Review: RESERVOIR DOGS - Ein missglückter Überfall mal anders erzählt.

Review: RESERVOIR DOGS - Ein missglückter Überfall mal anders erzählt.Fakten:
Reservoir DogsUSA. 1992. Regie und Buch: Quentin Tarantino. Mit: Harvey Keitel, Tim Roth, Steve Buscemi, Michael Madsen, Chris Penn, Edward Bunker, Lawrence Tierney, Quentin Tarantino u.a. Länge: 95 Minuten. FSK: ab 18 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-Ray erhältlich.
Story:
Sechs Typen, die sich nur mit ihren Decknamen kennen, sollen einen Juwelierladen überfallen, doch zu ihrer Überraschung taucht die Polizei auf und die Situation eskaliert. Einzeln schleppen sie sich, teilweise blutüberströmt, zu ihrem Treffpunkt. Doch höchste Vorsicht ist geboten, denn sie sind sich sicher: Einer von ihnen muss ein Verräter sein und den Bullen Informationen zugesteckt haben. Aber wer?

Meinung:
Was würdest du tun, wenn du mit fünf anderen Typen, die du davor noch nie gesehen hast, einen Juwelenraub durchziehen sollst? Und was, wenn dieser aber so richtig in die Hose gehtt und euch die Bullen nun auf den Fersen sind? Wem kannst du noch vertrauen? Und warum?

Harvey Keitel: Mr. White, der alte Hase.

Ja, mit diesen Fragen beschäftigt sich einer der besten Debütfilme überhaupt, nämlich „Reservoir Dogs“. Denn sechs Typen mit schwarzen Anzügen wurden von Joe Cabot und seinem Sohnemann, dem schönen Eddie, beauftragt, Juwelen zu klauen. Aber halt, das erfährt man ja erst später, denn davor kriegt man mit, dass irgendwas an einem Plan schief gelaufen ist und ein junger Kerl im Anzug heftig blutend von einem anderen Typen, ebenfalls im Anzug, in ein altes Lagerhaus gebracht wurde. Moment, auch so fängt der Film ja gar nicht an. Es beginnt mit einem Gespräch in einem Frühstückscafé. Über die zu niedrigen Gehälter der Kellnerinnen und Trinkgelder. Über „Like a Virgin“ und dicke, wirklich dicke… Adressbücher mit Frauennamen drin. Oder so.

Edward Bunker: Mr. Blue, der noch ältere Hase, der aber kaum ne Rolle spielt.

Review: RESERVOIR DOGS - Ein missglückter Überfall mal anders erzählt.

Sind die Blues Brothers tatsächlich zurück?

Verwirrt? Das denke ich mir. Der junge Regisseur (Mist, Name vergessen) schafft bei seinem Debütfilm eine Erzählstruktur, die er in dieser Genialität in keinem seiner späteren Filme mehr erreicht hat. Auch wenn er immer wieder die Teile der Filme zu einem Ganzen zusammensetzt (enttäuschend in dieser Hinsicht: „Django Unchained“), so schafft er hier mit einer so durcheinandergeworfenen Erzählweise, den Zuschauer bei Laune zu halten, dass es eine wahre Pracht ist. Rückblenden, Zeitsprünge, alles irgendwie episodenhaft zusammengebastelt, dass es ein Gesamtkunstwerk ergibt, das alleine schon ausreichen würde, um den Zuschauer an den Film zu fesseln. Da kommen auch die späteren Filme nicht ran. Obwohl die auch oft toll erzählt sind.
Lawrence Tierney: Joe Cabot, der dicke Boss.

Ein Hauptdarsteller sind die verdammt nochmal genialen Dialoge. Sprüche, die zum totalen Kult wurden („Are you gonna bark all day, little doggy, or are you gonna bite?“). Alltagsgeplappere, krude Theorien über Madonna-Songs, ein bisschen sozialkritische Töne über die unfaire Bezahlung von Kellnerinnen, Geschichten über Drogendeals und lustig-spannende Situationen. Emotionale Gespräche, manchmal aus Angst, aus Schmerz, aus Hass. Ach, eigentlich fast alles wird in den Gesprächen gesagt und vor allem: die beinahe komplette Story wird in Gesprächen nachträglich Stück für Stück zusammengesetzt. Ein sehr dialoglastiger Film, klar. Aber der Regisseur (mann, wie heißt er denn noch gleich) kriegt es hin, diese Dialoge wie aus dem echten Leben zu gestalten, so dass sie nicht eine einzige Sekunde künstlich oder gar unpassend wirken – obwohl so vieles dvon belanglos ist.

