Fakten:
NebraskaUSA. 2013. Regie: Alexander Payne. Buch: Bob Nelson. Mit. Bruce Dern, Will Forte, June Squibb, Bob Odenkirk, Stacy Keach, Mary Louise Wilson, Rance Howard u.a. Länge: 110 Minuten. FSK: ab 6 Jahren freigegeben. Im Kino.
Story:
Woody Grant (Bruce Dern) ist Millionär. Zumindest glaubt er, dass er mit einem an ihn adressierten Werbebrief das große Los gezogen hat und nur im 900 Meilen von seinem Wohnort entfernten Lincoln in Nebraska abholen will. Er lässt sich auch nicht von seiner Familie von diesem hirnrissigen Plan abbringen, sodass sein jüngerer Sohn David (Will Forte) sich schließlich dazu entschließt, den alten Mann nach Lincoln zu fahren. Dieser Roadtrip soll für Vater und Sohn eine Reise in die Vergangenheit Woodys und in ihr Inneres werden.
Meinung:
Ein alter Mann, Bart, zerzauste Haare, leicht verwirrter Blick, läuft alleine einen verschneiten Seitenstreifen entlang. Es wird nicht gesprochen, man sieht ihn einfach nur in schwarz-weißen Bildern angestrengt humpeln. Wenig später sieht man denselben Mann auf dem Highway laufen. Ein Polizist sieht das, hält an und fragt den alten Mann, woher er denn komme. „Von da“, meint der Mann nach hinten zeigend. Dann deutet er nach vorne: „Und ich will nach da.“ Und das war der Moment, an dem mich Alexander Paynes „Nebraska“ für sich gewonnen hatte. Gleich zu Beginn
Alles Reden hilft nicht: Woody will nach Nebraska
Wo er hinwollte? Nach Lincoln in Nebraska, gute 900 Meilen von zu Hause entfernt. Er ist im Glauben, er habe 1 Million Dollar gewonnen und die will er nun abholen. Dass dies nur ein Werbegag ist, daran will er nicht glauben und erst recht lässt er sich sein Vorhaben nicht ausreden. Drum dauert es auch nicht lange, bis sein jüngerer Sohn David den Vater in sein Auto setzt und mit ihm nach Lincoln fährt. Und hier beginnt dann eine wundervolle, einfache, ehrliche Vater-Sohn-Geschichte. Sie wirkt nicht irgendwie aufgesetzt und gekünstelt, sondern so, als ob es beinahe jeden Tag irgendwo auf der Welt genau so passieren könnte.
Für David, der nie eine besonders gute Beziehung zu seinem recht starrköpfigen und alkoholkranken Vater hatte, entsteht die Chance, ihn besser kennen zu lernen. Und ihm zu beweisen, dass er mehr kann und mehr ist, als sein Vater von ihm hält. Das ist nicht einfach, doch nach und nach nähern sich die Männer an. Für Woody ist der Trip eine Reise in die Vergangenheit, da sie ihn auch an seinem Heimatort vorbeiführt. Dabei bekommt er nicht nur mit, wie es ist, von allen bewundert zu werden, weil er es (angeblich) zum Millionär geschafft hat. Aber er erfährt auch die Schattenseiten, wie es ist, wenn man von heute auf morgen all das wieder verliert, weil der Neid der anderen zu groß wird. Und beide erfahren neues Glück, neue Hoffnung nach vielen Enttäuschungen.
Für Familie Grant ist es auch eine Reise in die Vergangenheit
Natürlich ist hier auch die Leistung des oscarnominierten Bruce Dern zu erwähnen. Wie er den mürrischen und starrsinnigen, bereits mit leichten Spuren von Alzheimer gezeichneten Woody Grant spielt, das zeugt schon von großer Klasse. Sein gebrechlicher, humpelnder Gang. Sein Blick, der einerseits oft verwirrt oder einfach nur leer erscheint, in dem aber auch immer wieder Melancholie aufgrund verschiedener Erinnerung und hin und wieder auch echte Hoffnung durchschimmert. Auch Will Forte als sein Sohn David zeigt eine herzliche Vorstellung und bietet viel Platz, sich mit ihm zu identifizieren. Abgerundet wird der Cast unter anderem von June Squibb als rüstige Mama Grant, Bob Odenkirk als Woodys älterer Sohn und Stacy Keach, bekannt unter anderem als Obernazi in „American History X“.
Die ehrliche Stimmung wird durch die Schwarz-Weiß-Bilder und mit melancholischen Klängen von Gitarre, Harmonika und ein paar Bläsern unterstrichen. Auch die unverfälschten, niemals glamourösen Bilder Nebraskas und die dort lebenden, durchschnittlichen (und alle etwas schrulligen) Menschen tragen zu diesem authentischen Gesamtbild bei. Sie sind echt und wahrscheinlich kennt jeder von uns solche Typen. Dazu kommt viel Witz, wobei vielleicht zweimal zu oft mit der „Alte Menschen sind schon irgendwie zum Lachen“-Keule geschwungen wurde. Aber das ändert nichts daran, dass „Nebraska“ ein langsam erzählter, zauberhafter und vor allem ehrlicher Film über Familie und Freunde ist, der zeigt, welcher Reichtum wirklich wichtig ist. Ein Film über Leben. Ein Film aus dem Leben.