Review: PALE RIDER - DER NAMENLOSE REITER - Die Geister, die ich rief

Review: PALE RIDER - DER NAMENLOSE REITER - Die Geister, die ich rief
Fakten:
Pale Rider
USA. 1985. Regie: Clint Eastwood. Buch: Michael Butler, Dennis Shryack.
Mit: Clint Eastwood, Charles Hallahan, Chris Penn, Carrie Snodgress, Richard Kiel, Michael Moriarty, Richard Dysart, John Russell, Billy Drago, Doug McGrath u.a. Länge: 115 Minuten. FSK: freigegeben ab 15 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Coy La Hood ist der Herrscher einer kleinen Goldgräberstadt. Sein Wille ist Gesetz. Doch dies wollen sich viele nicht mehr gefallen lassen und formieren einen Widerstand. Doch den skrupellosen La Hood kann scheinbar niemand stürzen. Wirklich niemand? Vielleicht gelingt es ja dem namenlosen Reiter, der eines Tages in die Stadt kommt?


Meinung:
Unter Sergio Leone („Spiel mir das Lied vom Tod“) verlieh er dem wortkargen Fremden ohne Vergangenheit im Italo-Western einst ein knitteriges Gesicht und personifizierte mit Zigarillo im Mundwinkel, dem staubigen Poncho über den Schultern und dem Colt im Anschlag eine findige Lässigkeit, wie sie der uramerikanische Western vorher nicht kannte – oder in dieser ausgebufften Form nicht kennen durfte: Eine Legende wurde geboren; die  stoische Inkarnation der Gesetzes-, aber keinesfalls der Gewissenlosigkeit. Und natürlich wusste Clint Eastwood auch nach Beendigung der Zusammenarbeit mit Leone sein mit kommerziellem Erfolg verbundenes Image innerhalb der Filmwelt weiterhin gebührend zu pflegen, wenn auch mit einigen nötigen Änderungen in der Charakterzeichnung: Eastwood aber bleibt eine Koryphäe des Western, welcher Couleur auch immer, und wie es sich für so eine Koryphäe nun mal geziemt, wurde auch er populärer Teil der Aufs und Abs des permanent für tot erklärten Genres.

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Clint, wie wir ihn lieben

Irgendwann also musste auch der knurrige Kalifornier seine Funktionsmöglichkeit als Re-Animator des Western erkennen und die schwarzen Wolken kreisten wohl nie so vehement über dem Genre, wie in den 1980er Jahren, in dem sich das Publikum nicht mehr sonderlich für die alte Leier des Sujets interessierte: Revolverhelden, Outlaws und Indianer hatten weitestgehend ausgedient. Eine Frischzellenkur musste also her, die den Zuschauer die immense Wertigkeit des Western vor Augen führt; die der Welt mal wieder aufzeigt, wie ungemein vielfältig, kritisch und nach wie vor unterhaltsam dieses Genre im besten Fall doch ausfallen könnte. Mit Lawrence Kasdans „Silverado“ und Clint Eastwoods „Pale Rider“ standen sich dann im Jahre 1985 zwei Reanimationsmaßnahmen gegenüber; und während Kasdan sich gutgemeint und mit jeder Menge Starpower im Repertoire den Konventionen des Kinos von John Ford und Howard Hawks verschrieb, seinen merklich akademischen Anspruch aber nie ablegen durfte, hat Eastwood seine Sache mit seiner bereits elften Regiearbeit „Pale Rider“ schon deutlich besser gemacht.

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Dosenschießen mit echten Cowboys

Obwohl sich sein Western tief in die Pionierzeit der Vereinigten Staaten eingeschaufelt hat und von den Umständen während des Goldrausches um 1860 berichtet, verfolgt „Pale Rider“ in seiner Tonalität einen offensichtlich gröberer Wind, wie man ihn eben aus jenen Italo-Produktionen kennen und lieben gelernt hat. Erweckt der Film vorerst noch den Anschein einer selbstreferenziellen Nummernrevue Clint Eastwoods, in der er sich erneut zum namenloser Rächer (und Retter) der Unterdrückten stilisiert, besitzt „Pale Rider“ in Wahrheit doch mehr kritischen Subtext, als anfangs vermutet. Der Konflikt zwischen den Goldschürfen und dem Großunternehmer, der das Land für eigene Zwecke Stück für Stück ausbeuten möchte, ist in seiner Konstellation zwar eindeutig in das Gut/Böse-Schema gegliedert, innerhalb dieser Gruppierungen bestehen aber genügend Grauzonen, die es ermöglichen, jene Eindimensionalität zu überwinden, die sich „Silverado“ noch zu eigen machte. Es dauert nur eine Weile, bis Eastwood die Denkanstöße sprießen lässt und sich wirklich zu einer nachhaltigen Botschaft aufraffen kann.

Damit ist nicht nur die ökologische Kritik am Verhalten des Großunternehmers gemeint, der die Schätze der Natur in seiner durch Industrialisierung wie Urbanisierung angetriebenen Raffgier nicht mehr zu ehren weiß und den hiesigen Siedlern den Lebensraum wie die Arbeit entreißen möchte. „Pale Rider“ besitzt eine spirituelle Note, die sich durch die Figur des Predigers langsam entfaltet: Manchmal stellt die Menschheit Gott vor eine Prüfung, die auch er in seiner angeblichen Allmacht nicht zu bewältigen weiß und sich daraufhin gezwungen sieht, das Schicksal der Unterdrückten in die schroffen Händen eines Totgeglaubten, eines Weltenwandlers zu legen, dessen Vergangenheit von den Narben auf seinem Rücken erzählt wird. Der Prediger wird für die Gemeinde ein Symbol des neuen Muts, ein Symbol der Stärke. Und wenn auch er später erkennen muss, das Worte nicht genügen, um diesen Kampf zu gewinnen, steht der Tausch seines Römerkragen gegen den Revolver, ein letztes Überbleibsel seiner Vergangenheit, ebenso sinnbildlich für die Gepflogenheit dieser Tage, in der Gewalt nur durch Gegengewalt Einhalt geboten werden konnte.


Doch wer seine Hände einmal mit dem Blut anderer befleckt hat, dessen Seele kennt keine Ruhe, sondern nur noch die immerwährende Heimatlosigkeit...

7 von 10 Brocken Gold

von souli

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