Michael Madsen: Mr. Blonde, der Psychopath.

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Die Situation scheint zu eskalieren

Nachdem die Gespräche ein Hauptdarsteller sind, so ist die Musik ein zweiter. Manchmal wirkt der Film mit seinen genialen 70er Jahre Soundtrack fast schon wie ein Musikvideo. Ein schmutziges, alt wirkendes, irgendwie nicht ganz scharfes Musikvideo, aber es wird getanzt, sich im Takt und Rhythmus der Musik bewegt – und die Songs gehen einem ins Ohr und schaffen es teilweise sogar, den Zuschauer auf seinem Sofa ein bisschen mitwippen zu lassen. Aber selbst wenn man ruhig sitzen bleibt: Cool sind die Lieder alle und so untermauern sie die coole Atmosphäre des Films eindrucksvoll. Dazu kommt, dass, wie in vielen Musikvideos auch, die ein oder andere Hommage an große und kleine Filme des Vergangenheit eingebaut ist. Nicht zuletzt die Namen der sechs Schwarzanzuggangster, die der namenlose Regisseur aus dem tollen Film „Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 1-2-3“ übernommen und angepasst hat.
Steve Buscemi: Mr. Pink, der auch mit Mr. Purple einverstanden wäre, der aber weiterhin Mr. Pink heißen muss.

Achja, ganz kurz nur: es ist übrigens nicht nur die eingangs erwähnte Geschichte über einen missglückten Juwelenraub, die den Film so stark macht, sondern auch viele Themen, die damit angesprochen werden. Ver- und Misstrauen. Verrat. Gewalt und ihre drastischen Konsequenzen. 

Chris Penn: Nice Guy Eddie, der schönste Trainingsanzug aller Zeiten.

Review: RESERVOIR DOGS - Ein missglückter Überfall mal anders erzählt.

Ein Mexican Standoff? Sind wir im Wilden Westen?

Was auch noch toll ist: Der Film sieht roh aus. Neben den Gewaltdarstellungen, die ziemlich kalt und brutal sind, manchmal aber auch als groteske und fast schon psychopathische Folterszenen inszeniert werden, ist es vor allem diese teilweise Kammerspielartigkeit des Films. Die Haupthandlung spielt sich in einer Lagerhalle ab, was die Eingeengtheit, die Bedrängtheit und auch die nur begrenzten Auswege der Protagonisten symbolisiert. Dazu ist hier natürlich auch das angemessen schmuddelige Ambiente mit Dreck und Staub, was dem handmade-Film „Reservoir Dogs“ seinen unglaublichen Charme verleiht. Die Rückblenden übrigens, die finden nicht in der Halle statt, sondern in den verschiedensten Räumen, was durchaus auch eine gewisse (Entscheidungs-)Freiheit der Figuren symbolisieren kann, die sie durch den missglückten Überfall und die Flucht zu ihrem Treffpunkt (die Halle) eingebüßt haben. Außerdem sind sie plötzlich von ihren Partnern abhängig. Keine schöne Situation, denn wem kann man schon vertrauen, ein Verräter muss ja dabei sein.
Tim Roth: Mr. Orange, der junge Unbekannte.
Und dann sind da noch die Darsteller mitsamt ihren Figuren, die so sehr in ihren Rollen aufgehen, so natürlich spielen und damit den Figuren eine unglaubliche Tiefe geben, die kein (anderer?) Drehbuchautor der Welt so schreiben könnte. Diese Figuren haben wirklich bereits ein Leben gelebt, haben Vorurteile aufgebaut, haben Positionen eingenommen, Ideale und Prinzipien haben sie auch. Sie sind der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Sie hauen ihre Sprüche und Gespräche raus, sie bringen Gefühle rüber, Spannung, Witz und Brutalität. Wie, ich hab die Namen gar nicht genannt? Und wie, diese Review ist total zerfleddert, sinnlose Gedanken sind mit reingekommen und er is außerdem noch mega umgangssprachlich? Hey, es funktioniert doch!
Quentin Tarantino: Mr. Brown. Moment… Quentin Tarantino? Ja, so heißt er doch, der Regisseur. Der Drehbuchautor. Der Macher, das Mastermind dieses Films. Danke, lieber Quentin, für all deine Filme. Aber für diesen tollen Film besonders!

10 von 10 abgeschnittene Ohren


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