Fakten:
Rio Bravo
USA. 1959. Regie: Howard Hawks. Buch: Jules Furthman, Leigh Brackett. Mit: John Wayne, Dean Martin, Angie Dickinson, Ricky Nelson, Walter Brennan, John Russell, Walter Barnes, Claude Akins u.a. Länge: 136 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Im Städtchen Rio Bravo sorgt Sheriff John T. Chance für Recht und Ordnung. Das muss auch der Mörder Nathan Burdette am eigenen Leibe erfahren, als er von Chance gefasst und hinter Hintern gebracht wird. Doch damit hat sich der Sheriff einen gefährlichen Feind gemacht. Einen Feind den er nicht alleine bezwingen kann. Hilfe erhält er u.a. von einem Säufer und Ex-Deputy sowie einem junger Revolverhelden.
Meinung:
Die Entrüstung über Fred Zinnemanns „Zwölf Uhr mittags“ soll John Wayne und seinem guten Freund Howard Hawks während des Abspanns aus jeder einzelnen Pore getropft sein. Sie echauffierten sich ungemein darüber, wie Zinnemann es wagen konnte, den Mythos des Sheriffs (pointiert: Gary Cooper) derart unamerikanisch zu behandeln und in dieser dreckigen Tonalität gleichwohl zu entmystifizieren: Am Ende wird der Stern nicht stolz auf der Brust getragen, er fällt zu Boden und erstickt symbolisch im Staub. Reaktionär war das Verhalten der beiden Koryphäen des Western gewiss, doch der verletzte Stolz eines entschlossenen Patrioten wie sie es Beide waren, verträgt nun mal keine Risse und es musste zwangsläufig zu einem Gegenschlag ausgeholt werden. Das von John Wayne wiederholt präsentierte Bild des tapferen Gesetzeshüter sollte schließlich im 7 Jahre nach „Zwölf Uhr mittags“ entstandenen „Rio Bravo“ erneut gehegt und gepflegt werden und könnte sich in ihrer Konkretisierung als eine Art Affront gegen Zinnemans Echtzeit-Klassiker verstehen lassen.
Tontaubenschießen auf die gute, alte Art des Wilden Westens
Es ist die Personifikation amerikanischer Ideale, die „Rio Bravo“ fortwährend in Ehren hält und anstatt Verzweiflung aufzeigen, beharrt der Film ausschließlich auf massives Selbstbewusstsein. John Waynes Sheriff Chance fungiert natürlich mit repräsentativem Charakter und lässt sich, egal wie nahe ihm die Bedrohung auch auf den Pelz rückt, nie aus der Fassung bringen – Wayne in seiner prototypischen Paraderolle gewohnt charismatisch und ohne Frage überdurchschnittlich in seiner Performance. Diesem Sheriff aber fehlen die Ecken und Kanten, es fehlt ihm die Ambivalenz, die ihn aus den Fängen seines Schwarz/Weiß-Musters entreißen könnte und die Blicke des Zuschauer nicht schon an seiner gepflegten Oberfläche abprallen lässt. Interessant sind in „Rio Bravo“ nur die Nebenfiguren, jedenfalls bis zu einem gewissen Grad. Während Dean Martin den versoffenen Hilfssheriff Dude mimt, der sich von den kreischenden Dämonen aus der Flasche lösen möchte, um endlich wieder Herr seiner Lage zu werden, gibt Walter Brennan den herrlich kauzigen Stumpy und sorgt immer wieder für die gekonnten Humorspitzen, in dem eh schon relativ lockeren Gemüt des gesamten Films.
„Rio Bravo“ ist eben eine Huldigung an die festgefahrenen Moralvorstellungen der Vereinigten Staaten und leistet es sich zu keiner Zeit, seinen Figuren eine gewisse Schwäche einzustehen. Vielmehr gönnt er ihnen immer nur das Beste und lässt den Zuschauer mit leisem Applaus ihren – wen wundert es – edlen Siegeszug begleiten. Per se ist „Rio Bravo“ natürlich äußerst gelungen, die Schauspieler – vor allem Dean Martin – leisten gute Arbeit, die Musik von Dimitri Tiomkin wird angetrieben vom genretypischen Pathos und alle weiteren formalen Aspekte geben sich mehr als nur solide. Und doch: „Rio Bravo“ wirkt zuweilen austauschbar, er wirkt altbacken und in seinem ganz der Mythologie des Western verfallenen Motiven auch eindimensional und kleinkariert. Die Besinnung auf den familiären Usus innerhalb einer echten Männerfreundschaft darf als durchaus authentisch und ansprechend gewertet werden, immerhin wissen die Burschen noch, wie man respektvoll miteinander umgeht und wie man füreinander richtig einsteht. Darüber hinaus wird es schwierig, „Rio Bravo“ etwas wirklich Besonderes abzuverlangen, denn Beliebigkeit ist ein Problem, mit dem sich schon andere als Klassiker deklarierten Filme auseinander setzen mussten. Und „Rio Bravo“ muss es ihnen gleichtun.
6 von 10 roten Hemden
von souli