinungen
Von Souli