Review: RESTLESS - Abschied und Erlösung gehen Hand in Hand

Erstellt am 15. Juni 2013 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln

Fakten:
Restless
USA. 2011. Regie: Gus van Sant. Buch: Jason Lew. Mit: Mia Wasikowska, Henry Cooper, Ryyo Kase, Schuyler Fisk, Jane Adams, Jesse Henderson, Chin Han, Victor Morris, Lusie Strus u.a. Länge: 91 Minuten. FSK: freigegeben ab 6 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.

Story:
Annabel und Enoch haben eine morbide Gemeinsamkeit: ihr Interesse für den Tod. Doch während Enochs Interesse daher kommt, dass er auf Beerdigungen geht, ist Annabel durch ihre unheilbare Krebserkrankung an die Thematik des Sterbens gebunden. Auf einer Bestattung lernen die beiden Sonderlinge sich kennen und lieben.


Meinung:
Man könnte Gus van Sants »Restless« schnell in seine Einzelteile zerpflücken und mit der – in Bezug auf Van Sants vorherigen Inszenierungen – oft passenden „Wischi-Waschi“-Floskel stigmatisieren, zeigt sich der Film doch auf den ersten Blick technisch wie narrativ recht unambitioniert, ohne jedes Risiko, emotional wenig fordernd und dazu noch manipulativ in seiner liebenswürdigen Charakterisierung. Nur würde man »Restless« und Jason Lews' Intention mit dieser Einstellung mehr als Unrecht tun, selbst wenn die naiv-optimistische Ideologie innerhalb des Geschehens den kritischen Zuschauer geradewegs dazu einlädt. Betrachtet man den Film aus einem anderen, leicht eskapistischen Blickwinkel, erscheint der konzeptionelle Umgang mit der Thematik doch zu funktionieren. Es sind die märchenhaften wie nostalgischen Nuancen, die die Geschichte aus jedem Zeit und Raum-Verständnis entlocken und dadurch einen eigenständigen, vollkommen unaufgeregten und sanftmütigen Mikrokosmos formen, in dem der Kontakt und die Akzeptanz des Todes durch die Augen zweier Jugendlicher enthüllt wird.

Annabell und Enoch lassen sich gehen

Vor allem gelingt es „Restless“ seine zwei Protagonisten nicht zu bloßen Sklaven der tristen Hobbymorbidität zu modellieren. Annabel und Enoch handeln nicht aus fragwürdiger Faszination, sondern suchen die Berührung mit dem Ableben, um die seelischen Bewältigungsversuche auf gesundem Nährboden anzupflanzen. Es ist daher auch kein Kunststück, das zentrale Thema in Van Sants Karriere zu erkennen: Der Tod. Im Fall von „Restless“ erwartet den Zuschauer jedoch nicht die Konfrontation mit sozialer Ratlosigkeit, gesellschaftlicher Ohnmacht oder der bitteren Leere im Nirgendwo. „Restless“ verteilt seine glückliche Duftnote mit leichtfüßiger Wärme und steht trotz seiner ernsten Grundlage für die anschmiegsame Erlösung und die Annahme des Abschieds. Schließlich geht es hier nicht nur um das Ende des Seins, sondern auch um den Anfang einer zarten Liebesgeschichte zweier Randläufer.

Zwei Heranwachsende, die ihr gesamtes Leben eigentlich noch (miteinander) vor sich hatten, verlieren sich im gefühlvollen Lebewohl. Die Frage, die „Restless“ dem Zuschauer dadurch stellt, ist, ob der Mensch sich wirklich auf das Sterben vorbereiten und ihm mit einem Lächeln entgegentreten kann? Van Sant nickt mit wohlgesonnenem Grinsen auf den Lippen, denn letzten Endes ist „Restless“ auch ein Film über den Zusammenhalt, in der mehr mentale Befreiung steckt, als wir anfangs erkennen möchten. Natürlich schmerzt ein derartiger Abschied, doch wenn man dem geliebten Menschen bis zuletzt in die Augen blicken durfte und nicht mit einem abrupt Endpunkt in Kollision gerät, ist die zwischenmenschliche Gemeinsamkeit bis zur letzten Stunde genau der erträgliche Halt und sehnsüchtige Seelenfrieden, den beide Parteien – besonders Enoch – Zeit seines Lebens auf den Beerdigungen fremder Leute und den Streifzügen über die Friedhöfe gesucht haben - Aufatmende Zuversicht im eigentlichen Verlust. Van Sant weiß, wie man den Zuschauer um den Finger wickelt und trotzdem braucht er sich in diesem Fall nicht geblendet fühlen: „Restless“ ist einfach ein verdammt schöner Film.

7 von 10 unsichtbaren Kamikazefliegern

von souli