Review: NICHT AUFLEGEN - Gefangen in der (Telefon)Zelle

Erstellt am 23. Februar 2013 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln
                                                                            
Fakten:Nicht auflegen! (Phone Booth)USA, 2002. Regie: Joel Schumacher. Buch: Larry Cohen. Mit: Colin Farrell, Forest Whitaker, Katie Holmes, Radha Mitchell, Kiefer Sutherland u.a. Länge: 78 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.

Story:Stu ist ein selbstverliebter PR-Manager, arrogant, großkotzig, erfolgreich. Wie so oft sucht er für ein Telefonat mit seiner Beinahe-Geliebten eine öffentliche Telefonzelle auf, damit seine Ehefrau nichts davon mit bekommt. Diesmal wird jedoch er angerufen. Ein fremde Stimme ist zu hören. Der Mann scheint ihn gut zu kennen und sogar zu beobachten. Als Stu das Gespräch beenden will macht ihm der Fremde unmissverständlich zu verstehen, dass der durchgeladen und entsichert ist...
                   
Meinung: Die Idee zum Film geisterte schon Jahrzehnte durch Hollywood, selbst Alfred Hitchcock hatte Interesse an einer Umsetzung. Am Ende realisierte es Joel Schumacher, gerade noch rechtzeitig. 2002 gehörten Handys schließlich schon zum guten Ton, Telefonzellen starben aus. Heute wäre der Film wohl gar nicht mehr zu drehen gewesen.

Das Konzept ist so einfach und in seiner Schlichtheit so gut. Ein Mann steht in einer Telefonzelle, bedroht von einem Scharfschützen. Daraus lässt sich naturgemäß kein Actionspektakel zaubern, dafür eine Art Kammerspiel. Joel Schumacher, bei dem von Top bis Flop immer alles möglich ist, liefert eine durchwegs saubere Regiearbeit ab. Besonders die Herangeheinsweise stellt sich als goldrichtig heraus. In Echtzeit gedreht, nur knappe 78 Minuten Laufzeit. Die sehr begrenzte Vorlaufzeit, in der Protagonist Stu ausschließlich durch Telefonate und sein arrogantes Verhalten charakterisiert wird, erweist sich als vollkommen ausreichend. Mehr muss über ihn nicht erfahren werden, der Rest ergibt sich aus der Haupthandlung. In der passiert effektiv nicht viel mehr, als ein Telefonat zwischen Stu und seinem unbekannten Richter und Henker in einer Person. Etwas mehr natürlich schon, doch das ist der Kern der Handlung. Stu gerät in ein perfides Spielchen, bis ins Detail durchgeplant. Durch einen tödlichen Schuß wird es zum Medienspektakel, in dessen Mitte der eigentlich widerliche Kotzbrocken steht, der in wenigen Minuten zum bemitleidenswerten Opfer wird. 

Noch ganz entspannt: Stu.

Diese Wandlung, die sich letztendlich auch auf den Charakter von Stu überträgt, ist selbst in der kurzen Zeit absolut plausibel. Zu sehr und direkt wird er in einem lebensbedrohlichen Szenario in die Ecke gedrängt, hat keine Chance sich wie sonst irgendwie rauszuwinden. Sein Leben, sein ganzes Handeln liegt in den Händen des Unbekannten. Diese Situation ist beklemmend, hochspannend und gleichermaßen geschickt wie intensiv inszeniert. Es wird viel mit Splitscreen und Bild-in-Bild Montagen gearbeitet, wodurch sich der Zuschauer nie zu weit von Stu und seinem gläsernen Gefängnis entfernt. Die Hilflosigkeit ist jederzeit spürbar, das Damoklesschwert baumelt unerbittlich über ihm und droht jeden Moment zu fallen. Das ist die besondere Stärke von "Phone Booth". Er hat eine einfache Idee und nutzt diese sehr geschickt. Es braucht keinen Firlefanz, um den Zuschauer bei der Stange zu halten. Genau wie Regisseur Schumacher ist Colin Farrell auch so ein unberechenbarer Faktor, da geht viel nach oben oder unten. In dem Fall geht der Daumen klar nach oben, Farrell passt nicht nur gut auf die Rolle, er füllt sie auch überzeugend aus. "Phone Booth" ist für eine Hollywoodproduktion mit prominenten Cast erstaunlich wie erfreulich simpel gehalten und verschenkt somit die gute Grundidee nicht. Das ist keine Selbstverständlichkeit und wäre oft, im Sinne von Studiobossen und Produzenten, nicht genug gewesen. 

Unter Strich können nur wenige Details kritisiert werden. So packend die gesamte Handlung ist, den ein oder anderen überraschenden Einfall hätte es vielleicht noch geben können. Zudem wird dem Killer zwar grob eine Motivation gegeben, so richtig mag sich das Treiben dann doch nicht erschließen. Das stört aber letztendlich kein Stück. Ein sehr kurzweiliger Thriller mit hervorragender Idee. Nicht genial, aber unbestreitbar sehr sehenswert.

7,5 von 10 prähistorischen Telefondingern